Eine Orchidee für dein Haar (Kurzgeschichte)

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Es war Sommer als Sie das erste Mal seine Gärtnerei, beziehungsweise die seines Vater, betrat. Das Windspiel erklang in melodischen Tönen und er wandte sich von seiner Arbeit, dem zurecht zupfen des Blumenstraußes für Fr. Jansen, ab und blickte zur Tür. Herein trat eine Frau um die 20, im selben Alter wie er. Sie hatte honigblonde schulterlange Haare, Sommersprossen und das wohl schönste Lächeln das er je gesehen hatte. Ihre himmelblauen Augen, so kamen sie ihm jedenfalls vor, schweiften durch den Raum bis sie an ihm hängen blieben. Ihr Lächeln vergrößerte sich und man konnte eine kleine Zahnlücke zwischen ihren Schneidezähnen erkennen, etwas was sie nur noch atemberaubender machte. Er musste sie wohl immer noch angestarrt haben, denn sie sagte mit einem koketten Lächeln im Gesicht:„Du könntest mich auch ansprechen statt mich nur so anzustarren."
Er räusperte sich kurz und stellte die Vase mit Fr. Jansens Blumen unter die Verkaufstheke. „'Tschuldige," schüchtern erwiderte er ihr Lächeln. „Wie kann ich dir denn helfen?" fragte er, da er sich erinnerte, dass er ja immerhin noch Blumenverkäufer war.
„Ich suche etwas hübsches für meine Großmutter zum Einzug. Sie liebt Blumen sowie ich." erzählt sie während sie etwas im Laden herum schlendert. Im Fenster stehen haufenweise Sträuße und überall sind Vasen gefüllt mit den unterschiedlichsten Blumen wie Hortensien, Astern oder Rosen. Schließlich dreht sich das Mädchen zu dem Regal an der Wand um auf dem die verschiedensten Blumentöpfe standen, Zimmerpflanzen. „Wie wärs denn mit einer Orchiedee für deine Großmutter? Wir haben weiße als auch rosane." Ihre Finger strichen über die Regalreihen bis sie bei einer rosanen Orchidee mit drei Blüten halt macht. „Die hier sieht hübsch aus," meinte sie als sie sich langsam umdreht und ihn wieder anlächelt. Abermals herrscht bei diesem Lächeln nur gähnende Leere in seinem Kopf, bis er sich schüttelt um wieder klarer zu werden. „Die würde deiner Oma sicherlich gefallen,"erwiderte er.
„Denk ich auch. Wieviel würde das denn kosten?"
„24,50€."
Sie nickte bevor sie den Blumentopf vom Regal nahm und auf die Theke zuging, dabei löste sich eine Blüte und glitt zu Boden. Das bemerkte sie jedoch nicht. „Willst du vielleicht noch eine Tüte? Um den Topf zu transportieren?" fragte er als sie vor ihm stand. Doch sie schüttelte nur den Kopf. „Geht schon. Sie wohnt gleich hier um die Ecke."
Dann kramte sie in einer ihrer Hosentaschen und fischte zwei Zwanziger zu Tage, die sie ihm reichte. Er gab ihr das Wechselgeld und noch ein paar hilfreiche Tipps zur Pflege der Orchiedee. „Vielen Dank, vielleicht komm ich ja noch mal wieder. Wenn man hier so nett behandelt wird." Mit der Pflanze auf dem Arm drehte sie sich um und wollte gehen. Da fiel ihm die runtergefallene Orchiedeenblüte auf. Er bückte sich und hob sie auf, kurz drehte er sie in seiner Hand. Sie war zu Schade um sie wegzuwerfen. Da kam ihm ein Gedanke. „Warte," sagte er etwas lauter. Bereits eine Hand zur Türklinke ausgestreckt, drehte sie sich nochmal um und sah ihn mit fragenden Augen an. „Ja?" Schnell durchquerte er den Raum bis er vor ihr stand. Er hob die Blüte und schob sie zusammen mit ein paar Strähnen hinter ihr Ohr. „Eine Orchiedeenpflanze für deine Großmutter und eine Orchiedee für dein Haar." Er lächelte, in der Hoffnung, dass sie ihn jetzt nicht für einen Freak halten würde. Sie erwiderte sein Lächeln. Und für einen Moment, nur für einen Moment, stand die Zeit still. Da gab es nur sie zwei, die in dem sanften Mittagslicht standen dass durch die Fenster fiel, umringt von bunten Blumen. „Danke schön. Und ich bin übrigens Cataleya, falls du das noch fragen wolltest." Er grinste bis über beide Ohren. „Ben, mein Name ist Ben." Sie lächelte ihn noch einmal an bevor sie den Laden  verließ. Das muss Schicksal gewesen sein, dachte er sich während er den Strauß für Fr. Jansen unter der Theke hervor holte um ihn noch mal zu überprüfen. Und Cataleya hielt ihr Wort. Sie kam noch oft in die Gärtnerei um Blumen für ihre Großmutter zu kaufen und jedesmal schob er ihr eine Orchiedee hinters Ohr mit den Worten:„Und eine Orchiedee für dein Haar." Schließlich fragte er sie eines Tages ob sie mit ihm ausgeht, woraus eine tiefe Verbundenheit, eine lebenslange Liebe, entstand.
Ja, Schicksal dachte er sich auch noch Jahre später. Ihr Name leitete sich von von Cattleya, dem Namen einer südamerikanischen Orchideen-Art, die nach dem englischen Gärtner Sir William Cattley benannt wurde, ab. Auch jetzt musste er schmunzeln als er an ihr erstes Zusammentreffen zurück dachte. Gleich
darauf folgte jedoch ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Brust. Erst jetzt bemerkte er den eisigen Wind der in ums Gesicht peitschte. Auch die Wolken sind dunkler geworden. Er seufzte. Er mochte den Friedhof nicht. Hier war alles immer so düster und dunkel. Er schaute vor sich, ein Jahr liegt sie jetzt schon hier. In der Hand hielt er eine Orchiedee, eine Orchiedee für ihr Grab. 
08.08.20

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Hey, es wär schön wenn ihr mal ein paar Kommentare da lasst und wie ihr das Ende so fandet.

Gruß, eure Lilienorchester^^

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