Raben

30 0 0
                                    


Jon Schnee

Er hatte Recht. Es war ein langer Ritt. Je weiter südlich sie kamen, desto dünner wurde die Schneedecke, die die Erde und all seine Narben verbarg. Denn mit der sich zurückziehenden weißen Schicht, kamen die Spuren des Krieges wieder zum Vorschein. Ob verbrannte Felder und Höfe oder Kadaver. Tote Bauern und Ritter oder Vieh, sie alle zogen die Raben an, die sich an den frisch gehaltenen Fleisch krächzend ergötzten. 

Nach fast zwei weiteren Wochen, in denen sie in den Wäldern schliefen und meistens nachts weiter ritten. 

Sie erreichten ein gewaltiges hügliges Feld  und Jon hatte noch nie so viele dieser Schwarzen Vögel auf einmal gesehen. Zumindest sah er die meisten auf dieser Reise gen Süden, doch hier in der Umgebung von Harrenhall  waren sie so Zahlreich wie nie. Sie sprangen von einem Pferdekadaver zum Nächsten und scheuchten sich dabei gegenseitig auf. Das bunte Treiben zog ihn so in den Bann, dann er sogar nur halbherzig mitbekam wie sein eigenes Pferd stehen blieb. 

Sie könnten einfach davonfliegen. Alle ihre Feinde und Probleme auf dem Boden zurücklassen. Er aber nicht. Er hatte sich hals über Kopf in diese Situation gestürzt in dem Wissen nie wieder zurückkehren zu können. Jeder normale würde Probleme lösen oder sie hinter sich lassen. Nur er musste sich natürlich wieder neue schaffen. Raben sind unantastbar in der Luft....

Ein Zischen erfüllte das Feld und ließ Jon nach Luft schnappen, als er sah wie einer der schwarzen Vögel mit einem Pfeil an den Bauch eines der toten Schlachtrösser gehängt wurde. Der plötzliche Angriff ließ seine Artgenossen krächzend aufflattern und davonfliegen. Unantastbar in der Luft. Aber nicht am Boden.

Einer der Gefährten, dessen Pferd vor drei Nächten verendet war, warf sich seinen Bogen um die Schultern, während er auf das frisch geschossene Tier zutrat. Energisch fing er an sein Pferd anzutreiben, wobei er aus dem Augenwinkel den Mann beobachtete, der jetzt mit seinem Pfeil und dem aufgespießten Vogel zu ihnen zurück auf den Weg kam. 

Sie kamen noch an einigen weiteren Feldern und weiteren Toten vorbei und jedes Mal schoss der Mann, mit dem Bogen, einen Pfeil auf die fressenden Raben. Nicht jedes Geschoss fand sein Ziel, doch am Ende jedes Tages hatte er genug Pfeile mit den toten Vögeln um die Schulter hängen, dass Jon hätte meinen können, er trüge einen Federmantel. Am ersten Tag, wusste er noch nicht, wofür er das machte. Am Abend fand er es heraus, als er von den versorgten Pferden kam und die gerupften Vögel über einem Feuer brieten, während der Bogenschütze seine Pfeile vom Blut säuberte. 

Langsam kam Jon auf die Feuerstelle und die darum herum sitzenden Reiter zu und ließ sich auf seinen Pelzmantel nieder. Das Feuer knisterte und erfüllte die Luft mit Wärme, während alle anderen schwiegen und schmatzen. Denn kaum war Jon näher heran getreten, verstarb alle Form des ausgelassenen Treibens zwischen den Gefährten. 

Etwas abseits unterhielten sich Rhaegar und Ser Barristan, jedoch nicht laut genug um Jons Ohren über das Lagerfeuer und das Schweigen zu erreichen.

Der Bogenschütze, mit dem Pelzmantel reichte Jon einen bereits gerösteten Vogel. "Danke.", nickte Jon und vergrub seine Zähne sofort im lauwarmen bitteren Fleisch. 

"Also? Ein Nordmann in der Hauptstadt. Schon wieder.", fing einer an. Er hatte ein langes Pferdegesicht und struppiges graues Haar unter einer löchrigen Mütze. Genau wie Jon, saß er auf seinem Pelzmantel, den er über seiner Rüstung trug.

"Pass auf, dass es für dich besser endet, mein Lieber.", kam es von einem anderen, der viel jünger war als der alte neben ihm. Um seinen Worten noch einmal Gewicht zu verleihen, zeigte er mit seinem aufgespießten Essen auf Jon. Es sah fast so aus, als würde er die Luft erstechen wollen, so kräftig wie er die Leere stach.

Game of DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt