Hogwarts Story

3

Die Stimmung im Abteil wurde immer angespannter, wir waren schon fast am hyperventillieren, als der Zug den Bahnhof endlich erreichte.
Nervös stiegen wir aus. Am Himmel waren bereits Sterne zu sehen und auf dem Bahnsteig sammelte sich die Horde Schüler und wurde immer größer. Die meisten Erstklässler fingen direkt an zu tuscheln oder zeigten auf irgendetwas, aber dafür hatte ich gar keine Zeit, denn ich hatte endlich wieder das Mädchen aus der Winkelgasse entdeckt. Sie stand zurückhaltend neben ein paar Mädchen, die einen komischen Eindruck auf mich machten. Da stand jedenfalls Willow und sah mich nicht. Ich blieb aber bei Apple und Ella, oder besser gesagt hatte ich gar keine andere Wahl, denn ich wurde schon von Ella mitgezerrt.
Nach der Überfahrt mit den Booten standen wir endlich vor Hogwarts. Mein Bruder hatte in seinem ersten Jahr damals zugegeben, dass er sich vor dem großen Schloss beim ersten Anblick gefürchtet hatte. Damals hatte ich darüber gelacht, aber heute war ich selbst überwältigt. Die schwarzgrauen Mauern und erst recht die unzähligen Türme, die in die Höhe ragten, machten einen doch sehr klein. Gemeinsam mit den anderen Erstklässlern stiegen wir die scheinbar endlosen Treppen zum Schloss empor, währenddessen wurde es sehr still in der Menge, wahrscheinlich weil jedem die Luft wegblieb – aber wegen den Treppen.
Der Eintritt ins Schloss war wundervoll, die Wände, die Statuen, die Decke, alles, alles sah einfach so toll aus.
Ich hatte doch ein bisschen Glück, dass ich einen älteren Bruder hatte, denn dadurch wusste ich wahrscheinlich schon mehr von Hogwarts als andere. Vor einem riesigen Eingang, wahrscheinlich das Tor zur großen Halle, wartete eine schon etwas ältere, schlanke, sehr bestimmt aussehende Frau mit schön geschmücktem Gewand und Hexenhut. Das musste meines Wissens nach Professor McGonagall sein. Da sie Reeces Hauslehrerin war, hatte ich schon viel von ihr gehört, aber jetzt durfte ich mir endlich mal selbst ein Bild von den Lehrern und co. machen.
"Willkommen in Hogwarts, liebe Schüler. Ich bin Professor McGonagall. Ich werde euch gleich in die Halle führen, dort werdet ihr von dem sprechenden Hut in eure Häuser verteilt: Gryffindor, Ravenclaw, Hufflepuff oder Slytherin. Danach werdet ihr euch zu euren Mitschülern an den entsprechenden Tisch setzen. Ich erwarte, dass ihr euch angemessen benehmt"
Ihre Stimme war laut, fest und streng, trotzdem strahlte sie eine gewisse Wärme aus.
Sie drehte sich um und die gewaltige Tür begann, sich zu öffnen.
Das Tuscheln unter den Schüler fing direkt an, als der Entenmarsch durch die gesamte Halle losging. Ein kurzer Blick nach hinten sagte mir, dass Willow sich bereits neben einem kleineren Mädchen mit leuchtend roten Backen eingereiht hatte.
So dumm und verträumt wie ich war, hatte ich nicht gemerkt, wie andere Schüler schon an mir vorbeigelaufen waren und ich Ella und Apple aus den Augen verloren hatte. Ich schob Panik und suchte verzweifelt nach ihnen weiter vorne in der Menge, gab es jedoch auf und musste wohl oder übel neben einem fremden Jungen nach vorne laufen, der neben mir aufgetaucht war. Jetzt war es irgendwie noch unangenehmer, auch ohne die starrenden Blicke der älteren Schüler.
Ich beschloss, mich in der Halle umzusehen, bis ich mich vorne wieder zu Ella und Apple gesellen konnte.
Überall waren Fackeln an den Wänden und viele verschiedene Wappen, wahrscheinlich die Hauswappen von Hogwarts. Nach vorne konnte ich nicht gut sehen, da viele der Erstklässler größer waren als ich und ich jetzt nicht unbedingt auf und ab springen wollte. Die Decke war jedoch das, was mich am meisten faszinierte: Sie war so perfekt verzaubert, dass man glaubte, man stünde direkt unter dem klaren Sternenhimmel. Zahlreiche Kerzen schwebten brennend über den Köpfen und erfüllten die Halle mit einem sehr angenehmen Licht.
Vorne angekommen, sagte Prof. McGonagall: "Bleibt bitte hier stehen", stieg die Stufen hinauf zu einem querstehenden, langen Tisch, an dem die Lehrer saßen und schnappte sich den Hut, der ein paar Meter vor dem Lehrertisch auf einem einzelnen Stuhl lag.
Ich schlängelte mich währenddessen durch die Erstklässler zu Apple und Ella. "Wo warst du die ganze Zeit?", flüsterte Apple. "Ich hab euch verloren glaube ich", antwortete ich leise. Ella gab ein lautes Psst! von sich, denn McGonagll schaute einzelne Kinder mahnend an, still zu sein. Also stellte ich mich ruhig neben die beiden und schaute aufmerksam zu McGonagall hinauf.
"Ihr werdet jetzt alle einzeln aufgerufen. Ihr kommt dann vorne, setzt euch auf den Stuhl und ich werde euch den Hut aufsetzen"
Jetzt spürte ich die Nervosität deutlich. Jetzt gleich war es soweit und ich musste nach vorne, wo alle Schüler zu mir sahen und die Entscheidung getroffen wurde, in welches Haus ich kommen sollte.
"Evan Benson", fing McGonagall an, mit ihrer lauten, klaren Stimme vorzulesen. Der Junge tat mir leid. Er war der Erste. Aber irgendwie auch nicht, denn er hatte es dann wenigstens hinter sich. Er hatte komplett zerzauste, dunkelbraune Haare und stieg vorsichtig die Stufen hinauf, um sich dann auf dem Stuhl niederzulassen. McGonagall setzte ihm den Hut auf und dann trat kurze Stille ein. Die Blicke des Schülers waren das beste. Mal ängstlich, mal überrascht, mal stolz und mal freudig. Der Hut sprach in Gedanken zu ihm, das wusste ich von meinem Bruder. Ich lugte kurz zu Ella und Apple, die beide verwirrt aussahen. Beinahe wollte ich ihnen die Erklärung zuflüstern, als der Hut "Hufflepuff!" rief. Es gab tosenden Beifall von dem Hufflepufftisch und die anderen stimmten mit ein. Der Junge sah erleichtert aus und als McGonagall ihm den Hut absetzte, sprang er zu seinen neuen Hausmitschülern.
Die nächste Erstklässlerin, die vor musste, war das Mädchen, die ich neben Willow gesehen hatte, mit den leuchtenden Backen. Sie tappte schnell nach vorne, als ihr Name "Amanda Black" gerufen wurde und saß dann still auf ihrem Stuhl. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper, bis der Hut sie nach Gryffindor einteilte und sie strahlend ihrem jubelnden Haus entgegen eilte.
Der nächste Junge namens Scott Bowen kam nach Slytherin und dank meines Bruders empfand ich sofort einen gewissen Ekel. Was der Einfluss eines Gryffindors doch immer so ausmachte.
Als nächstes fiel der Name "Enif Campbell" und nach kurzer Verzögerung stolperte ein Mädchen, mit meiner Meinung nach echt wenigen, aber langen, strohblonden Haaren, nach vorne und setzte sich. Der Hut teilte sie nach Hufflepuff ein und McGonagall musste sie einen Moment zurückhalten, weil sie den Hut sonst mitgenommen hätte. In dem Moment war mir nicht bewusst, ob ich das Mädchen entweder verabscheute oder einfach nur super sympathisch fand.
"Willow Dolton", sagte McGonagall und weckte hohe Aufmerksamkeit in mir. Jetzt kam Willow dran! Ich drückte ihr die Daumen. Sie ging etwas unsicher nach vorne und lächelte flüchtig, während sie auf dem Stuhl saß. Auch sie wurde nach Hufflepuff eingeteilt und ich war froh, dass sie kein Slytherin wurde. Gleichzeitig aber fragte ich mich, ob wir in das gleiche Haus kommen würden. Ich hatte mir jedoch vorgenommen, mir kein Haus zu wünschen.
Als nächste kam Ella dran. Sie lief nach vorne als würde ihr nichts etwas ausmachen. Der Hut brauchte diesmal nicht lang für seine Entscheidung. Sie kam nach Ravenclaw. Sie grinste und rannte dann zu dem Ravenclawtisch.