Kapitel 5

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Die Nacht habe ich auf einem Baum verbracht. Irgendein Vogel reißt mich laut schreiend aus meinem mehr oder weniger erholsamen Schlaf. Müde strecke ich meine ausgekühlten Glieder. Ich sollte schnell weiter, um mich wieder aufzuwärmen. So langsam brauche ich auch mal Wasser und etwas zu essen. Aber ich möchte aus keinem Bach trinken, da alle immer sagen, dass das Wasser noch vergiftet sein kann. Das orangene Licht der Sonne verschwindet ziemlich schnell und die Mittagssonne heizt den Wald ordentlich auf. Ich brauche eine Pause. Wenigstens eine kurze. Sonst klappe ich zusammen. Erschöpft setze ich mich in den Schatten von einem Baum und schließe die Augen. Einen kurzen Moment dreht sich alles und meine Augen brennen leicht. Ich brauche dringend Wasser.

Ein Knacken lässt mich aus meinen Döszustand aufschrecken, doch ich kann nichts erkennen. Ich sollte sowieso weiter. Müde komme ich auf die Beine und will loslaufen, doch ein Rascheln lässt mich erstarren. Schnell gucke ich nach Fluchtmöglichkeiten, aber die Äste sind zu hoch. Also bleibt mir, je nach dem was es ist, nur das Wegrennen. Ich mache einen Schritt nach vorne und werde im nächsten Moment wieder zurückgezogen. Eine grobe Hand legt sich auf meinen Mund und erstickt meinen Schrei. Panisch trete ich um mich, doch irgendwann gebe ich auf. ,,Sieh an, sieh an. Was macht denn so ein hübsches Mädchen wie du so ganz alleine hier?" Ich spüre den Atem den Typs in meinem Nacken. ,,Rede. Was tust du hier?" Er schubst mich nach vorne. ,,Bin abgehauen", sage ich so selbstbewusst wie möglich. Ich sehe mir die Männer vor mir an. Alle mittelern Alters schätze ich mal. ,,Da freut sich der Boss bestimmt über unseren Fund. Und wir haben etwas Gesellschaft." Unsanft werde ich wieder hochgezogen. ,,Los. Wir haben einen weiten Weg vor uns." Stolpernd gehe ich den anderen hinterher. Ich muss rausfinden, wer sie sind. Und am besten abhauen.

Lange laufen wir und mein Hals wird immer trockener. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus. ,,Darf ich vielleicht etwas Wasser von euch haben?" ,,Wieso sollten wir das tun?", fragt der Mann hinter mir, welcher vermutlich Noah heißt. ,,Bitte. Ich hatte seit gestern nichts mehr." ,,Wir sind ja keine Unmenschen", sagt einer, der sich bis jetzt etwas zurück gehalten hat und drückt mir einen Wasserkanister in die Hand. Dankbar schraube ich ihn auf und trinke. ,,Vielen Dank." Ich gebe den Kanister zurück und konzentriere mich wieder auf den Weg. Bis in die späten Abendstunden laufen wir durch den Wald. ,,Hier bleiben wir über Nacht", beschließt Noah, welcher scheinbar der Anführer ist. Die anderen sieben Männer nicken und schlagen das Nachlager auf. Noah kommt mit Seilen auf mich zu. ,,Damit du uns nicht wegrennst", grinst er und dreht mir die Arme auf den Rücken. Leise keuche ich auf. Er stößt mich auf den Boden und bindet meine Füße zusammen. Anschließend knotet er das Seil an einer Wurzel fest. Er geht weg und kommt kurz darauf mit Brot und einem Wasserkanister zurück. ,,Mund auf." Finster sehe ich ihn an. Lieber hungere ich, als mich von irgendeinem Kerl füttern zu lassen. ,,Mach schon, ich hab nicht ewig Zeit." Schweigend lasse ich meinen Mund zu. ,,Dann halt nicht", knurrt er und geht wieder zurück zu den anderen. Ein paar Minuten später kommt ein anderer, ich glaube er hieß Vincent. ,,Wir laufen morgen noch den halben Tag, es wäre besser, wenn du etwas essen würdest." ,,Dann mach mich los. Ich lass mich garantiert nicht von euch füttern." ,,Na schön. Nur die Hände", willigt er ein und bindet mich los. Ich nehme das Brot und fange an darauf rumzukauen. Immer wieder starrt Noah zu uns rüber. Er vertraut mir nicht. Klar, würde ich an seiner Stelle auch nicht machen. ,,Wo gehen wir eigentlich hin?", frage ich Vincent, welcher sich wieder an meinen Armen zu schaffen macht. ,,Carimte- Clan." Automatisch erhöht sich mein Puls. Abwesend nicke ich. ,,Verräts du mir deinen Namen?", fragt er freundlich. ,,Würdest du ihn mir sagen, wenn ich dich mit einer Gruppe gefangen nehmen würde?" ,,Du hast recht. Blöde Frage. Schlaf gut." Er verschwindet wieder und setzt sich zu den anderen. Ich habe ein echtes Problem. Ich kann nicht abhauen, komme nicht an mein Messer und werde gerade von Carimten verschleppt. Meine Erzfeinde. Und das alles nur, weil ich mich mit Dad gestritten habe. Er hatte Recht. Die Welt hier draußen ist gefährlich. Gefährlich und grausam. Doch ich wollte nicht auf ihn hören. Muss es wie immer am eigenen Leib erfahren. So war ich schon immer und habe Dad und Liam damit so oft zum verzweifeln gebracht.

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