Pauls Sicht
Der restliche Schultag verging wie im Fluge und als Paul zu Hause ankam waren seine Eltern, wie erwartet, in der Arbeit. Sein Vater arbeitete Vollzeit, seine Mutter hatte ihm heute morgen schon angekündigt, sie würde länger in der Arbeit sein. Paul hatte kein großes Problem damit, öfters mal alleine zu Hause zu sein aber er wünschte sich trotzdem hier und da ein wenig Gesellschaft. Seine größere Schwester Sabine war vor einem Monat in die Großstadt gezogen aufgrund ihres Studiums, deshalb hatte sich Paul mittlerweile daran gewöhnt. Er wusste auch, dass er seine zwei besten Freunde nicht einladen konnte, weil diese schon Pläne hatten, das wusste er noch von ihrem Gespräch zu dritt auf dem Weg zu den Chemiesälen am vergangenen Vormittag. Kurz vor dem Zwischenfall mit seinen Klassenkameraden waren sie in eben diesem ja so ruchlos unterbrochen worden. Gedanklich blickte Paul zurück an das, was Richard getan hatte.
„Arschloch.", nuschelte Paul sauer und schob unachtsam eine Fertig-Lasagne in die Mikrowelle. Er musste unwillkürlich an den harten Aufprall zurückdenken und unterbewusst rieb er sich den Ellenbogen, der jetzt jedoch nicht mehr schmerzte. Zudem konnte sich Paul an kein einziges Mal entsinnen, an dem er wirklich herumgeschubst wurde abgesehen von heute.
Was fiel diesem Richard eigentlich ein? Der Schüler wollte nicht wahrhaben, dass es keinen Weg gab, sich gegen jemanden wie ihn, Till oder Christopher zu wehren. Einen Weg gab es doch immer. Die Hauptsache war ja erst einmal, dass er morgen die Party mit Oli genießen konnte, ohne wie ein zerfetzter Fußball auf dem Feld behandelt zu werden.
Den Rest des Tages schaute er exakt ein Mal in sein Mathematikbuch und im Anschluss eigentlich nur noch auf den Bildschirm gehörig zu seiner Spielekonsole.Nächster Tag
Paul konnte es sich beim besten Willen nicht verkneifen, dem Trio am anderen Tisch hin und wieder ein Paar verächtliche Blicke zuzuwerfen, die aber keiner von ihnen zu bemerken schien. Vielleicht war es ja besser so.
„Du bist richtig nachtragend, das is' ja schrecklich.", hatte Flake monoton seinen Kommentar dazu abgegeben, woraufhin Paul ihn mit verzogener Miene genervt nachäffte und weiter seinen Pflichten nachging. Ja, vielleicht war er im inneren nachtragend, aber hatte er nicht allen Grund dazu, wenn einem die Würde mit Füßen getreten wurde? Egal, es gab auch noch andere Sachen, die er vorhatte, als diese Egoisten mit Blicken zu durchlöchern.
Gemeinsam trat der Blonde mit seinen zwei Freunden als letzte aus dem Klassensaal hinaus auf den Flur.
„Na, freust du dich schon auf den zweiten Teil deines Lieblingskrimis, Flake?", neckte ihn Paul aufgrund der dummen Ausrede, nicht auf die Party zu müssen.
„Mhm.", nickte der Andere schlicht unbeeindruckt und verabschiedete sich dann.
„Also- ich äähm-", wollte sich Olli eben zu Wort melden, doch Paul ließ es nicht zu, legte ihm lässig im Gehen einen Arm um die viel zu hohen Schultern und ließ es schnell wieder bleiben.
„Du, mein Guter, suchst dir für heut Abend was schickes raus und ich hol dich pünktlich um neun Uhr ab.", wieder untermalte seine Worte mir einem Grinsen, das nur zu jemandem gehörte, der in der Geschlossenen hauste.
„... Also, ich weiß wirklich n-nicht ob-", Olli bekam von Paul einen kleinen verspielten Hieb auf den Oberarm: „Ich wusste doch, dass auf dich Verlass ist."
Schon waren sie vor dem Schulgebäude gelandet und glücklich atmete Paul die kühle Septemberluft ein.
„Bis um neun!"20:27 Uhr
In seinem Zimmer dröhnte gerade laut Crazy Crazy Nights von Kiss durch die Anlage. Der Normalzustand, wenn seine Eltern außer Haus waren. Die blonden Haare hatte sich Paul eben noch mit etwas Gel zurückgekämmt und betrachtete sich nun stolz im Spiegel. Er trug ein weites weißes Shirt, getucked in seine grau-schwarze Camo-Hose, darüber die offene gefütterte Jeansjacke, schlichte Chucks an den Füßen und zum Detail funkelte an seinem linken Ohrloch auch noch eine silberne Kreole.
Ein kurzer Blick auf die Armbanduhr verriet ihm, dass es langsam Zeit war, sich in Bewegung zu setzen. So schaltete er kurzerhand die Lautsprecher aus, ging sicher, dass er Schlüssel, Feuerzeug und Zigaretten in den Jackentaschen verstaut hatte, dunkelte zuletzt noch das Haus ab und trat in den Vorgarten. Es war richtig schön dunkel und es fand sich keine Wolke am Sternenhimmel. Auch die breite, ruhige Straße vor seinem Haus, auf deren Mitte Paul nun hinabschlenderte, wurde nur spärlich von vereinzelten orangenen Straßenlaternen beleuchtet, dass Paul seinen nebligen Atem an seinen Augen vorbeiziehen sah.
Die Hände tief im flauschigen und warmen Inneren der Jackentaschen begraben wanderte er alleine, nicht, dass es ihn stören würde, rüber zur nächsten Ortschaft, wo Olli hauste.Typisch. Wie immer kam er ungewollt zu spät an. Und immer waren es zehn Minuten... langsam wurde das echt gruselig. Paul schmunzelte über seine eigenen dummen Gedanken und klingelte endlich an der Tür. Keine zwei Sekunden vergingen, da stand Oliver schon abtrittsbereit draußen vor der Tür, sogar fein rausgeputzt.
„Da isser ja!", begrüßte Paul den Riesen und drückte ihn kurz.
„Pssst, ich darf nur unter der Bedingung weg, dass ich leise gehe und wieder heim komme.", flüsterte Olli hastig und gestikulierte herum.
„Guuut, gut.", Paul musste schadenfroh beim Flüstern grinsen. „Dann los."Nach einem zehnminütigen Marsch, auf dem der Kleinere Olli vorgeschwärmt hatte, was für eine gute Zeit sie haben würden und Rätseleien von sich gab, welche Musik denn spielen würde, kamen sie an Marks Adresse an. Und wie vorherzusehen war der Laden rappelvoll.
Beim Betreten wurden beiden netterweise zwei gekühlte Bier in die Hand gedrückt. In den Massen ließ sich zwar nicht erkennen, wem zu danken war, aber das war ja egal, Paul setzte sofort die Lippen an.
„Folge mir unauffällig!", brüllte er amüsiert über die Musik hinweg zu Olli, als er meinte, die Küche gesichtet zu haben; der beste Ort, neben der Couch, an dem man bei einer Hausparty nur sein konnte. Schließlich stapelten sich dort immer die Getränke und ganz nebenbei standen dort auch die Mädels mit ein bisschen was im Hirn. Vielleicht würde Oliver ja heute eine abkriegen? Paul würde es ihm jedenfalls gönnen.
Durch das Getummel zur Kücheninsel schafften sie es unversehrt, Paul seufzte zufrieden.„Queen... ", murmelte der Musikfanatiker, als ihn der Klang der Boxen bewusst erreichte.
„Also da hätte ich auch drauf kommen können.", klagte Paul, ein bisschen enttäuscht von sich selbst, da seine Vermutungen an die Musik auf der Party nicht stimmten, dabei lag es auf der Hand. „Ich wette mit dir, gegen Ende spielen sie Oasis.", jetzt hob er spielerisch mahnend den Zeigefinger, als wäre das eine sehr ernstzunehmende Wette, doch im nächsten Moment spülte er den Gedanken mit den nächsten Schlücken Bier herunter.
„Und? Wie gefällt's dir?"
„Ist ganz okay, glaube ich."
Olli klang wirklich viel lockerer als gerade eben noch auf dem Weg hierher, was Paul freute.Hier in der Küche fanden sich zwar wenige aber sehr nette und gesprächsfreudige Menschen. Sie redeten gemeinsam über alles mögliche, und das schon seit einer Stunde. Anfänglich war das Thema, wie schon den ganzen Schultag über auf den Korridoren, das zerkratzte Auto eines Lehrers. Und jedem einzelnen war bewusst, wer dahinter steckte.
Um die Laune mit Typen wie den drei Verantwortlichen im Gespräch nicht zu verderben, sprangen sie auf andere Themen um. Und während sie so quatschten, bemerkte Paul, dass Olli neben einem verhältnismäßig hübschen Mädchen aus ihrer Stufe stand. Darauf drängte sich Paul mit einem verschmitzten Lächeln allmählich immer näher an Olli, dass er keine Wahl hatte, als sich näher zum Mädchen zu stellen, das durch die Geste glaubte, angeflirtet zu werden. Sehr zu Ollis Gunsten, Paul kicherte und schaute die beiden noch kurz an, bevor er sich hinter der Theke ein neues Bier holte. So bückte er sich nieder, stellte seine leere Flasche zu anderen und griff nach einer neuen Kalten. Als er sich wieder aufrichtete und um die Theke zur Gruppe lief, war diese plötzlich verstummt.Auch fehlten einige der Leute, die davor hier noch standen. Olli schaute Paul hilflos, fast verzweifelt an, als hätte er einen Geist gesichtet.
„Mein Gott, was ist denn?", lachte er, doch er war wirklich verwirrt.
„I-ich ähm, ich muss doch früher heim... Hausaufgaben... und- und so?", ohne ein weiteres leise gesprochenes Wörtchen drehte sich Oliver um und verschwand. Die drei, die noch übrig waren, folgten ihm leise.
„Hallo??", meinte Paul verständnislos und lehnte sich betrübt gegen die Theke. Toll, er wollte Oliver doch echt nur mal ein bisschen auflockern und jetzt?
„Hallo.", sprach es leise zu Pauls Rechten und erschrocken schnellte sein Kopf in die Richtung.
„Richard?!"
Richard. Was zur Hölle suchte er denn hier? Mit finsterem Blick musterte er den Größeren. Wie er gekleidet war, war er definitiv für die Party hier. Und Olli dachte mittlerweile wohl auch, dass die Aussage, 'keiner der Vollspasten würde auf der Party sein' nur eine Lüge war, um ihn mitzunehmen. Jetzt war erstens Pauls Laune komplett im Eimer und zweitens war endlich klar, warum alle aus der Küche geschwunden waren. Wegen Richard eben; seine reine Anwesenheit scheuchte sie alle heraus, nicht aber Paul, der sich nie wieder rumschubsen lassen würde.
Stattdessen blickte er stur in die tanzende Menge vor dem Kücheneinang, Olli sah man durch die Tür auf die Straße treten.
Der Niedere seufzte genervt.
„Schönen Dank auch, du Held."
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The Bad Goods
FanfictionEin alternatives Universum, in dem die 6 Jungs zusammen auf eine Schule gehen und natürlich gehen wie im echten Leben die Parteien hier auseinender und sie bleiben nicht von den Tyranneien des Lebens verschont. Doch werden sich die Wogen je glätten...