Sich selbst auffangen

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Eine beschissene graue Wolke. Aufstehen, weinen, duschen gehen, weinen, zur Arbeit fahren, weinen, sich zusammenreißen, weinen, nach Hause kommen, ein Glas Gin Tonic trinken, zusammenbrechen und weinen.
Und das Ganze 7 verschissene Tage lang.
Zudem müde sein aber gleichzeitig hellwach und ich kann nicht schlafen, weil ich Angst habe, was dann passiert.
Ich weiß, dass absolut nichts passieren wird, aber ich habe ebenso das Gefühl die Kontrolle über egal, was es ist, nur so behalten zu können. Also schlagen sich meine Augen jedes Mal wieder auf, wenn sie mir vor Erschöpfung zufallen.
Aber ist das ein Zustand, den man als human bezeichnen kann?
Ist es ein Zustand, in dem man langfristig leben kann?
Ist es ein Zustand, den ich für mein Leben haben will?

Ich funktioniere, stehe unter Strom und bin gleichzeitig so kaputt wie schon lange nicht mehr.
Meine Gedanken kreisen immer wieder um sich selbst und ich weiß, dass diese Scheiße so surreal ist wie die Hypothese, dass die Erde wirklich flach ist.
Ich weiß, dass meine Gedanken umsonst sind, weil absolut alles gut ist und ich mir keinesfalls Gedanken über Dinge machen muss, weil es diese Dinge überhaupt nicht gibt.
Ich habe Beweise im Hier und Jetzt, die mir zeigen, dass ich mir, wie schon so oft, den Kopf über absolut gar nichts zerbreche.

Aber die Gedanken sind da. So present wie die Kaffeemaschine in der Küche, der Bus an der Haltestelle und die Baustelle neben meinem Arbeitsplatz.
Das Heimtückische daran ist, dass, auch wenn ich die Wahrkeit kenne, die Gedanken nicht weg gehen.
Sie verankern sich im Gehirn, richten sich häuslich ein und tauchen immer wieder auf, wenn sie nicht gerade schlafen oder neue Pläne schmieden, wie sie mich am Besten aufwühlen können.

Die Wolke türmt sich auf, wird größer und dunkler; macht sich bereit mich komplett zu verschlingen, zu umhüllen. Die Dunkelheit verstärkt meine Gedanken und meine Angst um absolut gar nichts und ich bekomme Panik.
Mir wird kalt und ich fühle mich machtlos.

Und dann wird es Zeit, dass ich mich selbst wieder auffange.

Ich und allein Ich bin für mich verantwortlich. Keine Wolke, keine Gedanken und keine Dunkelheit haben die Macht, mich zu verändern und mich zu schrumpfen.
Ich bin verdammt nochtmal nicht machtlos und auch nicht klein.
Ich habe die größte und wichtigste Aufgabe in dieser Welt:
Die Aufgabe, mich um mich selbst zu kümmern.

Wenn ich nicht das Gefühl habe, dass mich jemand auffangen kann, dann fange ich mich halt selbst auf.
Was das bedeutet?
Zwang.

Ich zwinge mich raus zu gehen, mich mit Freunden zu treffen. Traurige Songs auf Spotify sind tabu; es werden Sommerhits gehört, es wird sich gefreut über die morgendliche Sonne.
Ich koche für mich, mache mir ein Dessert, schenke mir ein Glas ein anstatt aus der beschissenen Flasche zu trinken.

Ich fange mich selbst auf.

Und nur dann, geht die Sonne wieder auf, die Wolke verzieht sich und ich bin wieder Teil meines eigenen Lebens.

Hochsensibel, oder: 50x mehr fühlen als der Durchschnitt.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt