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"Ausgerechnet dort?", fragt Inho und runzelt die Stirn. Das Stadtviertel, das der Anwalt vorschlägt, ist nicht gerade der Traum von Wohngegend.

Herr Han schmunzelt. "Ich weiß, das Viertel hat keinen guten Ruf, aber so schlecht ist es da nicht. Unten bei den ganz hohen Häusern ist es wirklich nicht toll, da gibt es einige zwielichtige Gestalten, aber weiter oben, den Hügel am Stadtrand hinauf, wohnen vorrangig Rentner, Studenten und junge Familien, vor allem bei den ganzen Straßen mit Blumen- oder Baumnamen. Da gibt es auch schöne Grünanlagen. Ahornstraße zum Beispiel oder Pflaumenweg, da ist es zur Pflaumenblüte besonders schön, und einen Monat später beginnt im Kirschenweg nebenan die Kirschblüte", führt er an, doch Inho scheint noch nicht überzeugt. "Der Hauptvorteil ist die günstige Miete. Sie können sich ja zunächst eine Einraumwohnung nehmen, Hauptsache Sie haben erstmal was Eigenes, und sich dann später in Ruhe nach etwas anderem umsehen, das eher Ihrer Vorstellung entspricht."

"Mhm... das klingt vernünftig und vor allem machbar."

"Ich schreibe Ihnen den Namen der Wohnungsbaugesellschaft auf." Der Anwalt zückt einen bunten Notizzettel und notiert die Abkürzung darauf, unter der man deren Internetauftritt findet. "Es gibt natürlich noch eine Sache..."

"Was denn?"

"Sie müssten dort Mitglied werden und Geschäftsanteile zahlen, bevor Sie eine Wohnung bekommen. Das kann auf einen Schlag natürlich sehr viel sein, aber es rentiert sich durch zahlreiche Annehmlichkeiten. Können Sie das finanziell stemmen?" Herr Han nennt ihm eine beispielhafte Summe, die ein halbes Monatsgehalt beträgt.

"Uff...", macht Inho. Seine derzeitige Miete ist um noch ein Drittel höher. Das reicht vorne und hinten nicht.

"Sie müssten sicherlich weniger bezahlen, wenn Sie erstmal nur eine kleine Wohnung nehmen. Und ich frage mal nach, ob es die Mitglieder-werben-Mitglieder-Aktion noch gibt. Da lässt sich bestimmt noch was regeln." Zuversichtlich lächelt er Inho an und bemerkt die neu aufgetauchten Zweifel in dessen Gesicht. "Ich wohne auch da. Sonst würde ich es nicht empfehlen, wenn ich nicht wüsste, wie es dort ist."

"Achso. Ja dann."

Sie klären noch alles weitere, bis eine energische, hübsch zurechtgemachte Frau in einem weit ausgeschnittenen Zweiteiler an die Tür klopft und ihn an einen wichtigen Termin erinnert. Plötzlich fühlt Inho sich, als hätte er Herrn Han Unmengen seiner wertvollen Zeit gestohlen. "Entschuldigen Sie bitte. Wir sitzen schon so lange hier, dabei verdienen Sie an Beratungen bestimmt fast gar nichts..."

"Das macht nichts. Wenn ich meinen Job nur des Geldes wegen erledigte, würde ich am anderen Ende der Stadt bei den Lees anfangen. Ich hoffe, wir haben nichts vergessen? Ansonsten rufen Sie einfach an."

"Ja. Ja, mache ich. Also dann... Kann ich bar bezahlen?"

"Klar. Brauchen Sie eine Quittung?"

"Ähmmm..."

"Ich hebe sie hier auf, wenn Ihre Frau nichts davon wissen soll."

"Ja, gut." Inho bezahlt die Beratungsstunde, die ihm eher wie Kummerkasten plus Lebenshilfe vorkam und außerdem fast viermal so lange dauerte wie ursprünglich vereinbart, doch Herr Han rechnet nur die Grundgebühr ab. Dann trinkt er den Rest des mittlerweile kalten Kaffees aus und steht unschlüssig auf. Herr Han erhebt sich ebenfalls und begleitet ihn zur Tür.

"Geben Sie mir Ihre Nummer?", fragt er und hält Inho sein Diensthandy hin. Inho zögert nicht. Er nimmt es sofort entgegen und tippt sie ein ohne sich zu fragen, wozu der Anwalt sie überhaupt braucht.

"Meine Nummer haben Sie ja? Auf der Webseite steht sie auch."

"Ja."

"Gut. Melden Sie sich bei mir, wenn etwas ist. Rufen Sie einfach an, und falls ich mal nicht erreichbar bin, rufe ich zurück, okay? Aber ich bin in jedem Fall für Sie da."

"Vielen Dank!"

Frisch verliebt und halb geschieden - Hyunho FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt