Die erste Zigarette

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Meine Fingern umklammerten die Zigarettenschachtel. Mir war bewusst, dass es nicht mir gehörte. Ich habe sie geklaut. Von irgendeinem Typ auf der Strasse. Die Schachtel fiel fast aus seiner Hosentasche und bevor dies geschehen konnte, schnappte ich mir sie und rannte weg. Nun sass ich also da mit meinem schwarzen Bic Feuerzeug, den ich übrigens verdammt teuer im Kiosk gekauft habe, und einer geklauten Packung Zigaretten.

Artige Mädchen klauen nicht.
Artige Mädchen rauchen nicht.
Artige Mädchen schwänzen nicht die Schule.
Artige Mädchen rennen nicht vor ihrem Leben weg.

Die Stimme meiner Lehrerin hallte mir durch den Kopf. Ich besuchte eine streng katholische Mädchenschule. Ich hasste es dort. Ich hasste dort alles, die braven Mädchen, die Lehrerinnen, die Regeln und ich hasste meine Eltern dafür, dass sie mich dorthin geschickt haben. Gott möge diese Leute in die Hölle schicken. Ja, ich glaubte einigermassen an Gott, auch wenn ich es mit grosser Sicherheit in der Hölle enden würde.

Ich öffnete die Schachtel, die halb leer war (ja, ich bin eine Pessimistin) und nahm eine Zigarette heraus. Ich spielte kurz damit zwischen den Fingern, bevor ich es zwischen meinen Lippen tat und sie anzündete. Ich zog einmal kräftig daran, was mich zum Husten brachte. Gut, ich habe mit meinen 15 Jahren tatsächlich noch nie geraucht. Von wem sollte ich denn schon die Zigaretten haben? Meine Eltern? Die Mädchen an meiner Schule? Wohl kaum.

Ich fühlte mich auf solch einer Art frei, beruhigt und sorgenfrei, wie ich es bisher noch nie getan habe. Ich vermutete, dass dies wohl die gewisse Wirkung von Nikotin war. Meine Lunge, oder eher mein Rachen, brannte. Es war kein unangenehmes Brennen. Also zog ich noch einmal an der Zigarette und noch ein weiteres mal, bis ich bemerkte, dass sie ganz klein wurde und irgendwie auch schlecht schmeckte. Ich zerdrückte sie mit den Fingern und warf die Zigarette in den Fluss.

Als ich versuchte aufzustehen, wurde es mir ein bisschen schwindlig, weshalb ich mich wieder hinsetzte und eine Weile sitzen blieb. Ich dachte darüber nach, wohin ich jetzt gehen sollte oder eher gehen kann. Weder in die Schule noch nach Hause zu gehen, war eine relativ schlechte Idee. Wo sonst? Ich hatte keine Freundinnen, da ich eine verdammte Einzelgängerin war und Jungs kannte ich auch nicht.

Mein grösster Kontakt zu Typen besteht daraus, dass ich zum Kiosk gehe und mit dem jungen Araber dort ein paar Wort wechsle. Manchmal fragt er mich, wie es mir ginge oder ob ich nicht noch einen Energy Drink kaufen möchte, da ich aussehen würde, wie ein Geist.

Ich dachte auch darüber nach, dass ich einfach eine Nacht lang, auf der Strasse pennen könnte. Davor hätte ich aber schon relativ viel Schiss, auch wenn ich mich in einer Kleinstadt befinde.

Ich zog mein Handy hervor, um Musik von Post Malone zu hören, was ich eigentlich immer tat. Vierzehn verpasste Anrufe von Mum, sechs von Dad und ein Haufen Nachrichten von den Mädchen aus meiner Klasse, da sie wissen wollten, wo ich denn war. Damit habe ich gerechnet. Ich stellte mein Handy trotzdem auf Flugmodus, um nicht noch weitere Anrufe oder Nachrichten zu erhalten.

Musik, kann ich schliesslich auch so hören. Die Stimme von Post Malone dröhnte in meinen Ohren, was mich irgendwie glücklich machte. Ich liebte den Typ schon seit er mit rockstar seinen ersten grossen Hit hatte. Seitdem habe ich mir all seine Songs angehört, seine Alben und Singles gekauft und darauf gewartet, dass er endlich mal in der Nähe auftreten würde.

Ich kam zum Entschluss, dass ich jetzt nach Hause gehen würde und mich meinen Eltern stellen würde.

Die erste Zigarettenschachtel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt