Ich weiß nicht mehr weiter. Als alles so unglaublich schön war, ist sie gestorben. Ein Herzinfarkt. Natürlich kann sie nichts dafür und ich hätte es nicht aufhalten können, aber irgendwie nehme ich es ihr übel und das quält mich noch mehr. Mein Bruder und Vater wollen umziehen. Und ich muss mit. Aber davor will ich zu Laito. Ich muss zu Laito. Es ist so klar wie noch nie in meinem Kopf. „Geh zu ihm. Bleibe bei ihm. Verlass ihn nicht!" Genau um 21:00 Uhr klingelt es an der Haustür. Ich schnappe mir meine Jacke und schlüpfe in meine neuen Schuhe. Die anderen musste ich nach dem ersten Besuch bei Laito wegwerfen. Ich öffne die Tür, aber entgegen meiner Erwartung steht nicht Laito, sondern mein Bruder davor. Mein Lächeln verblasst. „Papa! Komm mal bitte an die Tür!", rufe ich nach innen. Währenddessen mustere ich ihn rasch.
Im Licht der Straßenlaternen kann ich sein ausgezehrtes Gesicht sehen, hätte ihn aber kaum wiedererkannt. Sein Hemd ist zerknittert, die Schultern des jungen Mannes wirken als trüge er die Last eines alleinerziehenden Familienvaters mit fünf Kindern, der soeben seine Arbeit verloren hat. Sein Gesichtsausdruck und die schwarze Kleidung vermittelt das Gefühl, jemand sei gestorben, und die blutunterlaufenen Augen verstärken den Eindruck. Sein Kopf ist gesenkt, als schäme er sich. Spuren von Wasser auf seinem Gesicht verraten, dass er geweint hat. Der gebrechliche Mann, in den sich mein Vater verwandelt hat, führt das älteste Kind der Familie nach drinnen. Meinen jüngeren Bruder scheucht er aus dem Wohnzimmer. Yuta schaut hilfesuchend zu mir, aber ich zucke die Achseln.
Was weiß ich schon über Ryoichi? Er ist das Kind aus Mutters erster Ehe und lebte ungefähr bis ich fünf Jahre alt war bei uns. Danach ging er ins Ausland um zu studieren und heiratete eine Frau, deren Name ich nie erfahren habe. Als meine Mutter Yutas Vater heiratete, war er schon lange fort. Aus dem Augenwinkel bemerke ich eine schwarze Limousine, die vor unserem Haus hält. Ich umarme Yuta schnell und schnappe mir meine Tasche. „Yuta. Ich habe dich lieb." Ich öffne die Autotür und winke noch einmal durch die Scheibe. Dann fährt der Wagen auch schon los.
Arme schlingen sich um mich und ziehen mich nach hinten. Ich lächle. Laito streicht meine Haare zurück. „Küss mich", verlangt er. Ich küsse ihn leicht auf die Wange. „Mehr." Er hebt mein Kinn und unsere Lippen pressen sich verzweifelt aneinander. Ich will ihn nicht loslassen und er möchte mich anscheinend ebenso wenig gehen lassen. Seine Hand greift in meine Haare, die andere wandert zu meiner Taille und drückt mich näher an ihn. Der Fahrer räuspert sich. Ich werde rot und Laito ruckelt an meinem Kinn. „Beachte sie nicht." Meine Augen weiten sich, als ich die Fahrerin erkenne. „Es ist eine deiner Geister!", staune ich verlegen. Er hält meine Augen zu. „Vergiss sie", flüstert er eindringlich in mein Ohr. „Ich versuche es." Er kichert. „Schließ die Augen und gib mir deine Hände." Zögerlich halte ich ihm meine Hände hin. Die kurze Zeit, in der ich mit geschlossenen Augen warte, dass etwas passiert erscheint mir qualvoll lange. Natürlich könnte ich meine Nervosität durch ein winziges Blinzeln loswerden, aber das kommt nicht in Frage. Weicher Stoff berührt meine Handgelenke. Er wickelt sich mehrmals darum und wird schließlich festgezogen. „Vertraust du mir, Hisa?" Ich nicke. „Sag es." Seine Stimme ist erschreckend nahe. „Ja." Er streicht über meine Wange und ich zucke zusammen. „Lügst du?", fragt er leise. „Nein. Aber du bist kalt." Er lächelt. Ich kann es beinahe vor mir sehen. Beinahe. „Ich glaube dir." Er legt mir seinen Arm um die Schultern. „Verstehst du warum ich das mache?" Ja. Ich schüttle den Kopf und lüge. „Ich verstehe es nicht." Er streicht mir über die Haare und verzichtet auf eine Antwort.
Das Geräusch der Räder des Wagen auf dem Asphalt und die Dunkelheit machen mich schläfrig. Ich lehne mich immer mehr an Laito. Sein Kichern kommt aus weiter Ferne, zugleich ist es direkt neben mir. „Wir steigen aus", bemerkt er amüsiert, bevor er mich aus der Limousine hebt. Steine knirschen, als sie unter seinen Schuhen aneinander reiben. Es ist mir unangenehm, dass er mich trägt. Wir erklimmen die steinernen Stufen zur hölzernen Haustür und betreten das Gebäude. Kühle, trockene Luft umfängt mich und ich schaudere. „Keine Sorge, niemand außer mir wird dich so zu sehen bekommen", kichert Laito. Ich entspanne mich ein bisschen. Das war eine meiner größten Sorgen seit ich die Augen geschlossen habe. Eine davon. Nicht die Größte. Eine Tür schlägt hinter uns zu und ich werde auf meine eigenen Füße gestellt. Frische Luft weht mir entgegen. „Sind wir draußen?", frage ich. „Nein. Öffne die Augen." Ich tue es. Vor mir sehe ich eine weit geöffnete Balkontür. Wir sind in seinem Zimmer.
„Bitte." Er legt seine Hand an meine Wange. „Befreist du mich?" Ich kann mich nicht von seinen wunderschönen Augen abwenden. „Wovon?" Traurig blicke ich auf das, was mich in der Zukunft erwarten wird. Meine Antwort kommt langsam und leise. Nicht eingeschüchtert, sondern endgültig. „Allem." Er beginnt zu lächeln. Dann kniet er nieder und nimmt meine Hand in seine. „Wie gerne ich es tun würde. Aber das willst du ja doch nicht", flüstert er, mir einen Kuss auf den Handrücken hauchend, ehe er den weichen Stoff zu Boden gleiten lässt. Diese Worte waren nicht nur für mich bestimmt, das weiß ich.
Seine Augen sind wie funkelnde Jade. Ich möchte seinen Blick erwidern. Seine Haare glänzen wie Kupfer. Ich möchte sie zwischen meinen Fingern spüren. Sein Lächeln ist gefährlich verführerisch. Es versteckt so viel, dass ich daran verzweifeln könnte. Seine Hände, die mich berühren. Ich möchte sie ewig fühlen. Die Zähne und der Geruch von Blut in der Luft. Sie sind Angst, Schmerz und Hingabe. Der süße Geschmack seiner Lippen stiehlt mir meine Selbstbeherrschung. Manchmal glaube ich, seine verwirrenden Gedanken und Worte enträtselt zu haben.
„Kannst du mir geben, was ich will?
Kannst du mich verzaubern?"
„Oh... ich will es so sehr.
Ich will mehr als deine Einzigartige sein.
Ich will deine Einzige sein."
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Free me from my boring life
FanficEine Diabolik Lovers Fanfiction in der es um Laito Sakamaki und ein Mädchen names Hisa geht.