"Nanu? Ein Gast um diese Stunde?"
Kaum war der Schwarzhaarige in die gute Stube eingetreten, wurde er von einer klaren freundlichen Stimme begrüßt. Er warf nur einen kurzen Blick zum Tresen, hinter dem der Barkeeper stand. Zu kurz um irgendetwas wirklich wahrzunehmen.
Langsam schloss er die Tür hinter sich und lief in Richtung des Tresen. Dabei betrachtete er den Innenraum genaustens. Das kleine Lokal war fast typisch für solche eingerichtet.
Ein langer Tresen an der einen Wand und viele kleine Tische, Stühle und Bänke an den anderen. Das Licht war etwas schummrig, was allerdings nur dazu führte, dass die ganze Stube wärmer, freundlicher und heimischer wirkte.
Das Besondere jedoch war der Geruch. Es roch weder nach Alkohol, noch nach kaltem Rauch, was man oft in Bars vorfand. Es roch nach Holz. Nach frischem Holz sogar, wie man es nur im Wald, oder der Sägemühle riechen konnte. Und genauso wild schien auch der Einrichtungsstil zu sein.
Man erkannte keinen typischen Baustil der Möbel. Man konnte es weder in schlicht, vintage oder sonst was einteilen. Man konnte nicht wirklich sagen wie der Erbauer der Einrichtung es geschafft hatte, aber die Tische und Stühle wirken lebendig. Vielleicht lag es an der dunklen Farbe des Holzes, vielleicht aber auch an den Rundungen, die einfach so natürlich wirkten, dass sie einfach wie selbstverständlich waren.
Die kleinen Tischdecken auf den Tischen, die dafür sorgten, dass die Ecken noch zu sehen waren, waren in einem satten Dunkelgrün und erinnerten an saftiges Gras. Die Deko darauf bestand ebenfalls aus Pflanzenteilen. Alles in allem schien es fast so, als ob dieser Raum auch ein Teil eines Waldes hätte sein können.
Dieser Raum war definitiv kein normales Lokal, das man an jeder anderen Ecke der Stadt hätte finden können. Diese Bar hatte etwas besonderes an sich. Und vielleicht war es das, was den jungen Mann so in seinen Bann zog, sodass er immer weiter durch den Raum lief, um sich schließlich an die Bar zu setzen.
Dort glänzten die fein säuberlich aufgereihten Gläser in den Regal, oder hingen, das Licht brechend, kopfüber über der Theke.
"Also, was kann ich einem so mutigen jungen Mann bringen, wenn er schon sich durch die gefährlichen Straßen wagt?"
Nun wandte sich der Gast endlich dem Barkeeper zu. Unbemerkt weiteten sich seine Augen, als er in das Antlitz seines Gastgebers sah.
Es war ein ebenfalls schwarzhaariger junger Mann, der allerdings an seinen Seiten ein paar orangene Strähnchen hatte. Kein einziger Makel war in seinem Gesicht zu sehen und seine außergewöhnlichen braunen Augen mit orangenen Sprenkeln strahlten seinen Gast fasziniert an. So intensiv, wie er angeschaut wurde, begann das Herz des Schwarzhaarigen schneller zu schlagen und er spürte, wie das Blut in seine Wangen schoss. Schnell wendete er den Blick wieder ab. Was war das bitte gewesen?
"Irgendwas Hochprozentiges...", murmelte er mit rauher Stimme und schluckte schwer. Doch der Wirt schien sein Verhalten in keinster Weise seltsam zu finden und zu hinterfragen.
"Kommt sofort.", flötete er fast schon und begann das Gewünschte zu holen.
Vorsichtig sah der junge Mann ihm zu. Er wirkte grazil, wie das Hemd sich an seinen offenbar leicht trainierten Körper schmiegte und seine Muskeln etwas offenbarte. Er war einfach schön, musste der Gast zu geben. So jemanden schönes, hatte er noch nie zuvor gesehen. Er schien einfach in dieses Lokal zu gehören und er wirkte ebenso echt und lebendig, wie der Rest der Einrichtung.
Solche Erscheinung kannte er noch nicht. Die Menschen die er bislang kennen gelernt hatte, wirkten jeder auf seiner Art und Weise tot. Der Wirt aber schien lebendiger als das Leben selbst und schien auch schöner als dieses darselbst zu sein. Und er war viel schöner als das Leben seines Gastes. Aber das war auch keine wirkliche Kunst...
"So. Bitte sehr!" Schwungvoll stellte der Barkeeper eine Flasche und ein kleines Shotglas auf den Tresen und schenkte das Glas voll ein, bervor er es seinem Gast rüber schob.
Zögerlich sah dieser die durchsichtige Flüssigkeit in dem Glas vor sich an. Dann nahm er seufzend sein Geldbeutel aus der Tasche und zog die letzten Papierscheine aus seiner Tasche hervor und legte sie auf den Tresen.
"Reicht das, um mich für eine Nacht vergessen zu lassen?", fragte er leise und heiser.
Überrascht sah der junge Barkeeper ihn an. Dann nahm er die ihm angebotenen Scheine und zählte das Geld. Zögernd sah er von dem Papier wieder zurück zu seinem Gast.
"Warum?", stellte er die Frage und lehnte sich vor. "Warum willst du vergessen?"
Beschämt sah der junge Mann weg.
"Mein Leben ist schrecklich genug. Da will ich wenigstens für eine Nacht dieses vergessen können...", murmelte er leise.
Der Barkeeper musterte nachdenklich den Schwarzhaarigen vor sich. Nach einer Weile seufzte er. Er schob das Geld auf den Tresen wieder vor seinen Gast.
"Vorschlag. Wenn das das Einzige ist, was du geben kannst. Behältst du das Geld."
Ängstlich sah sein Gast ihn an. War die einzige Möglichkeit seine verdammte Situation zu vergessen jetzt auch dahin?
"Du behältst das Geld und der Alkohol geht aufs Haus. Aber ich bestimme wie viel Alkohol du bekommst und wir reden. Okay? Oft tut reden auch mal gut."
Ungläubig sah der junge Mann den Barkeeper an. Ehe er es selbst begreifen konnte, hatte er allerdings auch schon genickt und somit dem Vorschlag zu gestimmt.
Sofort schlich sich ein Grinsen auf das Gesicht des Barkeepers und er deutete auf das Glas vor dem jungen Mann. "Dann bedien dich."
Er lehnte sich nach vorne und stützte sich mit seinen Ellenbogen ab und sah ihn lächelnd an. "Und damit du dich nicht mit einem Fremden unterhältst: Hej, ich bin Park Jimin. Und willkommen in meinem Krähennest."

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Krayenzeit
RastgeleShortstory~ In der Stadt geht es drunter und drüber. Krähen tauchen wie aus dem Nichts auf und greifen Menschen an. Von leichten Verletzungen bis zum Tod war alles schon dabei. Als Yoongi in diesem Chaos ein neues Lokal in einer Seitengasse entdeckt...