Piratenprinzessin (Kurzgeschichte)

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Sie saß im Park, auf der Bank unter den Bäumen, wo sie und Marie früher immer furchtlose Piratenprinzessinnen gespielt haben. Mit Stöcken als Schwerter. Der Anflug eines Lächelns flog über ihr blasses, ausgemergeltes Gesicht. Sie dachte gern an diese Zeit zurück. Sie erinnerte sich wie der samtene Stoff ihres Kleides sich auf ihrer Haut anfühlte, wie die Erde nach Sommer roch und sie schmeckte noch den Schweiß auf ihren Lippen. Sie hörte noch das quiekende Lachen von Marie und sah das kindliche Schimmern in ihren grünen Augen. Sie erinnerte sich an alles. Nur nicht mehr an dieses Gefühl...
Sanft schnitt ihre Klinge, die sie schon seit Stunden in ihrer Hand hielt, in ihre Handfläche. Sie spürte diesen erleichternden Schmerz und Blut tropfte langsam ihren Handbällen hinab. Es färbte die Gräser unter ihr scharlachrot. Beim Einsetzen der Dämmerung sah sie sich ein letztes Mal um und verließ den Park. Wie auch damals mit Marie, wollte sie auch jetzt furchtlos sein. Zuhause nahm sie das Küchenmesser aus der Halterung und spielte ein letztes Mal Piratenprinzessin.

23.05.19

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