19) hope

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Jin p.o.v

"Wir haben ihm jetzt Beruhigungs- und Schlafmittel gegeben. Eigentlich sind wir da eher dagegen, aber es war ein Notfall. Er hatte sich wirklich nicht mehr unter Kontrolle.", informiert mich Luna, während mir der für uns verantwortliche Arzt das Blut von meiner aufgeplatzen Lippe abtupft.

Ich nicke nur leicht mit dem Kopf.

Die Jungs haben nach Namjoons Aktion direkt einen Arzt für mich gerufen. Nun sitze ich hier in einem separaten Raum, welcher -ausser in Norfällen wie diesem natürlich- nur für den Arzt zugänglich ist.

Ich habe bis jetzt noch kein Wort gesagt und ich konnte bis vor Kurzem auch gar nichts anderes tun, als einfach still vor mich hinzuweinen.

Es ist nicht die geplatzte Lippe oder mein schmerzender Kiefer, der mich zum Weinen bringt. Viel eher ist es der Schmerz, der nun innerlich in mir herrscht.

Auch wenn ich gegen aussen hin immer offen und lustig wirke, bin ich doch ein sehr sensibler Mensch... Ich ertrage die Vorstellung gerade echt nicht, dass mich jemand geschlagen hat. Es tut mir richtig weh im Herz.

Namjoon, der mich sonst immer so liebevoll anlächelt, hatte vorhin einen Gesichtsausdruck, der nicht mehr menschlich war.
Ich hatte richtig Angst...

Wäre es besser gewesen, wenn ich mich nicht eingemischt hätte?

Bin ich ihm jetzt nach dieser kurzen Zeit hier schon auf die Nerven gegangen?
Das war das Letze, das ich wollte. Ich hätte nie gedacht, dass ich der Grund für seinen ersten Wutausbruch sein würde...

"Jin?"

Ich sehe auf und blicke in das Gesicht von Luna. Sie sieht mich mitfühlend an und setzt sich auf den Stuhl vor mir.

Eine Träne läuft mir wieder die Wange hinunter und ich hasse den Fakt gerade, dass ich so nahe am Wasser gebaut bin. Schnell wische ich mir die Träne mit meinem Ärmel weg und sehe auf meine Hände runter.

"Hey...", sagt sie ruhig und hebt mein Kinn vorsichtig an, damit sie meine Wunde betrachten kann. "Tut es noch fest weh? Der Arzt könnte dir Schmerzmittel geben..."

"Das ist nicht nötig. Es tut nicht fest weh, aber danke.", antworte ich schnell mit leicht heiserer Stimme.

Ich sehe ihr in die Augen und ich kann sehen, wie sie überlegt. Es ist, als würde sie etwas sagen wollen, sich aber nicht sicher ist, ob das mir jetzt weiterhilft.

Als eine Art Bestätigung lächle ich sie leicht an und sie seufzt kurz. Sie lehnt sich etwas zurück und sieht aus dem Fenster.

"Weisst du...", beginnt sie, "Ich kenne Namjoon schon länger, weil ich vor dem Einzug bereits ab und zu Therapien mit ihm durchgeführt habe. Ich weiss genau, dass er das nie gewollt hätte. Er war vorher nicht sich selber. Das war seine psychische Krankheit... Er ist krank. Vielleicht mehr, als wir alle bislang vermutet haben. "

Ich nicke nachdenklich mit dem Kopf. Mein Hals schnürt sich wieder zusammen und ich blicke ebenfalls aus dem Fenster.
Der Arzt ist mittlerweile gegangen. Er hat Luna wohl angemerkt, dass sie mit mir alleine sprechen wollte.

Sie fährt fort: "Heute ist etwas mit Namjoon passiert, was wir eigentlich mit allen Mitteln verhindern wollten. Die Therapie hat ihm heute nicht geholfen, sondern alles nur noch schlimmer gemacht... Okay, so kann man das auch nicht direkt sagen, denn helfen tut die Therapie ganz bestimmt. Aber das geht natürlich über einen längeren Zeitraum hinaus und momentan muss Namjoon eine echt schwierige Phase durchmachen. Es ist der schnellste Weg."

Mitleid macht sich in mir breit und ich muss unterdrückt schluchzen.

Vor allem fühle ich noch etwas: Scham.
Jeder hier hat grössere Probleme als ich und ich meckere hier über meine harmlose Schlafstörung? Ich habe hier eigentlich echt nichts zu suchen...

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