(31) Selbst Marius

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"Du bist also doch noch da.", grinste Marius und stellte eine Box und einen Kaffeebecher vor mir ab, "Ich hab' gehört du magst Sushi."
Irritiert sah ich ihn an: "Hä?"

"Hast du mal auf die Uhr geschaut?"

Sofort ging mein Blick zu meiner Armbanduhr und Erkenntnis traf mich.
02:48 Uhr.
Okay.
"Und warum jetzt das Sushi?", wollte ich wissen und zog meine Augenbraue in die Höhe.
"Ich habe Thomas gefragt was du gerne isst, weil du es sonst vergessen hättest.", erklärte Marius, "Und dass du eine Obsession mit Kaffee hast, weiß ja sowieso jeder."
"Und warum kümmerst du dich darum, dass ich etwas esse?", fragte ich weiter.
Selbstsicher ließ er sich auf einen Stuhl neben mir fallen: "Weil ich dir gesagt habe, dass ich dir zeigen werde, dass ich kein schlechter Mensch bin. Und ich kümmere mich um meine Freunde."
"Wir sind keine Freunde.", erklärte ich pampig.
Auch wenn ich mich wegen Ju bemühte mit Marius halbwegs normal umzugehen und er mir etwas zum Geburtstag geschenkt hatte, Freunde waren wir ganz sicher nicht.

"Doch, auf eine verdrehte Art und Weise schon."

Ich grummelte nur, bevor ich die Box mit dem Sushi öffnete. 
Wenn es schon mal da ist...
Und irgendwie war es ja schon lieb von ihm.

"Kannst du mir einen Gefallen tun?"

"Kommt drauf an.", antwortete ich und steckte mir ein Sushistück in den Mund.
"Kannst du mal versuchen wenigstens für die nächste Stunde, die wir zusammen verbringen, mal all' deine Vorurteile, oder was auch immer das ist, abzulegen und dich normal mit mir zu unterhalten?", fragte er ernst und sah mich hoffnungsvoll an, "Komm mir wenigstens etwas entgegen."
Einen Moment musterte ich ihn abschätzig, bevor ich geschlagen ausatmete.
Was soll's, ich werde wahrscheinlich nicht gleich sterben.
Und er hatte mir Essen und Kaffee gebracht. Ich war ihm also etwas schuldig.
"Na schön.", erklärte ich und lehnte mich etwas zurück, "Worüber willst du reden?"
Sofort hellte sich Marius' Gesicht erfreut auf, doch anscheinend hatte er nicht über seine Gesprächsthemen nachgedacht, weswegen er ein awkwardes "Wie war dein Tag?" stammelte.
Ein leichtes Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen: "Ganz in Ordnung. Die Biografie ist halt das, was mich am meisten beschäftigt."
"Aber ihr kommt gut voran, habe ich gehört?", fragte Marius nach und nickte bestätigend.
Tatsächlich waren Ju und ich fast durch.

"Wie war dein Tag?"

Ein leichtes Lächeln stahl sich auf Marius' Gesicht: "Wie du ja wahrscheinlich mitbekommem hast, waren wir den ganzen Tag beim Dreh."
"Siehst du deswegen so fertig aus?", wollte ich wissen, "Also naja, ich meine, du siehst eigentlich immer müde aus, aber heute noch mehr als sonst."
"Ich habe nicht wirklich viel in der letzten Nacht geschlafen.", beantwortete er mir die Frage und seufzte leicht, bevor er einen Schluck seines Kaffees nahm.
"Wenn du willst, kannst du es mir erzählen.", hakte ich nach und grinste im nächsten Moment, "Außer es hat etwas mit deinem Liebesleben zu tun. Dann kannst du das ruhig für dich behalten."
Sofort stieg die Röte in Marius' Gesicht, doch er schüttelte den Kopf: "Nein, ich habe keine Freundin."

"Es muss ja nicht deine Freundin sein."

"Hälst du mich für einen Typen für OneNight-Stands?"

Nachdenklich musterte ich ihn.
Eigentlich nicht.
Er machte auf mich nicht den Eindruck, dass er etwas für sowas übrig hatte.
Jedoch würde ich ihm, geschuldet seines Verhaltens in der Vergangenheit, echt alles zutrauen.
Aber das konnte ich ihm ja so nicht sagen.
"Keine Ahnung, ich kann dich nicht einschätzen.", wich ich ihm deswegen aus und sah auf meine Hände.
"Ich suche lieber nach etwas Festem.", lächelte er leicht und beugte sich ein Stück nach vorn, "Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Nicht mein Liebesleben hat mich beschäftigt, sondern das von Passi."
Sofort runzelte ich die Stirn: "Immer noch?"
"Jetzt wohl nicht mehr.", seufzte Marius niedergeschlagen, "Er war gestern bei mir und wir haben mega lang darüber diskutiert, ob es noch sinnvoll ist, die Beziehung weiterzuführen oder nicht."
"Und wahrscheinlich seid ihr zu dem Schluss gekommen, dass es besser ist sie zu beenden.", schlussfolgerte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust, "Marius, der Beziehungsexperte, also..."
"Eher Marius, der beste Freund von Passi.", widersprach er, "Ich habe irgendwie kein gutes Händchen für Beziehungen."
Nur schwer verkniff ich mir ein sarkastisches Lachen und sah nach oben: "Na dann."
Eine Weile schwiegen wir nur und aßen unser Essen, was mir Zeit gab, ein wenig über Marius nachzudenken.
Irgendwie wusste ich nicht, was für eine Meinung ich über ihn haben sollte.
Auf der einen Seite war er immer noch wie damals, auf der anderen Seite hatte er sich doch irgendwie ziemlich verändert.
Er war erwachsen geworden.
Wir beide waren es.
Wir waren nicht mehr die Personen von vor 6 Jahren, aber in gewisser Weise irgendwie schon.
Und trotzdem konnte ich sein Verhalten nicht vergessen.
Ich konnte es nicht einfach löschen und so tun, als wäre es nie passiert.
Aber vielleicht hatte selbst Marius eine zweite Chance verdient...?

Immer wieder duWo Geschichten leben. Entdecke jetzt