Schnupfen kann man hören

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Wenn man vom Fahrrad fällt und sich ein Bein bricht, wird ein Gips umgelegt und der Mensch wird krank geschrieben. Er geht auf Krücken und ist die nächsten 6-8 Wochen eingeschränkt.
Andere Menschen sehen das sofort und wissen: Aha, okay, der Mensch hat sich verletzt; sein Bein ist kaputt.

Wenn man sich einen Infekt einfängt und am nächsten Morgen aufwacht und bemerkt, dass man Husten und Schnupfen hat, geht man zum Arzt. Dieser schaut sich das ganze Spektakel an und verschreibt Medikamente und Bettruhe. Wenn man die Krankmeldung abgibt, mit seiner roten, schniefenden Nase und einem rauen Hinterklang der Stimme, einem Huster hier und da, merkt der Gegebüber: Aha, okay, der Mensch ist erkältet, er ist krank.

Wie ist es aber mit allem anderen? Mit Dingen, die man nicht sehen oder hören kann?
Die Reaktion der Menschen ist unterschiedlich und man kann nicht sagen, wie jeder reagiert. Hierbei reicht diese Reaktion von Verständnis bis hin zu merkwürdigen Blicken und komischen Fragen, die einen denken lassen man wäre ein Freak.
Wichtig dabei ist aber, dass, egal wie ein Mensch reagiert, er oder sie es schlussendlich akzeptieren muss. Ob man es verstehen und nachvollziehen kann oder nicht, spielt doch überhaupt keine Rolle.
Die Tatsache, dass es genau so real ist wie ein Beinbruch oder wie ein Schnupfen, macht Hochsensibilität nicht weniger unwirklich.

Was dabei auch viele denken ist, die Sensibilität wie auch dessen Reizüberflutung und Panikattacken seien eine Krankheit, die man heilen müsste.
Ich will nichts vorweg nehmen, aber Hochsensibilität ist nichts, was man heilen kann, weil es keine Krankheit ist.
Es ist eine Charaktereigenschaft, die zu jedem gehört, der hochsensibel ist. Wir können lernen damit umzugehen, die Symptome zu erkennen und sie zu bekämpfen.
Wenn wir Panik bekommen, dann haben wir Skills, die uns beruhigen. Wenn wir traurig sind, nehmen wir das Gefühl an und lassen uns trösten. Wenn wir wütend sind, dann erzählen wir tagelang davon, um unserem Ärger richtig entfliehen zu können. Und wenn wir glücklich sind, dann sind wir so richtig glücklich und sulen uns fast schon in diesem Gefühl.

Wir fühlen einfach mehr, und Gefühle sind keine Krankheit.
Wir erkennen, wenn etwas nicht stimmt oder es jemandem nicht gut geht. Das macht uns zu sehr hilfsbereiten Menschen und guten Zuhörern. Das Nachempfinden der Gefühle anderer spendet ihnen Trost und Verständnis.
Die Welt braucht Menschen wie uns, genau so wie sie Menschen braucht, die sehr unempathisch sind. Diese können einen anderen auch wieder hoch ziehen, ohne großes Drum herum. Sie packen die Dinge halt einfach anders an als wir.
Jeder Mensch ist da unterschiedlich, und so sollte es auch sein.

Mein Fazit:
Entweder man nimmt uns so, wie wir sind, oder halt nicht. Und wenn man es nicht tut, dann sollte man vielleicht lieber doch getrennte Wege gehen.
Nur weil man etwas nicht sehen oder hören kann, heißt es nicht, dass es nicht existiert. Und nur weil etwas anders ist als "durchschnittlich" bedeutet es nicht, dass man es als Krankheit abstempeln kann.

Wir sollten stolz auf unsere Charaktereigenschaft sein. Sie macht uns nicht zu Freaks; sie machen uns zu uns selbst, zu dem, was wird sind:
Menschen mit einem Platz in dieser Welt.

Und genau so ist es gut.

Hochsensibel, oder: 50x mehr fühlen als der Durchschnitt.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt