Die fünfte Zigarette

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„Na, gut geschlafen?" Mit diesen Worten riss mich Alice aus dem Schlaf. Müde rieb ich mir die Augen und schaute sie dann an.
„Aha, wie spät is es?", nuschelte ich müde.
„Acht Uhr und wir sollten noch irgendwo frühstücken", teilte mir Alice fröhlich mit.

Wir machten uns auf dem Weg zum gleichen Café, wo wir gestern auch schon waren.
Als wir in der Schlange standen, fragte mich Alice, was ich denn kaufen würde.
„Ich hab grad mal zehn Cent, was für gar nichts genug ist", gab ich niedergelassen zu.
„Kein Problem, dann zahl ich eben für dich", sagte sie entschlossen, „ist ein Croissant für dich gut?" Sie liess mir gar keine Zeit für eine Antwort und bestellte zwei Croissants.
Wir sassen an einem kleinen runden Tisch in der hintersten Ecke und assen unsere Croissants.

„Was jetzt?", fragte mich Alice.
Was jetzt? Als ob ich das wissen würde. Ich habe echt keine Ahnung. Wir könnten in die Schule gehen, nach Hause oder schwänzen.
„Wir könnten in die Schule, was wohl eine kluge Idee wäre, nach Hause, was ich nicht machen würde oder heute einfach die Schule schwänzen, was uns zwar für heute verschonen würde, aber dafür noch mehr Probleme geben würde", sprach ich meine Gedanken laut aus. Ich schaute sie fragend an un wartete auf ihre Antwort.
„Gut, wir gehen in die Schule", entschied sie.

So machten wir uns auf den Weg zur Schule. Wir kamen natürlich zu spät, da die Schule bereits um 7:35 anfing und wir erst um acht Uhr aufgestanden sind.

„Wo wart ihr?" donnerte unsere Lehrerin als wir das Klassenzimmer betraten.
„Ich habe verschlafen", sagte Alice schnell (das war nicht mal eine Lüge).
„Und du?", drehte sie sich zu mir.
„Ich habe Alice gestern versprochen, dass ich vor der Schule auf ihr warte", log ich.
„Ach so, und kam es dir denn nicht in den Sinn, dass es klüger wäre, in die Schule zu kommen?", fragte sie und hob ein Augenbraue hoch.
„Versprechen bricht man nicht. Das haben sie uns selber vor ein paar Jahren in Ethik beigebracht", erklärte ich mich.
„Jetzt ist es also noch meine Schuld?!", schrie meine Lehrerin, „nach der Schule bleibt ihr beide da!"

Während dem Unterricht schliefen Alice und ich fast ein. Vier Stunden Schlaf sind nicht viel.
Nach der Schule blieben wir also noch da.
Wir mussten vier verdammte Seiten darüber abschreiben, wie sich ein braves Mädchen zu benehmen. Das ganze war ungefähr mit Schriftgrösse 12 geschrieben. Während dem Schreiben musste mir ein paar mal ein Lächeln verkneifen.

Mädchen sollten bei einer Diskussion nicht viel reden. Anstatt sollten sie Fragen stellen oder interessiert zuhören. Zu viel Gerede schätzt niemand und es lässt einem überflüssig wirken.
Mädchen helfen beim Haushalt mit. Es ist praktisch und wird zu Hause von den Eltern wertgeschätzt. So bereiten sie sich auch auf ihr späteres Leben vor. Männer mögen es, wenn die Frau weiss, wie man den Haushalt erledigen muss und dies auch tut.

Das waren nur Beispiele. Ernsthaft, es gibt heutzutage keine einzige Mädchenschule, bei der man immer noch so etwas lehrt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Bücher noch aus den 40er Jahre stammen oder so.
Nachdem wir alles abgeschrieben haben, liess uns unsere Lehrerin, mit einem letzten strengen Blick, gehen.

„Ich denke, ich sollte jetzt nach Hause gehen", sagte Alice nicht besonders entschlossen.
„Gut, mach das. Ich glaub, ich gehe jetzt auch nach Hause", entschied ich mich.
„Danke. Ich werde das nie vergessen. Vielleicht erzähle ich davon meinen Enkelkindern, als das Spannendste, das ich je erlebt habe", flüsterte sie, umarmte mich und ging zu der Haltestelle.

Ich machte mich auch auf dem Weg. Meine Hände zitterten, aus der Angst vor meinen Eltern. Zur Beruhigung zündete ich mir eine Zigarette an. Langsam atmete ich den Rauch ein und sah zu, wie wie der Rauch nachher aus meinem Mund quoll. Als ich die ganze Zigarette geraucht habe, fühlte ich mich schon viel besser. Jetzt war ich bereit, mich meinen Eltern zu stellen. Dachte ich zumindest.

Die erste Zigarettenschachtel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt