Horizont Erziraphael&Crowley || Ff

[6] Der Gruß der weiter steigenden Feindeszahl

Schuld war etwas mit dem der Dämon immer umgehen konnte. Es war fast schon erfreulich wenn er etwas verbockt hatte und alle ungeheuerlich genervt deswegen waren. Er lachte über ihre Gesichter, über die Reaktionen und über die Beschimpfungen.

Etwas verbockt zu haben, war etwas böses. Und etwas böses zu tun, war für einen Dämon wundervoll. Deshalb empfand er so etwas, wie Schuld nie als etwas schlimmes.

Doch nun? Schon seit zwanzig Minuten sah er ins Gesicht des Engels und hoffte jede Sekunde, dass dieser die Augen aufschlug, blinzelte und Crowley sagen würde, dass es ihm gut ging. Auch wenn er dabei lügen sollte und das wäre klar, denn Crowley hatte ihn immerhin fast entkörpert.

Als Erziraphael ohnmächtig geworden war, hatte Crowley ihn mit versteinertem Blick, eilig in sein Bett getragen, hatte dem Engel eine Hand auf den Bauch gelegt und die andere hatte der Dämon selber in die Hand genommen.
Er ließ sie nicht los. Drückte sie sanft und streichelte ihr behutsam den Handrücken.

,,Es tut mir so leid." flüsterte er mit Tränen in den Augen. ,,Es tut mir so so unendlich leid."

Er küsste sacht Erziraphaels Wange und schniefte.
Weinen. Ja. Das hätte er früher nie getan. Nicht um eine Person. Und schon gar nicht, um einen Engel.
Als er als Schlange im Garten Eden war, wurde ihm verkündet, Engel ja immer abgrundtief zu hassen. Um die Hölle zu provozieren, hatte er das Gespräch mit dem Erzengel aber doch aufgesucht und hätte nie gedacht, um ihn weinen zu müssen.

Er war zwar überrascht über die Art des Engels. Über dessen handeln und musste zugeben, dass er ihn schon ab da an mochte, aber um ihn weinen? Das Gefühl von Liebe bei ihm zu verspüren?

Sein vergangenes Ich, hätte das wahrscheinlich für ein Witz gehalten, doch nun saß er auf der Bettkante, ließ die Hand des Engels nicht los und beobachtete ihn mit Tränen und den Gedanken, ihn nicht gehen lassen zu können.

Das konnte er damals, als das Schwert sich in den Engel grub, auch schon nicht und jetzt würde er es erst Recht nicht können. Nicht, wo die Zeit begonnen hatte, in der sie sich beide im Klaren waren, wie der jeweils andere für ihn empfand. Nicht, wo sie nun die Chance hatten einander zu lieben.

,,Ist er schon wach?" ertönte Jagors Stimme hinter ihm.

Crowley machte sich nicht die Mühe sich zu Jagor umzudrehen. Nichts auf der Welt, hatte mehr Vorrang, als Erziraphael die volle Aufmerksamkeit zu schenken.
,,Nein." wisperte er voller Angst in der Stimme, als Antwort.

Jagor sah zu Boden. Crowley wusste einfach, dass er das tat.
,,Ich... ich weiß was du für ihn empfindest und ich schätze ich beginne es zu akzeptieren und deshalb... deshalb tut es mir wirklich leid für dich, Crowley."

,,Hör auf dich zu entschuldigen, Jagor." zischte Crowley leise. Er merkte was sich in ihm auftat. Etwas, dass er immer verhindert hatte zu fühlen.
,,Es ist meine SCHULD! Du hast mich gewarnt! Und ich Vollidiot war so egoistisch und habe nicht auf dich gehört."

Er legte vorsichtig Erziraphaels Hand ab auf's Bett und stand ohne ein Geräusch zu machen, zornig auf.
Seine Hände verkeilten sich in seinen Haaren.
,,Oh, um den Willen des verfluchten Satan! Ich habe gewusst, dass das passiert!"

Er begann leise im Schlafzimmer hin und her zu gehen.
Das Gefühl von Selbsthass breitete sich in seinem Kopf aus.

,,Ich habe es gewusst, Jagor! Ich habe gewusst, dass Dies Erziraphael töten will! Die Aufwallung bestand doch darauf! Die ganze Zeit! Ich habe es gewusst und habe ihn dennoch zu mir eingeladen."
Crowley sah Jagor mit Tränen und mit einem wutverzerrten Gesicht an.
,,Wie konnte ich ihn zu mir einladen, Jagor? Wir konnte ich nur?!"