11 ~ Devon

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Wer aufgrund der längeren Updatepause (I'm sorry...) nicht mehr so ganz in der Handlung drin ist, kann gerne nochmal kurz in Kapitel 9 reinlesen, daran knüpft dieses hier an :) Ansonsten wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen! :D


Diese Novembernacht war kalt. Kälter als jede andere. Der Wind heulte ungezähmt über die Spitzen der Tannen hinweg und brachte den Geruch nach Holzfeuer und frischem Schnee mit sich. Lange konnte es nicht mehr dauern, dann würden die ersten Flocken vom Himmel rieseln. Beunruhigt legte ich den Kopf in den Nacken. Über mir war nichts als Schwarz, durchzogen von einzelnen Nebelschwaden, hinter denen der Mond wie ein wachsames Auge hervorlugte.

Ich konnte nicht sagen, wie weit die Nacht bereits fortgeschritten war. Vielleicht war bereits ein neuer Tag angebrochen, vielleicht kamen mir die Minuten aber auch nur wie Stunden vor. Die Zeit schlich nur dann dahin, wenn man sich wünschte, sie würde vergehen. Und das tat ich. Mit halb geschlossenen Augen wartete und hoffte ich auf das erste, helle Blau am Himmel, das noch lange nicht in Sicht war. Es würde eine ungemütliche Nacht werden. Ohne Feuer, ohne Wärme. Mir blieb noch nicht einmal die Möglichkeit, mich von innen heraus mit Alkohol zu wärmen, denn die Terrassentür war mittlerweile wieder geschlossen. Außerdem hätte ich es ohnehin nicht geschafft, noch einmal einen Fuß in das Wohnzimmer zu setzen, in dessen Wänden noch immer tiefe Furchen prangten. Kratzspuren, die von mir stammten, aber gleichzeitig auch niemals mein Werk sein konnten. Es war das Werk eines Fremden, eines unberechenbaren Wesens, das in mir saß und mich steuerte, das hervorbrach, wenn man es rief.

Bring sie zu mir.

Daniels Worte spielten sich wie ein kaputtes, hängen gebliebenes Tonband in meinem Kopf ab, tief und eindringlich, aber doch nur ein Flüstern. Auf den ersten Blick harmlos.

Bring sie zu mir, Dämon, erfülle deine Pflicht.

Ich hatte gehorcht, denn es war unmöglich, sich diesen Anweisungen zu widersetzen. Daniel war mit seiner Stimme in meinen Kopf eingedrungen und hatte mich geführt, wie ein Puppenspieler seine Marionetten. Weil er genau wusste, wie machtlos ich ihm ergeben war und wie sehr ich ihn und seine Aufträge brauchte. 

Ich war tatsächlich nur ein einfacher Diener, wie der Hüter gesagt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war es mir noch egal gewesen. Ich hatte mich für stark gehalten, dabei war ich es nie gewesen. 

Jetzt ist es zu spät für dich.

Im ersten Moment zuckte ich zusammen, bis ich realisierte, dass diese Worte weder von dem leichten Pochen, das mit dem Eindringen in eine fremde Gedankenwelt einherging, begleitet wurden, noch von einer wispernden Stimme. Das hier war nur ein Produkt meiner Fantasie. Daniel hatte sich längst aus meinem Kopf zurückgezogen und war verschwunden, seit der Hüter ins Spiel gekommen war.

Erleichtert stieß ich die Luft aus, zog sie jedoch gleich darauf wieder zischend ein. In dieser Kälte war jeder Atemzug eine Qual. Ich konnte durch Feuer gehen und glühendes Eisen anfassen, jedoch erlosch die Hitze in meinem Inneren bei diesen Wintertemperaturen wie ein Funke im Regen, von dem nichts als Asche übrig blieb. Schwarze, verglühte Asche. 

Ich musste hier weg. Wenn ich bis zum Morgen hier ausharrte, würde ich das erste Sonnenlicht nicht mehr erleben. Langsam wagte ich mich aus dem Schatten des vorstehenden Steins, von dem aus ich für ein ungeübtes Auge nahezu unsichtbar sein musste. Ich selbst konnte von meinem Versteck aus allerdings die gesamte Rasenfläche überblicken, weshalb ich auch sofort die Personen wahrnahm, die sich mir näherten.

„Noch ein Dämon." Sofort schreckte ich zurück. Im Lichtschein der geöffneten Tür erkannte ich ihn. Den Hüter. Und neben ihm das Mädchen, das längst in meinen Fängen hätte sein sollen. Im Vergleich zu seiner monströsen Statur wirkte sie klein und zierlich. So menschlich. Sie wäre eine leichte Beute gewesen – und dennoch hatte ich es nicht geschafft, sie zu betäuben und mit mir zu nehmen.

Seelenhüter (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt