chap 4'

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"Mann, pass doch auf!", fuhren Luca und ich gleichzeitig den Schubser an.

Genervt drehten wir uns zu ihm hin. Ein großes Grinsen lag auf seinen Lippen, ehe er schon in meiner Klasse verschwand. Der Huckepack-Typ schon wieder... Ob er mich wohl wegen der Klasseneinteilung nach meinem Namen gefragt hatte?

"Mädel, du denkst ja immer noch laut! Und wer ist 'er'?", zerwuschelte er mir lachend meinen Seitenscheitel.

Lag da ein Hauch Eifersucht in seiner Stimme? Nee, unmöglich. Schade, eigentlich.

Beleidigt versuchte ich meinen Pony irgendwie zurechtzumachen, was mir selbstverständlich nicht gelang.

"Kann dir doch egal sein!", knurrte ich gespielt extra zickig, machte auf Absatz kehrt, ließ ihn stehen und betrat meine neue Klasse.

Nachdem ich die Tür zugeknallt hatte, schlug ich mir Hand auf meine Stirn und seufzte laut. Ich Idiotin. Da kam Luca zurück und wurde ja totaaaal freundlich von mir empfangen. Und das, nachdem wir uns ein Jahr lang nicht gesehen hatten... Mist! Ich Dummdödel hatte wieder vergessen zu fragen, weshalb er weg war und warum er wieder da war. Nächstes Mal... Wenn es das überhaupt gab. Immerhin wusste ich ja nicht, ob er jetzt endgültig hier blieb oder nur zu so da war.

Kaum als ich wieder zu ihm zurück gehen wollte, läutete es auch schon zur Stunde. Mieses Timing.

> Weißt du eigentlich, wie gestört, bescheuert, behindert und blöd du bist? <, lachte mich meine scheiß innere Stimme aus.

> Nö. Aber jetzt weiß ich's. Wegen DIR. <, lachte ich zurück und 'schaltete' sofort ab.

"Was will die hier... ohne Taddl und Ardy?", "Als ooob! Hast du nicht gehört, dass sie jetzt 'nen Dritten an Bord geholt hat?", "Stimmt.. Ach was, es sind mittlerweile vier! Sie hat sich ja auch schon an den Neuen geschmissen", "WAS?! An den NEUEN?!", holten mich Stimmen aus meinen Gedanken.

Das Klassenzimmer sah genauso aus wie der Rest der Schule. Alt, heruntergekommen und naja.. Gefängnismäßig eben. Die Fenster wurden wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr geputzt, einige Stückchen der Fliesen an der Wand fehlten und wohin man auch sah, klebten zermatschte Kaugummis. Die Wände waren - WAREN! - weiß, ehe sie mit Kaffee oder was auch immer angekleckert wurden. Die Tafel angekritzelt ('Scheis Shule!'), vier schiefe Bankreihen, laute Gespräche. Sonst war alles relativ normal. Naja, bis auf die Schüler eben.

In der letzten Reihe vor mir plauderten zwei Mädchen, die wohl kein besseres Thema als mich hatten. Und das nicht gerade flüsternd. Ganz im Gegenteil: Sie zeigten auf mich, versuchten nicht mal annähernd es 'geheim' zu halten und starrten mich mit empört an. Eigentlich waren sie ja selbst nicht 'normal'.

Die eine trug zentimeterdicken Eyeliner mit einem Wing, der fast zu ihren Augenbrauen ging, ein Kilometerausschnitt-bauchfreies Top, hautenge Leggings mit der sie wahrscheinlich kaum gehen konnte, drei Riesenpiercings auf der Nase und an den Lippen, ihre knalltürkisen Haare als Scheitel vom einen Ohr bis zum anderen. Hieß die nicht Nadine? Oder Nicole? Oder auch Nina? Die andere sah im Gegensatz zu Nadine/Nicole/Nina relativ 'brav' aus. Hoodie, Jeans, Pferdeschwanz, ungeschminkt. Wenn ich mich nicht täuschte, hieß sie Alina. Oder so. Ich hatte es nicht so mit Namen, falls man das noch nicht gemerkt hatte.

Mit einem breiten Grinsen stolzierte ich förmlich an ihnen vorbei und setzte mich in die vorletzte Reihe, direkt vor ihnen. So gut ich auch die halbe Schule kannte, war mir leider kaum eines der Gesichter hier bekannt. Mehr als 'Hey!' war bei sechs Leuten hier im Raum nicht drin. Der Einzige, mit dem ich mehr als ein Wort gewechselt hatte, war der Neue, der hier nirgends zu sehen war. Sein Name war mir ja immer noch unbekannt.

"Ähm, ist der Platz hier noch frei?"

Wenn man vom Teufel sprach. Naja. Eher dachte.

"Mhm, keine Ahnung", antwortete ich so normal wie möglich.

Also hochnäsig, übertrieben zickig und wie andere Schlampen und so. Immerhin war ich ja in deren Augen auch eine, nicht? Also musste ich dementsprechend auch so tun, ehe sich jeder Haare raufend fragte, was wohl mit mir schief ging. Weil wegen meiner 'männlichen Umgebung'.

Mhm. Eigentlich eher mit ihnen. Mhm. Oder doch mit mir, da ich immerhin auch noch mitspielte. Belassen wir's lieber an ihnen.

Wahrscheinlich interpretierte er es als ein 'Ja', da er lässig seinen Rucksack vor sich auf den Tisch warf, sich hinsetzte, neugierig den Kopf zu mir drehte, den Kopf auf seine Hand legte und mich einfach so, äh... anstarrte?

"Uhm.. Hab' ich meine Mascara verwischt oder was schaust du so blöd?", versuchte ich ihn einigermaßen tussig anzukeifen. Dabei trug ich gar keine. Eww. Wie ekelhaft doch das 'Bitch-sein' war.

Anstatt mir zu antworten, drehte er sich immer noch grinsend weg und beschäftigte sich schmunzelnd mit seinen Armbändern. Amüsiert? Belustigt? Oder was grinste er so dämlich? Was bitte lief nur falsch mit ihm? Zuerst seine Huckepack-Aktion und jetzt das hier. Naja, ich war zugegeben auch nicht unbedingt besser.

Jetzt, da er 'beschäftigt' war, konnte ich sozusagen einen zweiten Blick auf ihn werfen. Egal, wie eigenartig er war, trotzdem weckte er irgendwie meine Neugier. Vor allem sein Äußeres, obwohl ich nie darauf achtete, - aber verdammt! -, allein sein Verführer-Lächeln zwang mich schon dazu.

Sein mittelbraunes Haar zur Seite gegelt, das schon relativ lang war. Ein weißes Shirt, auf dem ein Sturmtruppler abgebildet war, hell gebleichte Jeans, dutzende Armbänder jeglicher Art verdeckten seinen halben Unterarm. Schwarze AirMax, schwarzer 'Skaterrucksack', schwarze Snapback, die seitlich an seiner Jeans baumelte. *höhö* Eigenartiger 'Style', wie man so schön sagt.

Irgendwie erinnerte er mich ein klein wenig an Peter Pan. Vor allem sein Gesicht. Ein grinsendes Kind, das immer spielte, draußen herumt(r)ollte, immer was machen musste, um nicht vor Langeweile zu sterben. Nur in 'Erwachsenform'. Bestimmt hatte er allein wegen seiner Grübchen schon einige am Haken, die fast ekelhaft schön waren.

Aber ehrlich gesagt...

...war er wirklich zum Kotzen. Und ich meinte das jetzt bestimmt nicht wegen seines Aussehens. Insgeheim war das 'Süße' an ihm wahrscheinlich eh nur eine Masche. Eher seine Art. Ein typischer 'Ich-mach-alles-was-ich-will-weil-ich's-kann-und-der-Geilste-bin-also-knutsch-mir-meine-Füße-ab'-Typ. Kurz: ein Notgeiler.

Das war unter anderem auch einer der vielen Gründe, weshalb ich die Finger von Jungs ließ. Klar, viele StrichMädchen (so nannte ich sie) in meinem Alter dachten ganz anders als ich. Deshalb hielt ich so viel Abstand wie möglich von jedem Strichmädchen/Notgeilen hier im Gefängnis. Vor allem von den Strichmädchen. Warum? Allein ihre Art sprach Bände.

Glaubten an die 'Große Liebe', tauschten sich über das 'Erste Mal' des anderen aus, plapperten 24/7 über Jungs. Wechselten monatlich, - wenn nicht sogar wöchentlich -, ihre 'Schatzis', 'Prinzen', 'Geilheiten' oder wie sie sie sonst nannten. Laberten über den Ausschnitt eines anderen Strichmädchens, obwohl man bei ihnen selbst das glitzernde Bauchnabelpiercing durch den Ausschnitt funkeln sah. Trugen Lederjacken, Crop Tops, hautenge Leggings, AirMax. Nur, um wie jedes andere Strichmädchen auszusehen

Bevor ich mich noch weiter über Strichmädchen und Notgeilen aufregen konnte, kam auch schon unser neuer Lehrer reinspaziert.

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meow~
nebenexistenz ♥

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