„Hey Baby", raunte ich ihm zu und er schnaubte wieder. Ich kraulte ihn zwischen den Nüstern, bevor ich die Boxentür öffnete, einmal leise schnalzte und los in Richtung Putzplatz ging. Ohne mit der Wimper zu zucken ging Časi mir nach. Dort angekommen band ich ihn jedoch fest. Nicht, weil er abhauen würde, sondern weil die Stallbesitzer sich sonst aufregen würden. Sie mochten es nicht, wenn er frei herumlief. Gut, eigentlich mochten sie mich nicht. Aber meine Eltern ließen Geld da, also hatten sie sich damit abgefunden, dass ich hier den Großteil meines Lebens verbringen würde. Mit Časi und meinen Reiterfreunden.
„Schatz, es gibt wieder Stoppelfelder", flüsterte ich meinem Wallach zu, welcher sofort die Ohren spitzte. „Da können wir nächste Woche vielleicht hin... ich muss dann noch die Bauern fragen", berichtete ich leise. Stoppelfelder waren unsere heimliche Leidenschaft. Leider konnten wir diese nicht all zu oft besuchen, da in unserer Nähe eher wenige zu finden sind. Zudem wollten meine Eltern aus mir eine erfolgreiche Dressurreiterin machen. Eigentlich nicht so mein Ding, aber es hatte doch seine Reize.
Gedankenverloren bürstete ich also über Časis Fell und stellte nach einiger Zeit endlich seinen letzten Huf zurück auf den Boden. Kurz klopfte ich ihm noch den Hals, bevor ich sein Sattelzug holte und ihn sattelte und trenste. Gekonnt schwang ich mich auf seinen Rücken und wir ritten im gemächlichen Schritt zum Dressurplatz.
Nach einer zehnminütigen Schrittphase trabte ich meinen Wallach dann auch an, um ihn zu lockern. Ich wagte mich auch an ein paar Lektionen, wie Traversalen oder Seitengänge.
Zufrieden lobte ich Časi nach einer gelungenen Runde und schwang mich elegant aus dem Sattel, als wir den Putzplatz wieder erreicht hatten. Zügig nahm ich ihm das Sattelzeug ab und bedeutete ihm, zurück in seine Box zu gehen, was er sogleich umsetzte. Ich trug meine Sachen weg und brachte anschließend mein Pferd noch auf die Koppel zu seiner Herde. Er schnaubte zufrieden und spielte dann wie ein kleines Fohlen mit seinen Kollegen. „Kindskopf", grinste ich und verließ den Koppelzaun.„Bin wieder da", rief ich in die Haustür. Ich legte meinen Schlüsselbund beiseite und schlenderte in die Küche. Dort setzte ich mich an den Esstisch und sogleich bekam ich eine Gemüselasagne aufgetischt. „Uhh, lecker", quietschte ich beinahe und wollte sofort zuschlagen. „Warte bitte auf deine Geschwister, Elisabeth", unterbrach mich meine Mutter. Brummend ließ ich mich im Sessel zusammensacken, als meine Mutter noch ergänzte: „Duschen wäre übrigens auch keine schlechte Idee, wenn du vom Stall kommst. Zumindest umziehen könntest du dich" Ich seufzte nur etwas genervt, als meine Mutter auch schon nach meinen Geschwistern rief. Nach der Reihe tanzten meine drei Schwestern sowie meine zwei Brüder endlich an und wir konnten essen. Mein Vater leitete eine Firma und war deswegen die meiste Zeit auf der Arbeit. Meine Mutter war Montags und Mittwochs meistens auch arbeiten, was für mich ziemlich doof ist. Als die älteste von sechs Kindern musste ich mich dann nämlich um den Haushalt kümmern, für Časi blieb da wenig Zeit. Meine Brüder waren Zwillinge und nur ein Jahr jünger als ich, weswegen ich sie easy allein lassen durfte. Die ältere meiner Schwestern, vier Jahre jünger als ich, war selbst seit etwa einem halben Jahr begeistert vom Reitsport, also nahm ich sie in den Stall mit. Die anderen beiden, sechs und sieben Jahre jünger als ich, hatten den gleichen Freundeskreis, also brachte ich sie immer zu Freunden, natürlich mit meinen und deren Eltern abgesprochen. Das hieß zwar, dass ich zu Časi konnte, aber erst relativ spät, da ich erst für alles sorgen und dann zum Stall laufen musste.
„Ami, komm jetzt!", rief ich am Montag Vormittag. Die Zwillinge waren versorgt, meine beiden anderen Schwestern bei einer Freundin. Amelie, auch Ami, erschien kurz darauf in einer meiner alten Reithosen, einem blauen Poloshirt und ihren schwarzen Reitstiefeln. Ihren Helm trug sie in der einen, die Handschuhe in der anderen Hand. „Dann kann es ja losgehen", grinste ich, verabschiedete mich noch von den Zwillingen und marschierte mit Ami los. Am Stall angekommen trennten sich unsere Wege. Ami hatte eine Reitbeteiligung, welche im zweiten Stalltrakt stand, während mein Časi im vierten untergebracht war. Die Koppeln befanden sich allerdings ganz wo anders und ich musste erstmal gute hundert Meter gehen.
„Ich würde so gerne auch mal dein Pferd reiten!", jammerte meine Schwester. „Ach ich weiß, aber er ist halt kein Anfängerpferd. Du reitest erst seit einem halben Jahr und ich hab ihn erst nach sieben Jahren Reiterei bekommen. Er ist halt ein schwieriges Pferd...aber von mir aus kann ich dich ja mal im Schritt auf ihm longieren", erklärte ich ihr zaghaft woraufhin sie nur nickte.
Nach einer langen Schrittphase trabte ich Časi dann auch an und verfeinerte die Traversalen, an denen ich schon einige Zeit arbeitete.
Nach einer Stunde musste Amelie schon mit der Arbeit aufhören, während ich und Časi noch an Seitengängen und seiner Passage feilten.
Überglücklich darüber, was er heute schon alles gemeistert hatte, stieg ich von meinem Wallach ab und klinkte die Longe an den Kapzaum, welchen ich davor gegen seine Trense getauscht hatte. „Schwing dich rauf", lächelte ich meiner Schwester zu und sie kam sogleich auf uns zu.
„Hast du gut gemacht", meinte ich während dem Absatteln. „Danke. Es war so cool! Kann ich das bitte bitte öfter machen? Es hat so Spaß gemacht", quiekte Ami. Ich grinste nur und brachte mein Pferd wieder auf die Koppel.
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I AM HERE
RandomEin Leben. Ein Bund. Eine Geschichte. Eine Seele. Zwei Körper. Elisabeth, eine siebzehn Jahre alte Gymnasiastin, führt ein völlig normales Leben. Bis auf eines: ihr Pferd. Zu Revas Časisto hat sie eine ganz spezielle Bindung. Diese droht allerdings...