10. Die Mutter allen Übels

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In einem Meer aus Tränen wiegte er den erkalteten Körper in seinen Armen und, wie ein hölzernes Boot in brechenden Wellen, der tosenden See, brachen sie über ihnen zusammen. Alle Hoffnung, alle Freude, sie ertranken kläglich.
Sein Wimmern und Winseln, wie ein Umhang, legte sich um die beiden Wesen, erdrückten beinahe das noch letztlich alleinschlagende Herz des Engels.
,, Komm wieder...zurück".
Er sprach unter bittersten Schmerz
(solch erbärmlichem Schmerz) und seine salzigen Zähren, sie wanderten über seine krampflich verzogene Miene und versickerten in den schlaff herabhängenden Strähnen seines erloschenen Freundes.
Er tastete zärtlich das flaumige rote Haar und liebevoll schmiegte er sich an die Hülle Crowleys, streichelte mit fröstelnden Fingern über die feucht gewordenen Haarspitzen.
Die fuchsige Haarpracht, welche nur noch matt dahin schied, erweckte in des Engels Inneren weiteres Leid, und es schmerzte ihn so unendlich.
,, Ich liebe dich... so, so sehr", gestand er, frei von aller Schuld, frei von allen Gedanken.

Ob es ein Leben nach dem Tod gab oder gibt, über solches vergeudete Crowley keinen kostbaren Gedanken.
Für ihn gab es nur das Jetzt und, ab und zu, vielleicht das Vergangene.
Doch, als sein Licht aus seiner Hülle glitt, sich das Antlitz seines Engels quälend verdunkelte, dachte Crowley an das Danach.
Was passiert nun ? Würde er zurück in die Hölle stürzen oder mag nun wirklich alles verloren ?
Er fiel - und er viel tief , doch alles war in der Farbe der finstersten Nacht. Nicht einmal ein Mond leuchtete dem Dämon sein bevorstehendes Schicksal.
Crowley fühlte noch die Kälte des Metalls an seinen Lippen, jenes Rings, welchen Aziraphale mit zitternden Hände an seinen Ringfinger zog und Crowley somit seinen größten und auch letzten Wunsch erfüllte. Er schmeckte sowohl noch den Kuss, dem ihn sein Bester auf die Stirn gab, und er flehte, dass alles gut werden möge.
Er sah zwar nicht, doch spürte Crowley noch jedes einzelne, noch so kleine und unbedeutende Detail.
Und das Fallen.
Wie, nachdem der einste Engel und Wächter der Sterne, aus dem Himmelsreich verjagt und zu seinem Sturz getrieben wurde.
Es sollte ihn nun wohl so enden, wie es begann - und wieder schienen sich Fragen in seinen Gedanken zu überschlagen
,, Ich wollte doch bloß Antwort !", hörte er sein junges Selbst klagen.
Und er war so unerfahren, so leichtgläubig.
Ein Kind. Doch diese Kind, es kostete Crowley sein gesamtes Hab und Gut.
Gottes Wege seien unergründlich, das sollten Aziraphale und die andere gefügigen Engel glauben, doch Crowley ?
Ein Engel, erschaffen, um noch leblosen Sternen das Leben einzuhauchen. Er war von Fragen nur so umringt, wie eine wehrloses Kitz.
Weshalb muss alle so sein, wie es ist ?
Warum gilt der Tag, als Tag, nur weil es hell ist ?
Und warum ist Gottes Wort unantastbar?
Er war ein Neugieriger.
Etwas, was Crowley später, als Dämon, nur noch selten zu sein schien.
Ja, selbst als Schlange kitzelte es ihn nicht, neues zu entdecken.
Zu seinen besten Zeiten als Engel. Er erinnerte sich zu Beginn nur ungern an sein noch leichtsinniges und wissensdurstiges Selbst. Er war damals ja schließlich noch ein reiner und unschuldiger Himmelsspross.
,, Spiel nicht so sehr mit den Flammen", sprachen die älteren Geschwister, allesamt ergebene und gepriesene Wächter.
Doch, als Crowley in die Reihen der Dunkelheit stürzte, die Geschwister-Engel, alle in Gewänder des Kummers gehüllt, sie würden ihm niemals verziehen.
Und sein Sturz
Er spürte das Licht aus seinen Adern fluten und das düstere Schwarz des Dunklen, es besetzte ihn, vereinte sich mit seiner Seele.
Und unter Höllenqualen, der Dämon Crowley wurde geboren.

Der Gefallene, er fühlte das Gestein unter seinem Leib brechen, hörte es zerbersten. Doch, die Augen noch immer verschlossen, nicht wagend die unbekömmliche Schrecklichkeit der Hölle wieder zu erblicken, blieb er reglos liegen.
Es schien also so, als wäre er endlich wiedergekehrt. In sein Verließ.
,, Arg", stöhnte er leidig, die Lider noch fest  verschlossen.
Allerdings, etwas grelles reines, es schien ihn zu blenden.
,, Crowley ?".
Diese Stimme, sie war eine Erhabene, Mächtige und Sie war weiblich, und schemenhaft offenbarte sich ihm das, was er niemals mehr zu erblicken glaubte.
,, Um Himmelswillen...", begann er stockend, nun die Lider völlig aufgerissen.
,, Welcher Wille ? Beende bitte deinen Satz, Crowley".
Er wandte seinen verwirrten Kopf gen den Ursprung, der ihm zugesprochenen Worte.
Sein Blick geleitete dabei benebelt durch den gesamten Raum, in jenem er wieder zu sich fand.
Seine Umgebung, in der Größe eines prächtigen Ballsalls, in welchem dutzende Paare hätten Platz finden könnten, um gemeinsam, Hand in Hand, beherzt im Einklang sanfter Musik, tanzen zu können.
,, Mutter ?", sprach Crowley ungläubig aus.
Er musterte die, ihm mehr als bekannte Person, sitzend auf einem Thron aus kostbarem Porzellan, welcher skurril verschnörkelt war.
Das Stück Kostbarkeiten, es verbreitete das Gefühl ein Werk des Himmel zu sein. Es verstrahlte reine Macht.
Neben den hohen Wänden und der prachtvoll verzierten Deckenkunst des Ballsaals, welches der Kassettendecke des Salon "die Cinquecento im Palazzo Vecchio in Florenz" (von Giorgio Vasari 1572) zum Verwechseln ähnlich sah, befanden sich enorme Glasfenster in den Fassaden des Gebäudes, und
Außen waren bloß polar weiße Wolken und Schleier zu erkennen.
,, Was ? Ich verstehe nicht ganz".
Verwirrt, trat Crowley seiner allmächtigen Mutter näher, die Umgebung immer noch fraglich musternd.
,, War... Warum bin ich hier ?". Er klang beinahe klagend und setzte ,, Warum jetzt... ?", unter stockendem Atem hinten an.
Die Mutter blickte ihren einst verlorenen Sohn bloß mitleidig in die trauernden Gesichtszüge.
,, ... warum". Er ließ sich schwach auf den kunstvoll marmorierten Boden des Saals fallen, dir Haare raufend und den Tränen nahe.
,, Es war unvermeidlich... es tut mir leid", entgegnete Sie.
Sie musste sich allerdings selbst eingestehen, ganz im Unrecht sprach ihr Sohn nicht.
,, Pff..", schnaubte Crowley aufgewühlt, starr in das Weiß der Wolken starrend.
,, Erst nimmst du einem alles. Alles, was man liebt, alles, was man sich hart erarbeitet hatte und dann.... doch was kümmert's dich ? Du bist... eben du".
Er senkte seine Stimme, als er erkannte, dass Sie sich von ihrem Thron erhoben hatte.
,, I.. ich fiel, wenn auch vielleicht gerecht, aber ich verbrachte deshalb ganze 6000 Jahre, mein Dasein als Dämon, so angenehm, wie möglich zu gestalten.
Und ich hatte endlich alles... man glaubt es kaum, doch... ich hatte einfach alles, wie ein König".
Sie setzte sich an seine Seite. Der marmorierte Boden war kalt, doch störte es sie beide nicht. 
,, Ich hatte selbst das, was du den Menschen einst schenktest ...!".
Hart prallte seine geballte Faust auf den festen Stein.
,, Oh, Crowley", antwortete sie mitleidig und nahm ihren, in Kummer badenden Spross, in den Arm, strich ihm sanft durch das zerzauste rote Haar.
,, Das ist nicht fair, das ist einfach nicht fair....", schluchzte er leidig im den Armen der nun tröstenden Mutter.
,, Leben ist nicht fair, Crowley. Das wird es auch nie sein, und das weißt du". Sie sprach rechthabend zu ihm. Er verstand es, doch warum musste es alles immer so schmerzlich sein ?
,, Weißt du ?". Dem Sohn einen Kuss auf die Schläfe gebend, ihn daraufhin animierend ihr zu lauschen, begann sie zu erzählen, zu gestehen.
,, Bis zum heutigen Tage. Ich bereue es nicht einen von euch aus dem Reich verbannt zu haben. Vor allem Luzifer und sein Gefolge, aufgrund ihrer ehrenvollen Taten".
Sie blickte ihm tief in die Schlangenaugen, erkannte bereits sein wahres Selbst.
,, Du, du bist der Einzige, bei dem ich mir bis heute nicht verzogen habe, dich in die Dunkelheit stürzen lassen zu haben. Und es brach mir das Herz".

Good Omens - Mother love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt