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Inho kramt durch seine Taschen und Schränke. Irgendwo ist vielleicht noch seine Mitgliedskarte vom Fitnessstudio zwischen den ganzen anderen Karten und Dokumenten, die er mitgenommen hat. Er war ewig nicht mehr dort. Fast so lange, wie er verheiratet ist. War. Nein, ist, die Scheidung ist ja noch nicht durch. Aber schon bald ist er es nicht mehr und darauf freut er sich.

Er will wieder trainieren, sich um sich selbst und seinen Körper kümmern und wieder zu jemandem werden, der mit sich und seinem Leben zufrieden ist. Vor allem will er dem Alkohol abschwören.

Im Bett liegend hat er am Handy diverse mehr oder weniger seriöse Selbsteinschätzungstests gemacht, bei denen fast immer dasselbe Ergebnis kam: Er ist eventuell nicht alkoholsüchtig, aber definitiv auf dem besten Weg dahin. Natürlich sollte er sich nicht auf solche Tests aus dem Internet verlassen, aber für den Moment gibt es ihm einen Anflug von innerer Stärke und Willenskraft, es zu schaffen. Wie gut, dass passende Tipps gleich mit auf den Interseiten stehen.

Am besten gefallen ihm die von einem Programm namens "Kontrolliertes Trinken", kurz kT. Dieses Konzept ist natürlich nicht für jeden geeignet, doch es gefällt ihm deutlich besser als der Zwang zur Abstinenz. Trockene Alkoholiker dürfen ja nie wieder trinken, weil sie sonst wieder rückfällig werden. Beim kT hingegen kann er lernen, das Bedürfnis nach Alkohol zu kontrollieren und wieder mit freiem Willen zu entscheiden, wann und wie viel er trinkt, statt stets den ganzen Tag lang ungeduldig auf die erste Bierdose am Abend zu warten. Manchen Leuten hilft es gut, den Konsum deutlich zu reduzieren statt ganz zu verzichten, nachdem sie sich klargemacht haben, wie viel sie eigentlich zu sich nehmen.

Als Inho sich seine "üblichen" Alkoholmengen durch den Kopf gehen lässt, ist er durchaus entsetzt über sich selbst. Mit so viel hätte er nicht gerechnet. Doch da er nicht mehr mit dem Grund seiner Trinkerei zusammenleben muss, wird das bei ihm ganz gut laufen, da ist er sicher. Wenn es nicht klappt, sucht er einen Arzt zur Suchtherapie auf, so wie es auch auf den Internetseiten empfohlen wird.

Aber als erstes ist die beste Taktik für ihn Ablenkung von Stress und Langeweile. Er braucht eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio erscheint ihm mehr als geeignet dafür. Nur leider findet er weder den Vertrag noch die Karte.

Eigentlich sollte er längst unterwegs in die andere Wohnung sein. Ein zufälliger Blick auf sein Handy bringt ihn zum Fluchen. Zwei verpasste Anrufe von seiner künftigen Exfrau. Zum Glück erst vor zwei Minuten.

"WO BIST DU??", schreit sie sofort, als er zurückruft. Offensichtlich nicht da, aber diesen Kommentar verkneift er sich. "Ich hab meinen Schlüssel auf Arbeit vergessen, du musst mich reinlassen!", regt sie sich auf, als wäre er Schuld daran.

"Tja. Ich bin nicht zu Hause."

"Toll." Sie legt einfach auf. Er ruft nochmal an. "WAS?", schnauzt sie aggressiv.

"Wie kommst du jetzt rein?"

"Ich frag Miki. Die hat den Ersatzschlüssel." Wieder legt sie auf und Inho schüttelt den Kopf. Eine Freundin hat einen Schlüssel, aber der eigene Mann, der selbst in der Wohnung wohnt, hat keinen. Über diese Ironie könnte er fast lachen, wenn es ihn nicht so sauer machen würde.

Genervt macht er sich auf den Weg. Ihm graut es vor dem Gespräch, doch er muss es ihr persönlich sagen. Eine simple Textnachricht wäre zwar angenehmer und sicherer, aber es wäre einfach nur feige. Außerdem will er die Genugtuung haben, ihr entsetztes Gesicht zu sehen, wenn sie feststellt, dass sie ihn nicht mehr unter ihrer Kontrolle hat.

Dort angekommen macht sie natürlich zunächst nicht auf, vielleicht um es ihm heimzuzahlen. Hat sie eigentlich schon vergessen, dass sie ihn früh eingeschlossen hat und er ihr gar nicht hätte öffnen können? Endlich geht die Haustür auf. Widerstrebend erklimmt er die Treppe und durchschreitet die Wohnungstür, die sie ihm offen gelassen hat.

"Rest Pizza steht auf dem Tisch, falls du willst. Ist aber kalt", meint sie und rauscht an ihm vorbei aus der Stube in ihr Schlafzimmer.

"Warte mal."

"Was?", blafft sie ihn an. Ungeduldig, als würde er sie bei etwas Hochwichtigem stören, richtet sie ihren Blick auf ihn.

"Ich ziehe aus."

Frisch verliebt und halb geschieden - Hyunho FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt