•~Kapitel 9~•

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Mit brummenden Kopf sitze ich an meinem Schreibtisch, starre seit einer gefühlten Ewigkeit auf das immer noch nicht beschriebene Blatt Papier und versuche verzweifelt, meine nicht vorhandene Konzentration darauf zu lenken.

Diese blöde Strafarbeit für Mathe ist doch wirklich Scheiße... Wie soll ich etwas zusammenfassen oder nachholen, wenn ich nicht einmal weiß, wie das beschissene Thema funktioniert.

Mit einem resignierenden Seufzer verdränge ich die Gedanken an heute Vormittag, den ich zusammen mit Alice und Maggie verbracht habe, und schlage mein Mathebuch auf, in der Hoffnung darin irgendetwas nützliches zu finden. Jedoch bildet sich in meinem Kopf nur ein großes Fragezeichen, als ich auf die Formeln schaue.

Was'n Dreck... Aber gut, das sind wenigstens welche, die wir letzte Stunde noch mal an der Tafel stehen hatten...

Nach geschlagenen 45 Minuten setze ich den letzten Punkt hinter meiner Zusammenfassung.
So, Mr. Barker, Sie können mich mal, ich wiederhole jetzt mit Sicherheit nicht auch noch, was ich heute verpasst habe.
Mein Blick fällt auf meinen Wecker: 17:15 Uhr.
Außerdem kann ich das nicht auch noch machen, weil ich jetzt los muss.

Mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen und mein schlechtes Gewissen unterdrückend, springe ich vom Stuhl auf, schnappe mir die bereits gepackte Tasche von meinem Bett, mein Handy von der Komode und verlasse mit einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, mein Zimmer.
Vor der Haustür ziehe ich noch schnell meine ausgelatschten, aber dennoch bequemen Sneaker an und mit einem letzten „Bin jetzt weg!", fällt die Tür hinter mir ins Schloss.

Mit einem prüfenden Blick auf die Klingelschilder gehe ich die eine Stufe hoch und stehe direkt vor der Eingangstür des nicht mehr ganz so weißen Mehrfamilienhauses.

Als meine Augen an dem kleinen Schildchen mit der Aufschrift McCarthy hängen bleiben, drücke ich mit einem kribbelnden Gefühl im Bauch auf die dazu gehörige Klingel. Keine 20 Sekunden später erklingt das altbekannte Summen und ich drücke die schwere Tür auf, um anschließend  direkt aus der ersten Wohnungstür einer grinsenden Alice ins Gesicht zu schauen. Schnell laufe ich noch den kleinen Treppenabsatz, aus vier Stufen bestehend, hoch und bleibe vor Alice stehen.

„Na?" „Na?", antworte ich ihr, nun ebenfalls grinsend und erwiedere die kurze Umarmung. „Komm rein. m
Meine Mutter hat gerade mit dem Kochen angefangen. Ich hoffe, Pfannekuchen sind in Ordnung?", sagt Alice und schließt hinter uns die Haustüre. „Ich liebe Pfannekuchen", sage ich darauf hin mit einem begeisterten Funkeln in den Augen und ziehe meine Schuhe aus, um sie neben die anderen zu stellen.

„Alice? Ist deine Freundin schon da?", ertönt eine helle Frauenstimme und schon kurze Zeit später schaut eine vielleicht 45-jährige, rothaarige Frau mit Sommersprossen und einem wahnsinnig freundlichen Lächeln auf den Lippen aus einem Raum. Als ihr Blick auf mich fällt, wird ihr Lächeln noch einmal eine Spur breiter und sie tritt nun ganz zu uns auf den Flur.
„Wie ich sehe, schon", beantwortet sie sich ihre eben gestellte Frage selbst. Sie kommt auf mich zu und reicht mir die Hand.

„Hallo, du musst Mila sein. Es freut mich dich kennenzulernen." Augenblicklich verschwindet meine eben aufgekommende Nervosität und ich antworte ihr: „Hallo, Mrs. McCarthy. Vielen Dank, dass ich heute hier schlafen darf." „Aber gerne doch, Mila, und nenn mich doch bitte Lorraine. Bei Mrs. McCarthy fühl ich mich immer so alt", sagt sie und lacht. Dabei bilden sich kleine Lachfältchen um ihre Augen, die sie noch einmal sympathischer wirken lassen, als sie ohnehin schon ist.
„Okay, dann Danke Lorraine." „Immer doch. So jetzt muss ich aber weiter machen, sonst werden die Pfannekuchen ja nie fertig", sagt sie und verschwindet wieder in den Raum, der dann wohl die Küche sein muss.

Grinsend drehe ich mich zu Alice. „Ich mag deine Mutter", sage ich ihr. „Jup, sie ist echt die Beste. So, aber jetzt erstmal, damit du dich hier zurecht findest, eine Führung. Das ist die Haustür", sagt sie, verstellt dabei ihre Stimme und schaut mich an, wie ein alter Mann im Museum, der versucht, einem zu erklären, wie wichtig und bedeutend doch dieser eine Pinselstrich auf der sonst weißen Leinwand für die Menschheit sei.
Wir schauen uns an und brechen in Gelächter aus.

„... So, und das hier ist mein Zimmer", sagt sie und öffnet mir stolz die Türe. „Hier kannst du schlafen", sagt Alice und zeigt auf eine Matratze am Boden vor ihrem Bett. Mit einem zufriedenen Seufzer lasse ich meine Tasche auf den Boden plumpsen und setze mich auf die Matratze. „Gemütlich", ist das einzige was ich sage, bevor ich mich zurückfallen lasse und an die Decke starre. Als sich Alice neben mich legt, schaue ich sie an.
„Wie wollen wir das heute eigentlich machen? Ich meine, wir können doch schlecht einfach das komplette Zimmer deines Bruders auf den Kopf stellen und hoffen, dass wir den Schlüssel finden..." „Hm. Es gibt da den ein oder anderen Ort, wo ich mir vorstellen könnte, dass er da ist. Und wie schon gesagt, wenn wir ihn gar nicht finden, hol ich den Sprengstoff", sagt Alice und fängt beim letzten Teil ihres Gesagten an zu Grinsen. „Du bist doch total bescheuert", sage ich ihr nur und wir fangen beide an zu lachen.

Plötzlich werden wir durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen und nach einem kurzen 'Ja?' von Alice erscheint Lorraine im Raum.
„Also, die Pfannekuchen sind jetzt fertig und Belag oder Aufstrich findet ihr im Kühlschrank. Ich bin dann jetzt weg, wenn was sein sollte, könnt ihr mich einfach anrufen, okay? Es wird wahrscheinlich sehr spät werden... Ach ja, dein Bruder ist gerade noch im Bad, aber ich denke, der wird auch gleich weg sein." „Okay, Mum. Tschüss", sagt Alice. Schnell sage ich auch noch Tschüss und schon fällt die Zimmer- und kurz darauf auch die Haustür zu.
„So, wollen wir essen gehen?", fragt Alice mich und ich beantworte ihre Frage mit einem schnellen Nicken.

„Nutella und Marmelade stehen auf dem Tisch, willst du noch irgendwas anderes? Puderzucker, normaler Zucker?", fragt Alice mich und kramt dabei in einem der Küchenschränke herum. „Ich brauch nichts, danke. Hauptsache das Nutella ist da", antworte ich ihr grinsend.
„Du bist wirklich meine Seelenschwester Mila", sagt Alice während sie die Schranktüren wieder zumacht und sich mit einem „Nichts geht über Nutella", neben mich auf einen Stuhl fallen lässt.

Nach ca. 5 Minuten, in denen wir gerade essen, klingelt es an Tür. Wir beide stellen das Kauen ein, schauen erst uns missmutig, und anschließend unsere von Nutella triefenden Pfannekuchen in unseren Händen wehleidig an. Doch nach dem es ein zweites Mal klingelt, schluckt Alice ihren Bissen runter und fängt an zu schreien:
„Aiden, geh verdammt noch mal an die Tür, dass sind DEINE Freunde und die wollen etwas von DIR!!" Nach nicht mal zwei Sekunden schreit eine deutlich tiefere Stimme zurück:
„Ich kann gerade aber nicht, ich brauch noch zwei Minuten! Und jetzt beweg dich einfach und mach die Tür auf!!"

Hach ja, Geschwisterliebe...

Mit einem unzufriedenen Grummeln lässt Alice ihren Pfannekuchen auf den Teller sinken, wischt sich ihre Finger an einer Servierte ab und bewegt sich zur Tür. Als es plötzlich anfängt sturmzuklingeln, schreit Alice nur noch „Meine Fresse, ich komm doch schon!", und reißt mit einem „Jetzt hört auf, wie Irre hier rumzuklingeln", die Haustüre auf.
Man hört ein bisschen Rumgenörgel, einiges an Fußgetrampel, die Haustür wieder zugehen und dann erscheint Alice in der Küche und setzt sich wieder auf ihren Platz. Bevor sie wieder ein Bissen in den Mund nimmt, sagt sie den vier Personen, die gerade in der Küchentür erschienen sind, noch: „Aiden braucht noch zwei Minuten", und damit scheint das Thema für sie beendet zu sein.

Ich versuche den stechenden Blick von Thomas zu ignorieren, der auf mir liegt, seit dem er mich am Tisch gesehen hat und beisse ebenfalls wieder in meinen Pfannekuchen.

„Phillip, George... könntet ihr, bitte, aufhören auf UNSERE Pfannekuchen zu geiern? Danke", erklingt Alice Stimme, während ich meinen Blick weiterhin gesenkt halte.

Kann der Typ mal aufhören mich anzustarren? Was stimmt mit dem nicht?

„Aber Alice", fangen die Zwillinge gleichzeitig an zu quengeln. Alice jedoch scheint das Recht wenig zu interessieren, denn sie schüttelt nur entschlossen mit dem Kopf und zieht den Teller mit den Pfannekuchen zu sich heran. „Unser, verstanden", sagt sie noch ein Mal nachdrücklich.

ThomasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt