7 ~ Skye

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Als ich ein paar Minuten später unter dem bronzefarbenen Bogen stand, spukten mir Graces Worte immer noch im Kopf herum.

Er will deine Seele. Und er wird sie bekommen.

Was sollte das jetzt heißen? Wollte Luke mir das Herz brechen? Mich hintergehen? Oder...oder plante er, mich...umzubringen?

Niemals, verdrängte ich den Gedanken wieder, auch wenn ein ungutes Gefühl blieb.

"Komm schon, das ist doch kein Grund, jetzt nicht feiern zu gehen. Deine Grandma denkt nur, dass du zu jung bist, um einen festen Freund zu haben." Grinsend legte Jenny ihren Arm um meine Schulter, um mich davon abzuhalten, jetzt noch einen Rückzieher zu machen.

"Aber sie klang so...sicher. Als wüsste sie genau, dass irgendwas passieren wird.", murmelte ich leise, während meine Freundin mich den gepflasterten Weg entlang zog, an dessen Ende sich ein riesiger, würfelförmiger Villenbau befand. Die komplette Südseite war verglast, sodass sich von Lukes Zimmer ein gigantischer Blick über den ganzen Garten bot. Teilweise hatten wir ganze Nächte auf dem Boden verbracht, um durch die Glasscheibe die Sterne zu betrachten. Nur wir beide, eng aneinander geschmiegt, mit einer Decke um den Schultern.

"Und wenn ich dir in genau dem gleichen Tonfall sage, dass seine Nähe gut für dich ist? Dass er dir nichts tun wird? Wem glaubst du dann eher?" Mit einem triumphierenden Grinsen ließ Jenny mich wieder los. "Man, Skye, was soll das denn überhaupt heißen? Deine Seele? Wenn, dann wird er dir das Herz brechen - und selbst das wird er nicht tun. Immerhin ist er das krasse Gegenteil von solchen Typen." Sie nickte in Richtung der Steinmauer, an der einige Jugendliche lehnten, um den dicken Rauch ihrer Zigaretten hinaus in die kalte Winterluft zu blasen. Ihre Blicke scannten jedes Mädchen ab, als ginge es ihnen nur darum, sich einen One-Night-Stand zu angeln.

"Und jetzt komm endlich, sonst verpassen wir noch die ganze Party!" Grinsend zog sie die angelehnte Haustüre auf, durch die bereits ein paar gedämpfte Gitarrenriffs nach draußen schallten, begleitet von mehrstimmigem Rufen, das mich darauf schließen ließ, dass einige hier schon mehr als angetrunken waren.

Na super.

Ich konnte weder Jenny noch all die anderen Teenager verstehen, die sich das antaten. Die laute Musik, von der einem spätestens nach zwei Liedern die Ohren wehtaten, der in Massen fließende Alkohol, die dämlichen Trinkspiele. Auch wenn ich grundsätzlich nichts gegen gelegentliche Cocktails und den ein oder anderen Song zum Mitgrölen hatte, so konnte ich dem Ganzen doch nicht wirklich etwas abgewinnen. Vor allem nicht, wenn außer unserer ganzen Jahrgangsstufe noch solche zwielichtigen Gestalten anwesend waren, die, vollgepumpt mit Alkohol, nur ein Ziel hatten.

„Einfach. Nur. Geil." Noch bevor ich reagieren konnte, hatte sich Jenny von mir losgemacht, um zielstrebig durch die offene Haustür und damit auch irgendwo zwischen der Menschenmenge zu verschwinden. Ich machte mir nicht mal die Mühe, ihren hautengen, knallgelben Pullover im Auge zu behalten, schließlich war ich das hier schon zur Genüge gewohnt. Sie schleppte mich zum Feiern mit und ich stand nutzlos in der Ecke, während sich alle anderen auf die Bar oder die heißen Typen stürzten. Wahrscheinlich sogar auf beides gleichzeitig.

Da musst du jetzt durch.

„Hey, Süße." Noch bevor ich mir ein ruhigeres Plätzchen suchen konnte, trat Luke neben mich.

Er will deine Seele.

„Komm, du möchtest doch sicher was trinken? Oder darf ich dich zu einem kleinen Tanz auffordern?" Mit einem charmanten Lächeln hielt er mir seinen Arm hin, unter dem ich mich nach kurzem Zögern einhakte. Zwar hatte ich jetzt absolut keine Lust auf diese Party, doch ich wollte weder Luke noch Jenny enttäuschen, indem ich einfach nur unnütz herumstand. Auch wenn ich das am liebsten getan hätte. Einfach nur, um nachzudenken. Um meine Gedanken endlich einmal zu ordnen. Es musste doch irgendeinen Zusammenhang zwischen dem allen geben! Zumindest war es keineswegs normal, dass plötzlich unheimliche Typen wie aus dem Nichts auftauchten, genauso wenig wie die Tatsache, dass ich mich ständig fühlte, als wäre ich in einer Eiskammer gefangen. Doch was genau hatte ich übersehen? Gab es ein Detail, das alles miteinander verband? Ein fehlendes Puzzleteil, das ich erst noch an den richtigen Platz legen musste? 

"Und, Prinzessin? Ist das hier die moderne Version von Smalltalk, bei der man gegenseitig kein Wort mehr sagt? Oder wird es eher die neue Rekordzeit fürs Anstarren?", holte mich Lukes amüsierte Stimme wieder auf den Boden der Tatsachen, während er mich näher zu sich zog, bis uns nur noch wenige Zentimeter voneinander trennten. 

"Hey, glaub bloß nicht, dass ich deinem Ego den Gefallen tu!", konterte ich, während ich meinem Freund einen leichten Stoß in die Rippen versetzte, was er mit einem breiten Grinsen erwiderte. Gleichzeitig strich er mir langsam die Strähnen aus dem Gesicht, sodass sich unsere Blicke direkt trafen.

Verdammt, ich hatte das alles so vermisst. Das dunkle Blau, das mich wie ein Ozean in seinen Tiefen zu verschlingen drohte. Den so vertrauten Geruch nach Zimt und Kaffee, den ich jetzt regelrecht inhalierte. Seine Nähe, die alles in mir auf den Kopf stellte.

Er hatte mir so gefehlt.

Als hätte der blonde Junge geahnt, was mir gerade durch den Kopf gegangen war, tastete er genau in diesem Moment nach meiner Hand, bis sich unsere Finger verschränkten. Es war nur ein kleines Zeichen, allerdings mit einer so großen Wirkung. Es gab mir diese Sicherheit, endlich wieder jemanden zu haben, dem ich vertrauen konnte. Jemand, der mich in den Arm nahm, der für mich da war, der mich glücklich machte. 

"Egal, was zwischen uns vorgefallen ist, du...bedeutest mir so viel, Skye." Seine Stimme war nur ein lautloses Flüstern. „Seit..." Er stockte und sah mir einen Moment direkt in die Augen. „...seit damals...habe ich es bereut, okay? Ich wollte das wirklich nicht, es...es ist einfach so passiert." Normalerweise hätten mich seine Worte nicht ansatzweise berühren dürfen, denn damals, als er mich zurückgestoßen hatte, war etwas in mir zerbrochen. Ich war immer davon ausgegangen, dass es so bleiben würde, für immer. Doch jetzt riss seine Entschuldigung die längst verheilte Wunde wieder auf - und verschloss sie gleichzeitig für immer. 

„Die ganzen letzten Jahre...es hat sich so unendlich lange angefühlt. Ich wollte es dir eigentlich schon früher sagen, aber erst gestern, als du einfach so aufgestanden bist, als du nach hinten getaumelt bist...da hab ich zum ersten Mal wieder gemerkt, dass du mir etwas bedeutest. Dass ich Angst um dich habe." Vorsichtig umfasste er mit dem Arm meine Taille, während ich automatisch meinen Kopf auf seine Schulter legte. Der weiße Stoff seines Hemdes kratzte leicht auf meiner Haut, doch das hinderte mich nicht daran, mein Gesicht darin zu vergraben. Ein leises Schluchzen kam mir über die Lippen, und nicht einmal das störte mich in diesem Moment. Ich wusste zwar nicht, warum ich plötzlich so sentimental war, allerdings war es ein schönes Gefühl. Als wäre das fehlende Stück meines Herzens endlich wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückgekehrt.

Er will deine Seele.

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich diesen Gedanken wieder verdrängt, doch in dieser einen Sekunde war ich so leicht angreifbar, so verletzlich. Wie eine Rose aus dünnem Glas auf dem Boden zerbrach, ergoss sich die Warnung wie ein roter Splitterregen über mich. 

Ich bekam gerade noch mit, wie sich Lukes Oberkörper versteifte, während er etwas murmelte, das wohl "Pass' auf, dass nicht wieder die Fenster dran glauben müssen." heißen musste. Mit seinen Worten kam die Kälte, die meinen Körper beinahe zu Boden zwang.


Irgendwie...ein bisschen zu viel Romantik, oder? xD 

Aber in den nächsten Kapiteln wird's besser, da kommt dann wieder mehr Spannung rein :)

Bis dahin lasst doch gerne etwas Feedback hier, ich bin nämlich immer unglaublich neugierig auf eure Meinungen. Ist Luke für euch auf der "guten" oder "bösen" Seite? Glaubt ihr, er hat tatsächlich etwas vor? Oder hat sich die Warnung womöglich auf jemand anderen bezogen...?


Seelenhüter (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt