Erste Annäherung

807 54 0
                                    

„Und was machen die Fälle? Habt ihr schon einen Verdächtigen?" hakte Herfjǫtur nach, in dem offensichtlichen Versuch, die peinliche Stille zu verdrängen. Aufmerksam sah sie mich mit ihren grünen Augen an.

„Na ja, ich bin im Moment ja in Beurlaubung, wegen des Auftrags. Du weißt schon. Ich kann froh sein, das mein Chef auch ein Mythosnachkomme ist und mich versteht. Ansonsten wäre ich längst gefeuert." ich zog eine Grimasse. „Aber meine Kollegen sind an den Fällen noch dran. Und halten mich auf dem laufenden."

„Das ist gut." sie nickte zufrieden.

„Moment mal..." Riley sah mich an. „Was für Fälle? Wovon redet ihr?"

„Von meiner Arbeit." erklärte ich ihr. „Ich bin Detektiv im Seattle Police Departement."

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Hast du gar nicht erwähnt."

„Wann sollte ich das denn bitte machen? Nachdem du mich entführt hast und mir aus den weg gegangen bist?"

„Ich bin dir nicht aus den Weg gegangen. Ich hatte Arbeit zu erledigen." kühl sah sie mich an.

„Ausrede, du hast stattdessen deine Gehilfinnen geschickt." ich grinste sie an. „Die waren auch sehr unterhaltsam."

„Taylor, kann ich dir eine Frage stellen?" Snows eisige Stimme, ließ mich zusammen zucken.
Ich kannte diese Frau so lange ich Riley kannte, aber dennoch war Snow ein ganz ganz anderes Kaliber. Diese Frau machte mir Angst. Denn sie war ziemlich unberechenbar.

Ich schluckte. „Natürlich."

„Bist du nicht sauer?" hakte sie nach. „Nach all den Jahren, die sie ihren Tod vorgetäuscht hat und jetzt wieder hier steht, müsstest du da nicht sauer und verletzt sein. Du hast alles für sie getan. Du hast damals auf sie aufgepasst, als sie es nicht konnte und weg von uns ist. Und sie lässt dich stehen und belügt dich 200 Jahre lang. Sie tat nichts für dich" sie kniff ihre Augen zusammen.

Sofort spürte ich, wie die Stimmung sich zu einen Pulverfass umwandelte.

Ich warf einen kurzen Seitenblick auf Riley, die jedoch ihre Mutter versuchte in Grund und Boden zu starren.

„Nun." sagte ich schließlich in die Stille hinein. „Natürlich bin ich sauer und verletzt. Aber sie ist Riley. Sie ist meine beste Freundin und ich habe einst einen Schwur abgelegt immer für sie da zu sein. Ich sehe das gute in einen Menschen und ich weiß auch, das nicht jeder Mensch perfekt ist. Jeder hat seine Fehler."

Daraufhin nickte Snow nur und sah dann ihre Tochter an. „Hast du uns was zu erklären?"

Das war mein Stichwort zu gehen. Ich wollte lieber nicht weiter hier sitzen. Die drei mussten das unter sich klären.

Ich sah zu Herfjǫtur. „Mir fällt gerade ein, ich muss dringend Thyra noch eins auf die Schnauze geben." mit den Worten stand ich vom Tisch auf.

Herfjǫtur nickte verstehend. „Wenn du Hilfe brauchst, du weißt wo du mich findest."

Schmunzelnd nickte ich. „Danke, Miss B."

Eilig nahm ich den Teller und verschwand aus dem Wohnzimmer. In der Küche räumte ich den Teller weg und schnappte mein Handy, das auf der Theke noch lag um die drei alleine zu lassen.

„Taylor!" Riley hielt mich im Flur auf, in dem sie meinen Arm griff.

Ich fuhr herum. „Ja?"

„Ich..." sie biss sich auf ihre Unterlippe. „...bleib hier."

Es war offensichtlich das ich gerade mit der echten Riley sprach. Nicht mit Königin Sulveig, nein mit Riley. Meiner Riley.
„Ry..." ich sah sie nun sanfter an. „...du musst das alleine klären. Es hilft nicht wenn ich dabei bin. Ganz im Gegenteil. Deine Eltern wollen Antworten auf ihre Fragen und die haben sie mit recht verdient. Jetzt musst du dich dem stellen."

„Danke." gab sie schließlich von sich.

Ich zog die Augenbrauen hoch. „Wieso Danke?"
„Weil du noch mit mir redest."

Ich sah sie ernst an und hob meine Hand mit dem Freundschaftsring. „Ich habe dir wie gesagt mal was versprochen. Mag sein das ich auch viele Fehler gemacht habe, aber trotzdem werde ich immer für dich da sein. Auch wenn ich verletzt bin. Auch wenn ich nicht ganz den Grund verstehe, warum du dich nie gemeldet hast. Ich versuche es. Weil du mir wichtig bist und das weißt du."

Nachdenklich sah sie mich an und dann auf einmal schlang sie ihre Arme um mich. Überrascht und mit klopfenden Herzen erwiderte ich ihre Umarmung feste. Legte meine Arme um ihren Nacken. Während sich eine unfassbare Wärme in meiner Brust ausbreitete.
„Ich werde es dir erklären, wenn ich soweit bin." murmelte sie an mein Ohr. Ihr heißer Atem glitt meinen Hals entlang und verursachte Gänsehaut, die ich nicht verstecken konnte.

Ich machte einen schritt näher an sie, so das wir uns fast vollständig berührten und sog ihren Geruch auf. Nach Wald und Meer. Ein Geruch der mir so vertraut gewesen war. So vertraut das ich meinen Kopf seufzend in ihrer Halsbeuge versteckte und mich in ihrer Umarmung fallen ließ. „Ich vermisse meine beste Freundin." sagte ich leise und rau.

Ihre Arme schlangen sich enger um mich. „Und ich vermisse meine beste Freundin auch. Ich weiß nur noch nicht, wie ich das wieder gut machen kann."

„Versuche es." sagte ich leise und bemerkte wie sie sich förmlich an meinen Rücken festkrallte. Als würde sie den Halt an mir suchen, wie ich es an ihr tat.

Ich wusste nicht wie lange wir dort standen, ich wusste nur, das es gut tat, zu wissen, das Riley noch immer dort drin war.
Als ich mich langsam von ihr löste und in ihre Augen sah, blieb mir der Atem kurz weg. Ich war ihr so nah, das ich die braunen sprenkel, ihrer ehemaligen Augenfarbe, in dem Silber entdecken konnte. So nah, das ich ihren Atem in meinem Gesicht spürte.

Unweigerlich glitt mein Blick hinunter auf ihre Lippen. Hatte sie schon immer so wahnsinnig schöne Lippen gehabt? Scheiße verdammte.

Doch dann unterbrach Riley den Moment. Sie trat räuspernd von mir weg.

„Also dann..." sie kratzt sich Kopf und wirkte leicht verlegen.

„Du schaffst das schon." sagte ich und klopfte auf ihre Schulter, in der Hoffnung diesen seltsamen Moment aufzulockern. „Ich gehe Ikaria suchen."

„Sie müsste gerade auf Laufey aufpassen."

„Du hast Fey noch?" begeistert sah ich sie an.

Und tatsächlich brachte sie das zum leichten lächeln. Zwar nur kurz, aber so das man sogar ihre Grübchen an den Wangen sehen konnte. Sie sah damit wirklich hübsch aus.

„Natürlich." sagte sie. „Die beiden müssten bei ihr sein. Eine Straße weiter das erste Haus mit den großen Garten."

„Alles klar danke." sagte ich eilig und verschwand schnell.

Fey war der kleine Fenriswolf, den ich und Riley damals verletzt aufgefunden hatten. Ich war da vielleicht 17 gewesen. Wir hatten ihn mitgenommen und verarztet und am ende, hatte Fey sich so wohl bei Riley gefühlt, das er sich nicht mehr auswildern lassen hatte. Dabei gehörten Fenriswölfe zu den gefürchteten nordischen Wildwesen, die gerne auch mal einen Mythosnachkommen verspeisten. Aber Fey, na ja, er war eine Ausnahme. Um so mehr freute ich mich, das er noch am leben war. Ich wollte den kleinen Wolf endlich wieder sehen.

Ice and FeelingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt