74. Brandon

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November

Meine Finger greifen ins Leere. Nichts als glatte, reine Haut. Kein Metall. Kein Komm. Ich versuche es noch einmal. Und noch einmal.

Jade sieht mich mit weit aufgerissenen Augen an. In ihnen steht die Frage schlechthin, die Frage, die auch mir im Kopf herumspukt. Was sollen wir jetzt tun?

„Was jetzt?", fragt sie leise.

Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen und schüttele den Kopf. „Verdammt, keine Ah­nung. Das war so nicht geplant."

„Aber irgendwas muss es doch geben..." Sie sieht sich hilflos um.

Ich lasse meine Arme sinken. Leblos fallen sie neben meinem Körper zu Boden. Nutzlos.

„Was tust du da?" Jade presst ihre Lippen zusammen und taxiert mich mit zusammenge­kniffenen Augen.

„Nichts." Hoffentlich kümmert sich Amelia gut um Clare. Und ich habe ihr auch noch versprochen, dass ich zurückkommen würde! Alle haben sie in ihrem kurzen Leben ver­lassen. Das verdient sie einfach nicht. Aber was soll ich schon tun? Da draußen wartet eine Armee von Soldaten nur darauf, uns zu Fischfutter zu machen.

„Nichts?" Jades Stimme klingt schrill, als würde man mit seinen Fingernägeln über Me­tall kratzen.

Ja, verdammt. Nichts. Was sollen wir schon tun?

„Aber es muss doch einen Weg geben..." Sie springt auf und sucht jeden Millimeter des Raumes ab. Nach einem Fluchtweg? Das bringt nichts. Alle Ausgänge sind umstellt und verrammelt.

„Jade, sieh es ein. Wir können nichts tun."

Sie fährt fauchend herum. „Sagst du!"

Ich beobachte sie schweigend, während sie Regale herumrückt und durch Kisten wühlt, bis sie ihre Arme vor Erschöpfung nicht mehr heben kann. Sie lässt sich neben mir auf den Boden fallen und zieht ihre Knie an. Schweigen hängt zwischen uns, bis ich es bre­che.

„In dem Labor, ich habe dich bei etwas unterbrochen. Was war dieser Zylinder?"

„Eine Bombe." Sie nuschelt es in ihre Knie, damit ich es nicht richtig höre, aber ich verstehe nur zu gut.

„Du wolltest das ganze verdammte Gebäude in die Luft jagen?"

Sie zuckt mit den Schultern.

„Und du? Hättest du dich umgebracht?"

„Kollateralschaden. Ich war sowieso nur ein Tumor, den niemand bei sich wollte." Ihre Stimme klingt ausdruckslos. Das meint sie doch nicht wirklich?

„Ich muss sagen, ich bin ein bisschen beleidigt. Was bin ich denn? Niemand?"

Jade hebt den Kopf und sieht mich direkt an. Ich habe noch ihren Anhänger. Ich nestele in meiner Tasche herum und fördere ihn zutage.

„Da. Du hast ihn liegenlassen."

„Kannst ihn behalten. Er erinnert mich nur an das, was früher war." Sie deutet auf ihr Ge­sicht. Etwas ist anders. Aber was?

„Ich habe das Bild rausgemacht. Leider hatte ich keins von Tommy, Stella, Clare oder mir, aber ich bin sicher, ich würde mich hervorragend in dem Teil machen." Ich recke mein Kinn, wie um ihr die Vorzüge meines Gesichts zu präsentieren. Und tatsächlich. Ihre Mundwinkel zucken und sie verdreht ihre Augen. Ein Lächeln wandert auf mein Ge­sicht. Ich kann es einfach nicht verhindern. Sie ist schön, wenn sie lächelt.

Das habe ich nicht gedacht. Vergessen wir's.

Jade streckt ihre Hand nach dem Anhänger aus und berührt ihn mit den Fingerspitzen. Nachdenklich. „Ein Bild von dir mache ich nicht rein. Sonst kriege ich Albträume", sagt sie schließlich schelmisch grinsend.

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