22.Kapitel

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>>Hey, da seid ihr ja!<<

Ich drehte mich um und sah Nils und Mina, die Hand in Hand auf Leo und mich zugelaufen kamen. Zum ersten Mal sah ich Mina vom Nahen und ich musste zugeben, dass sie wunderschön aussah. Ihr schulterlanges rotes Haar war leicht gewellt und leuchtete im Sonnenschein, ihr schmales Gesicht war von Natur aus blass und unter ihrem trägerlosen, weißen Brautkleid, hob sich der gerundete Bauch deutlich hervor. Sie strahlte vor Glück – und das konnte ich ihr nicht verübeln. Wer würde nicht strahlen, wenn man sich gerade Hand in Hand mit seinem gutaussehenden Ehemann auf der eigenen Hochzeit befand? Wie sehr wünschte ich mir doch, ich wäre an ihrer Stelle!

>>Also<< Nils strahlte mich so glücklich an, dass ich trotz des Schmerzes, den seine Freude über die Hochzeit in mir auslöste, einfach zurück lächeln musste. >>Kira, das ist meine Frau Mina. Mina, das ist meine Schülerin Kira.<<

>>Hi<<, sagte ich und versuchte so gut es ging, Mina anzulächeln.

>>Hi Kira, schön dich kennen zu lernen!<< Gut gelaunt umarmte Mina mich, als wäre ich eine langjährige Freundin und nicht ihre geheime Rivalin.

>>Hast du die Autofahrt mit Leo gut überstanden?<< Nils zwinkerte mir zu. >>Falls er dich vollgequatscht hat, dann tut mir das leid! Manchmal hat er...<<

>>Ach, kein Problem<<, winkte ich ab, >>Ich hab mich ein bisschen mit ihm unterhalten, zum Beispiel darüber, dass du wie ein alter Opa sprichst und aussiehst und dass Mina dir vor einiger Zeit mal Zöpfchen geflochten hast... War eigentlich ganz amüsant!<<

Nils starrte mich mit offenem Mund an, doch Leo und Mina lachten nur darüber.

>>Jetzt guck nicht so! Du sahst total süß mit den Zöpfchen aus!<<, grinste Mina und gab Nils einen kurzen Kuss auf die Wange.

>>Sehe ich nicht immer total süß aus?<<, fragte Nils gespielt entrüstet.

Ich hustete.

Nils warf mir einen zornigen Blick zu, doch es war unverkennbar, dass er nur schauspielerte.

>>Du spielst nachher also Klavier vor?<< Neugierig wandte Mina sich wieder an mich.

>>Ja<< Es war schwerer als erwartet, sie nicht zornig anzubrüllen.

>>Nils hat mir schon erzählt, dass du richtig fleißig für heute geübt hast. Du kannst dir nicht vorstellen, wie gespannt ich schon bin!<<

>>Ich bin ehrlich gesagt schon ein bisschen aufgeregt.<<, gestand ich.

>>Musst du nicht.<< Mina lächelte mich warm an. >>Das hier ist doch kein Wettbewerb, auf dem alles perfekt sein muss. Hauptsache du hast Spaß und lockerst die Stimmung ein wenig auf.<<

Wie soll ich Spaß haben, wenn du die ganze Zeit mit Nils rumknutscht?, fragte ich mich wütend, doch statt es laut zu sagen, wich ich ihrem Blick aus und schaute mich ein wenig genauer auf der Wiese um. Immer mehr Leute waren eingetroffen, die sich nun in kleinen Grüppchen gut gelaunt unterhielten, ihre Geschenke auf dem Geschenketisch ablegten oder an den vielen kleinen Tischchen nach dem Schild mit ihren Namen suchten.

>>Wo soll ich eigentlich sitzen?<<, fragte ich Nils und zupfte nervös an den Trägern meines Kleides herum. >>Und wann soll ich vorspielen?<<

>>Du kannst dich zu uns an den Tisch setzen, der steht am nahsten zur Bühne.<<, sagte Nils nach einigem Überlegen. >>Keine Angst, wir beißen auch nicht!<<, fügte er hinzu, als er meinen skeptischen Blick bemerkte.

Der KlavierlehrerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt