Sturmgewitter

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Abgesehen von der harten Pritsche und der Schüssel darunter gab es nichts in diesem Raum, das sie von der Kälte und der Einsamkeit hätte ablenken können. Nichts, das den Schmerz hätte lindern können, der von keiner fleischlichen Wunde kam.

Einzig durch das winzige Fenster in der schmutzigweißen Wand konnte sie, wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, verschwommen den Schnee vorbeiwirbeln sehen, und manchmal ertappte sie sich, wie sie in dem weißen Treiben nach etwas Ausschau hielt, obwohl sie nicht einmal wusste, wonach. Nach Hilfe bestimmt nicht, diese Hoffnung hatte sie vor langer Zeit aufgegeben, wenn sie auch nicht sagen könnte, wann. Auch nicht nach Trost, denn während ihr äußerlich nur fast die Finger vor Kälte abfielen, war innerlich ihr Herz schon längst erfroren.

Auch dieses Mal war ihre Suche erfolglos, aber erst als die Scheibe von ihrem Atem beschlug und endgültig alles unkenntlich machte, wandte sie sich ab. Mit kraftlosen Schritten schlurfte sie zu der Pritsche und rollte sich zu einem kleinen Ball zusammen, um wenigstens den Rest Wärme zu behalten, den sie besaß.

So wurde sie auch gefunden, als gefühlte Ewigkeiten jemand das Zimmer betrat. Starke Hände hoben sie hoch, als wöge sie nicht mehr als eine Feder - was der Wahrheit auch beunruhigend nahe kam.

Von dem Weg selbst bekam sie eigentlich gern nichts mit, aber ab und zu sah sie verschwommene Gesichter, Männer in langen weißen Kutten. Manchmal glaubte sie, Entsetzen zu erkennen, aber auch Hass und Furcht. Wobei die Furcht niemand anderem als ihr selbst galt. Ergeben schloss sie die Augen.

Sie nahm nicht wahr, wie sie in einem großem, aus reinweißen Stein erbauten Saal Halt machten, bemerkte aber sehr wohl die beißende Kälte, die hier ihren Ursprung zu haben schien. Die Stimme, die erhoben wurde, schnitt durch die Luft wie eine gleißende Klinge, unaufhaltsam und endgültig.

Das Mädchen schaute nicht zum Sprecher, verstand sie doch die Worte nicht, aber ihre Bedeutung erschloss sich ihr durch das Zittern in den Armen die sie trugen, und den weiteren Worten, die sie durch sich hindurchvibrieren spürte. Ihr wurde klar, dass man sie nicht gehen lassen würde, und wahrscheinlich noch etwas mit ihr vorhatte, das nicht unbedingt angenehm werden würde. Aber vielleicht war das ja gar nicht so schlecht, allemal besser als in der Zelle langsam innerlich abzusterben.

Bevor sie jedoch weggebracht wurde, öffnete sie noch einmal die tonnenschweren Lieder und erhaschte noch einen Blick auf etwas, das halb im Schatten, halb im Licht in einer Ecke des Saals stand, vergessen und eingestaubt. Sie hatte keine Ahnung wieso, aber es zog ihren Blick auf sich wie ein Magnet, und als sie es erkannte, weiteten sich ihre Augen. Dann schnitt der Stein ihr das Suchfeld ab, und versteckte es vor ihr. Sie würde es dennoch niemals vergessen...

Das Bild des in blaue Flammen gehüllten Weltenbaumes hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt.

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Die Gestalt stand einsam. Dort, am Ende der Wiese, die das Dorf hinter ihr umgrenzte und es vom Wald trennte. Obwohl eine kalte Briese wehte, und die ersten Anzeichen des Winters sich schon bemerkbar machten, blieb sie starr und bewegungslos, durchforstete die Schatten zwischen den Bäumen mit scharfem Blick. Nichts entging ihr, und das Rauschen der Bäume berichtete ihr von allem, was sich im Wald bewegte. Der Wind zerrte an den dunklen Kleidern, und peitschte das lange, kupferne Haar umher, das unter dem grauen Himmel aber eher schwarz wirkte. Die Kälte, die sie ausstrahlte, hielt die Menschen aus dem Dorf von ihr fern... nur ein einziger wagte es, sich ihr zu nähern. Obwohl die Gestalt ihn bemerkte, regte sie sich nicht.

Neta reagierte erst, als sich die Hand auf ihre Schulter legte. In einer ansatzlos fließenden Bewegung wirbelte sie herum, und richtete ein silbern funkelndes Schwert auf die Person. Diese zuckte zurück, wenn auch viel zu langsam, und hätte sie nicht rechtzeitig ihre Klinge ein Stück zurückgezogen, hätte das einen blutigen Schnitt an der Kehle der Person hinterlassen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 10, 2015 ⏰

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