Schlag 4

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William steht vor seinem Herd und kocht Curry. Der Topf blubbert vor sich hin, das Gemüse ploppt aus der orangenen Soße immer wieder auf, als er das Gericht mit einem hölzernen Kochlöffel umrührt. Seine andere Hand, welche nicht umrührt, ist um sein Handy in seiner Hosentasche geschlungen.

Auf seinem Gesicht ist ein breites Grinsen.

„Es ist zu langweilig um es zu überleben, wirklich", stöhnt die Stimme am anderen Ende der Leitung. William hört sie durch die Ohrhörer, die er ans Handy geschlossen hat. Das weiße Kabel führt von seinen Ohren quer über seinen Oberkörper in seine Hosentasche.

Er müsste sein Telefon nicht festhalten. Aber es ist wie ein Reflex aus der Steinzeit, der dafür sorgt, dass er sein Handy nicht loslässt. Matthew nicht loslässt.

„Aber der Laden muss doch Sachen verkaufen. Ich meine, sonst könnte er sich dort doch nicht halten, oder?"

Matthew seufzt. „Ich schätze, die Kunden kommen immer dann, wenn ich nicht da bin. Theresia meint das zumindest."

„Deine Kollegin?", hakt William nach und stellt den Herd ein Stück weit herunter.

„Ja, meine nahezu einzige."

„Was willst du denn dagegen machen? Also, ich meine gegen die Langeweile?"

„Ich plane nicht lang da zu bleiben. Es ist zurzeit eher ein Alibi für... ähm..."

William hört ein Räuspern.

„Ich will noch mal irgendwas studieren oder so was, ich weiß nur noch nicht was."

„Verstehe", nickt William schnell.

Sie vermeiden Worte. Es fühlt sich an, wie ein schlechtes Tabu-Spiel.

Die Worte sind Albertus, Vater, Bruder, Familie, Mutter und BDSM.

Sie reden jetzt seit drei Tagen regelmäßig am Telefon miteinander und ihre Themen beschränken sich auf banale Sachen wie das Wetter, Essen, komische Sachen, die auf der Arbeit passiert sind und Freunde, die nicht Kyle heißen.

Sie reden nicht über Beziehungen, schon gar nicht über ihre, nicht über Sex, BDSM und nicht über „die Sache" und „den Abend".

Und bis jetzt funktioniert das.

Sie flirten nicht. Sie reden nur.

Aber natürlich hat William jedes Mal, wenn Matthew anruft oder er ans Telefon geht, weil William seine Nummer angeklickt hat, ein breites Grinsen auf seinem Gesicht gekleistert.

Er ist sich nicht sicher, ob das bei Matthew genau so ist, aber manchmal hört er ein Schmunzeln am anderen Ende der Leitung.

„Was kochst du da?", erkundigt sich Matthew.

William geht kurz ein Schauer den Rücken herunter.

Er stellt sich vor wie Matthew neben ihm steht, seine eine Hand ist an Williams Arm, hält ihn fest und Matthew lugt neugierig in den Topf.

Dann würde William sagen: „Curry, was sonst?"

Und Matthew würde mit den Augen rollen und sich ein Klaps auf den Hintern einfangen.

„Curry", sagt William aber nur und rührt weiter im Topf, als sei das nun das einzige, woraus sein Leben in den nächsten Jahren bestehen wird.

„Riecht und schmeckt sicher gut", kommentiert Matthew und macht ein hörbares schlürfendes Geräusch.

William hält kurz in seinen Bewegungen inne und überlegt. Soll er Matthew einladen?

Aber dann lässt er es.

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