Der nächste Tag ist davon gekennzeichnet, dass er langweilig und ordinär ist. So langweilig und ohne große Sachen, dass Matthew nach seiner Arbeit noch einmal durch die Stadt schlendert, wo er in einem kleinen Café landet.
Auch wenn er früher hier gelebt hat. kennt er das Café nicht und freut sich etwas über diese Entdeckung. Wenigtens eine Sache, die seinem Tag ein wenig Farbe verleiht.
Er bestellt sich einen einfachen Milchkaffee und setzt sich dann mit seiner heißen Tasse an eines der kleine Tischchen. Direkt neben eines der Fenster. Von hieraus kann er gut die Leute beobachten, die auf den Straßen umher schlendern.
Er ist kein Fan von kleinen Städten, weil man so schnell alles erkundet hat und die Aufregung schließlich vorbei ist. Man setzt sich dann immer in die gleichen Cafés und Restaurants und man geht in die immer wieder gleichen Läden.
Aber das schlimmste an kleinen Orten sind die Leute. Die Leute, die nicht wechseln.
Er vermisst das Leben in einer größeren Stadt, weil man da fast nie die gleichen Personen sieht. Hier hingegen kann er sogar aus dem Augenwinkel feststellen, wer gerade am Fenster vorbei gegangen ist.
Er nippt an seinem Kaffee und fährt sich nachdenkend mit der Zunge über die Lippen.
Er wäre gern wieder in der Stadt. Wenn auch nicht bei William, dann doch trotzdem an der Universität, wo er mit Miranda die Kurse besucht und gemeinsam mit ihr auf die ein oder andere Party geht.
Hier passiert nicht sonderlich viel. Hier gibt es auch Partys, aber wirklich abwechslungsreich sind sie nicht.
Er vermisst Miranda. Und er vermisst es, jeden Tag in der kleinen Bude aufzuwachen, sich aus dem Bett zu quälen und sich unter die moderige Dusche zu stellen, die der Hausmeister schon längst hätte erneuern sollen.
Aber was er nicht vermisst, sind die Kurse, die Themen, die ihn nicht interessieren und allgemein alles was mit Lernen zu tun hat.
Auf der anderen Seite vermisst er es etwas Neues zu lernen. Es ist manchmal genau der richtige Ausgleich. Denn während er auf der Arbeit immer die gleichen Figuren abstaubt, lernt er so viel, wenn er an der Uni ist. und jeden Tag in diesem kleinen Laden zu sein, wo er so gut wie nichts zu tun hat, lässt zahlreiche seiner Gehirnzellen verkümmern.
Er hätte das mit siebzehn wahrscheinlich nie geglaubt, dass er diesen Satz eines Tages denken wird, aber er vermisst das Arbeiten. Das Lernen und selbst das Schreiben von Prüfungen.
In Gedanken verloren merkt Matthew nicht, dass er seinen Milchkaffee ausgetrunken hat. Er stellt die Tasse dann schließlich zurück auf den Tisch und wird von einer Stimme aus seinen philosophierenden Gedanken gerissen.
„Soll ich nachfüllen?"
Matthews Blick zuckt nach oben. Der Kellner, der gerade hinter der Theke seinen Kaffee abgefüllt hatte, steht nun vor ihm. Eine dampfende Kanne in der Hand.
„Ähm ja, wieso nicht", meint Matthew und schiebt dem Mann seine Tasse hin.
Erst wollte er ein komisches Kommentar machen wie: „Ihr benutzt Filterkaffee? In welchem Jahrhundert bin ich gelandet?"
Aber die Augen des Mannes sind so dröge, dass Matthew den Spruch sein lässt und sogar lächelt, als er sich bedankt.
„Du warst noch nie hier", meint der Kellner dann, als er schon fast am weggehen ist. „Bist du neu in der Stadt?"
Matthew fühlt sich wieder etwas aus der Bahn geworfen, fängt sich aber schnell wieder. „Nein, ich... wohne hier schon lang." Er lässt mal den Abschnitt seines Lebens aus, an den er gerade denken musste.

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Most Lovers
General FictionFortsetzung von „Most People" Cover by @SilberSchokokeks