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„Wie stehst du zum Nihilismus? Und Kant?"
Sie sah ihn mit irritiert zusammengekniffenen Augen an.
„Wie bitte?"
„Na, was ist deine philosophische Position?"
Tricia fühlte sich in der Situation immer weniger wohl. Alles kam ihr surreal vor, so ein bisschen wie das eine Mal, als sie in ihrem local Supermarkt gewesen war, wie immer, und die auf einmal rote Bananen und violetten Blumenkohl gehabt hatten. Nichts war offensichtlich falsch daran gewesen, aber es war dennoch irritierend genug, um sie aus dem Rhythmus zu bringen. Der Mann mit den orangen Handschuhen brachte sie auch aus dem Rhythmus. Erwartend sah er sie an.
„Kant ist mir zu verschachtelt. Utilitarismus mag ich."
Er nickte und deutete mit einer Handgeste darauf hin, dass sie weitermachen sollte. Irgendwie sahen seine Handschuhe oben an den Fingern ein wenig unausgefüllt aus, als wären sie drei Nummern zu groß, vor allem bei der rechten Hand. Tricia wunderte sich, wieso Howard so kleine Hände hatte und dann keine Handschuhe trug, die die richtige Größe für seine kleinen Hände waren - oder wieso er die Handschuhe überhaupt trug.
„Wieso trägst du die Handschuhe?", sprach sie ihre Frage laut aus.
„Ich habe dich nach deinen philosophischen Ansichten gefragt und du fragst mich nach meinen Handschuhen? Was, bist du etwa Descartes Fan? Ist der Zweifel deine Essenz?"
Die Situation war sonderbarer als die mit den roten Bananen, ohne Zweifel. Eher wie die, in der sie in einem Baumhaus mit ihrem spirituellen Kumpel ETA Hoffmann geredet hatte.
„Nein, ehrlich gesagt hat mich das mit den Handschuhen nur gerade interessiert. Philosophisch finde ich den Existentialismus nicht schlecht. Ich mag außerdem schwarze Rollkragenpullover."
„Ahh, das freut mich zu hören." Howard grinste wie jemand, der einen schwarzen Rollkragenpullover für jeden Tag der Woche im Schrank hatte.
„Und warum trägst du jetzt Handschuhe, die viel zu groß für deine kleinen Hände sind?", fragte sie ihn noch einmal direkt.
Er machte eine Handbewegung, ihr Zucker in den Kaffee zu tun und sie hatte auf einmal aus dem Nichts den Gedanken, dass der Zucker vergiftet sein könnte, also nahm sie ihren Kaffee weg, bevor das süße weiße Zeug darin landen konnte.
„Nein! Ich habe mich umentschieden. Ich will keinen Zucker."
„Sag mir ruhig, wenn du den Kaffee nicht magst, du musst ihn nicht trinken." Er nahm einen weiteren Schluck von seinem Kaffee.
„Warum trägst du die Handschuhe?"
„Ich habe starke Neurodermitis, verstehst du? Willst du den Kaffee nicht?"
Absurd, ging es ihr durch den Kopf.
„Absurdismus", sagte sie. „Absurdimus ist eine sehr realistische philosophische Richtung."
Howard zeigte seine perfekten (aber nicht so perfekt, dass es komisch war) weißen Zähne und lächelte dieses Mal mit den Augen. „Wir beide, Tricia. Wir werden uns gut verstehen."

Und bevor sie noch einmal danach fragen konnte, wieso er die Handschuhe so viel zu groß trug, hob er seine Kaffeetasse um ihr zuzuprosten.
Sie ließ ihre Tasse an seine anstoßen und wollte dann nur so tun, als würde sie trinken, aber es klappte nicht ganz, und es gelang doch etwas von dem Kaffee in ihren Mund. Obwohl er nicht unlecker schmeckte, bereute sie es so sehr als wäre es Kirchenwein, von dem schon kranke alte Leute getrunken hätten.
„Wir können auch gerne die Tasse tauschen, wenn du mir nicht vertraust, aber ich zeige dir, es kommt alles aus der selben Kanne", sagte Howard und schüttete sich zur Bekräftigung noch mehr Kaffee ein. Tricias Magen war leer und an dem Kaffee war wirklich nichts auszusetzen - sie würde auch eine rote Bananenmilch trinken im Moment also was war dabei? Sie trank noch einen großen Schluck und es war guter Kaffee.
„Keine Sorge", sagte Howard beruhigend, „Ich wette, Linda und Christian sind näher, als du denkst."
„Ich habe dir nie gesagt, dass sie Linda und Christian heißen!", sagte Tricia, die sich nun sicher war, dass Howard Dreck am Stecken hatte. Sie stand auf, aber sie fühlte sich ein bisschen komisch. Ein bisschen so, wie sie sich fühlte, wenn sie sich mit ihrem spirituellen Kumpel ETA Hoffmann unterhielt.
„Doch, du hast es mir direkt am Anfang gesagt, und ich habe es mir gemerkt. Linda und Christian, deine Freunde, Ihre Nachnamen kenne ich nicht." Howard hatte recht, sie hatte es ihm echt direkt am Anfang gesagt, aber Tricia hatte einen echten Grund finden wollen, bestätigen zu können, dass Howard mit dem Verschwinden der beiden zu tun hatte.
Dann fiel ihr der echte Grund auf: „Mein Kaffee war nicht der selbe wie deiner! Da war Opium in meinem Kaffee!"
„Gut erkannt!", Howard lachte und das grüne Geländer verwandelte sich in eine Schlange.

Tricia wäre also für den Moment außer Gefecht, aber generell war sie viel besser als Linda, denn diese war backstabbing zu ihm gewesen, indem sie ihm vorgespielt hatte, sie würde etwas für ihn empfinden, nur um dann Schnipsel zu verstreuen, damit ihn bei der nächsten Gelegenheit die Polizei finden und wieder ins Gefängnis bringen würde! Bodenlose Frechheit! Und dafür würde sie bezahlen! Er hatte sie verschont, aber nun würde sie Christian ins Jenseits folgen...
Eine Porzellan Bratenform traf ihn unvermittelt ins Gesicht.
Linda hatte zwar gemerkt, dass er alle Messer mitgenommen hatte, aber die Bratenform selbst, oh, die erwies sich auch als ganz nützlich. Jedenfalls als relativ nützlich. Howard taumelte ein paar Schritte zurück, streifte dann aber seine Handschuhe ab und holte eines der Messer heraus, die er mitgenommen hatte (die anderen hatte er in einer Plastiktüte draußen neben seinem grünen Terrassenstuhl deponiert).
Linda schrie und hob die Bratenform als Verteidigung, versuchte, sie ihm noch einmal über den Kopf zu hauen, aber jetzt, wo er ein Messer in der Hand hatte, wollte sie ihm so nahe nicht mehr kommen. Warum hatte sie ihn schon attackiert, als er noch im Türrahmen stand? Jetzt stand er nämlich immer noch im Türrahmen und damit zwischen ihr und der Türe!
„Oh Linda", er lächelte mitleidig. „Wenn du mir nicht jedes Mal aufs neue gezeigt hättest, wie backstabbing du bist, hätte es mit uns etwas werden können."
Linda hielt die Bratenform vor ihren Körper, als wäre diese Captain Americas Schild und sie Captain America. Die Tatsache, dass jedes Schauspiel nun keinen Sinn mehr hatte und sie kurz vor ihrem Tod, während sie angsterfüllt zurückwich, noch einmal Tacheles mit Haken Hand Howard reden konnte, war irgendwie befreiend.
„Es hätte etwas werden können?", schrie sie ihn also an, „Mit uns? Du hast meinen Verlobten umgebracht und meine rechte Hand abgehackt!"
„Ja, aber das habe ich nur getan, weil du von Anfang an backstabbing warst."
„Ja, weil du meinen Verlobten umgebracht hast! Du bist ein Monster, Haken Hand Howard, und auch wenn du es im Moment nicht denkst, so werden, wenn du mich jetzt umbringst, deine Schuldgefühle genauso lange halten wie deine nicht biologisch abbaubaren orangen hässlichen Handschuhe!"
In diesem Moment stach er mit dem Messer zu, aber es gelang ihr gerade noch, ihn mit der Bratenform in ihrer linken Hand abzuwehren. Sie wusste, dass es keine Fenster gab, die sich öffnen ließen, und dass sie durch die einzige Tür nicht raus könnte, also blieb ihr nichts übrig als immer weiter zurückzuweichen, die Bratenform vor sich, aber ihr war klar, dass die gelb gekachelte Küchenwand hinter ihr näher und näher kam...
„Das ist nicht deine Art!", versuchte sie es auf eine andere Art, „Du müsstest mich mit einer Axt umbringen und nicht mit einem Küchenmesser wie jeder Möchtegern Meuchelmörder!" Ihr Selbstbewusstsein kam daher, dass sie wusste, dass die Axt nicht in Reichweite war, denn sie hatte ja nachgeschaut.
Haken Hand Howard lachte nur wieder.
„Oh nein, die Axt ist für die verliebten Pärchen, wenn ich dich damit umgebracht hätte, dann wäre es direkt passiert. Aber du, du bist nicht wie die anderen, denn dir habe ich eine Chance gegeben und du hast es mir gedankt, in dem du mir ein metaphorisches Messer in den Rücken gerammt hast, also ist es auch ein Messer, mit welchem ich dich töten werde!"
Die kalten gelben Kacheln waren da, und ihre Schulter tat wieder weh, als sie in ihrer Panik dagegen stieß. Weiter zurück konnte sie nicht.
In einem letzten verzweifelten Versuch nahm sie all die Kraft, die sie in ihrer untrainierten linken Hand hatte zusammen und warf Haken Hand Howard die Porzellan Bratenform an den Kopf.
Es war nicht genug Kraft. Ein bisschen Blut rann ihm die Schläfe runter, nur das bisschen, wie in den Filmen immer, wo die Schauspieler möglichst hübsch aussehen sollen, wenn sie sich im Gesicht verletzen, am besten noch ihre Wangenknochen akzentuieren.
Das Messer war immer noch fest in Howards sehr gut trainierter linker Hand und seine rechte war nach wie vor die gnadenlose Haken Harpune...

Haken Hand Howard Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt