Day 6

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Ungläubig bleibe ich in Mitten der gerade neu renovierten Bibliothek stehen. Es ist unfassbar, wie sehr sie sich verändert hat, seitdem ich das letzte Mal mit Pantaleon hier war.

Ein Kronleuchter aus Glasperlen — dessen Echtheit ich bezweifle — hängt von der Decke und beleuchtet den gigantischen Raum. Die, mit einem goldenen Teppich beschmückte Treppe, welche sich ab der Hälfte in zwei Wege aufteilt, mit dem schwarzen Geländer ist ein schöner Kontrast zu dem hellen Mamorboden.

Gegenüber von mir zieht sich ein Panoramafenster über die Wand und die Decke trägt eine helle, goldene Farbe, an welcher überall wolkenähnliche Wattebällchen hängen. Sie sehen unfassbar flauschig aus.

„Wo hast du den Schlüssel her?", kichere ich, als Pantaleon die schwere Holztür aufschiebt. „Ich habe hier ein Praktikum gemacht und den Schlüssel nachmachen lassen", gesteht er.

Belustigt schüttel ich den Kopf und tappse durch den Raum. Meine Schritte hallen wider, während ich mich umsehe. Die Regale sind mit einer dünnen Staubschicht bedeckt und kein einziges Buch ist zu sehen.

Das gedimmte Licht hat eine beruhigende Wirkung auf mich. An den Wänden klaffen wie hässliche Wunden die Verfärbungen im Holz.

Der Boden wirkt glanzlos und kalt und die Staubkörner, welche durch die Luft wirbeln kündigen sich als die letzte Spur der Dynamik an. Ab morgen wird hier renoviert.

In Gedanken schwelgend schlendere ich zum zweiten Regal von links und lasse meine Finger über das dunkle Holz gleiten. Mein Blick wandert hinauf zu einem bestimmten Buch. Moby Dick.

Nicht selten wurde mir davon erzählt. Ich habe es nie gelesen und kenne es dennoch in- und auswendig. Es hat Pantaleons Leben geprägt, sagt er immer.

Es war das Lieblingsbuch seines Bruders. Er hat ihm jeden Abend daraus vorgelesen, immer und immer wieder, bis zu dem Tag, an dem der Junge starb.

Pantaleon redet nicht gerne darüber, hasst es sentimental zu werden, doch ich weiß wie viel ihm dieses Buch bedeutet. Er fühlt sich dadurch mit dem Jungen verbunden.

Komm mit", wirft Pantaleon ein und schlendert zu dem zweiten Regal auf der linken Seite. „Was möchtest du hier?", frage ich irritiert und folge ihm.

„Die fünfte Reihe von unten, das dritte Buch von rechts. Hier stand immer Moby Dick", erklärt er und mustert die leere Stelle. Irritiert ziehe ich die Augenbrauen zusammen.

Während er also anfängt von diesem Buch zu erzählen, kramt er ein Taschenmesser aus seiner Hosentasche und ritzt unsere Initialen in das Holz

Irgendwann klebt sein Blick nur noch an mir, weshalb ich fragend meinen Kopf schief lege. „Ist etwas?" Er tritt einen Schritt näher. „Habe ich jemals erwähnt wie gut diese Sommersprossen zu dir passen?"

Perplex blinzle ich ihn an, ehe ich anfange zu lachen. „Hast du getrunken?" Ernst schüttelt er den Kopf. „Ich habe mich noch nie so nüchtern gefühlt", haucht er und verbindet unsere Lippen miteinander. Mein Herz setzt aus.

Lächelnd schieße ich ein Bild von dem Buch und lehne mich zurück. Von der Nostalgie übermannt starre ich es noch eine Weile lang an. Hier hat er mir meinen ersten Kuss gestohlen.

9 Days without you - BoyXboy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt