2 ~ Devon

228 29 56
                                    

Ich hasste mein Leben.

Hasste mich für das, was ich war.

Hasste mich für den Grund, wegen dem ich jeden Monat hierherkam, an den Ort, den ich mehr als alles andere verabscheute. Schon der kalte, beißende Gestank nach Zigaretten ließ mich sicher sein, dass ich mich hier nie wohlfühlen würde, ganz egal, wie oft man mir sagte, dass das hier meine Heimat war. 

Dass ich hierhergehörte.

Ein leises Schnauben kam mir bei diesem Gedanken über die Lippen. Ich war zwar hier unten geboren worden, hatte den Großteil meiner Jugendzeit in den dunklen Gängen verbracht und kannte das Tunnelsystem wie meine Westentasche, doch keiner dieser Gründe konnte mich noch hier halten. Ich identifizierte mich längst nicht mehr mit dieser - meiner eigenen, und doch so abscheulichen Welt. Zu präsent waren die Erinnerungen, die sich tief in meine Haut gegraben hatten. So tief, dass man sie nie mehr entfernen konnte.

Ohne, dass ich es steuern konnte, beschleunigten sich meine Schritte, während sich ein verschlossener, aber auch verbissener Ausdruck über meine Züge legte, der keine Emotion zuließ. Weder den Schmerz, der unterschwellig gegen meine Brust drückte, noch den Hass, der nur zu gerne die Wände zu Staub zerfallen hätte lassen.

Du musst dich unter Kontrolle haben.

Fluchend ballte ich meine Hand zur Faust und unterdrückte den aufkeimenden Impuls, auf etwas einzuschlagen. Sobald ich hier unten war, durfte ich nicht die Beherrschung verlieren, vor allem nicht, wenn Daniel in der Nähe war.

Als hätte er seinen Namen in meinen Gedanken gehört, kristallisierte sich genau in diesem Moment die Silhouette des jungen Mannes aus dem Schatten heraus. Auf seinen Lippen lag ein zynisches Lächeln, das keinen Zweifel daran ließ, wie sehr er seinen Auftritt genoss.

Natürlich.

Schließlich wusste er genau, wie er mit mir umzugehen hatte, wie er es schaffte, mich zur Weißglut zu treiben. Schon die Tatsache, dass er mir nicht normal entgegengetreten war, sondern ausgerechnet die Fähigkeit gewählt hatte, über die auch ich verfügte, ließ einen kleinen Einblick in seine Strategie zu. Auch wenn sich hinter der Maske dieses Mannes noch viel mehr verbarg.

„Devon." Er warf meinen Namen ohne irgendeinen Bezug in den Raum und wartete, bis das leise Echo von den Wänden widerhallte. Seine dunklen Augen fixierten mich zielgerichtet, um jede meiner Bewegungen, jede noch so kleine Reaktion verfolgen zu können.

„Dan.", schleuderte ich zurück, ohne mir die Mühe zu machen, meinen Hass vor ihm verborgen zu halten. Wenn er es nicht an meinen scharfen Worten und der abneigenden Haltung erkannte, wusste er spätestens nach dem Durchforsten meiner Gedanken, wie gerne ich ihn umgebracht hätte.

„Du kommst spät." Mit einem schnellen Schritt drängte er mich auf die offenstehende Tür zu, ohne mir die Wahl zu lassen, ob ich den Raum wirklich betreten wollte. Jemandem die freie Entscheidung zu überlassen, war einfach nicht die Art des kühlen, abweisenden Mannes.

„Nicht typisch für dich, was? Mich so lange warten zu lassen? Dich so lange zu quälen?" Mit einem überheblichen Grinsen ließ er sich auf einem Schreibtischstuhl nieder und rollte mit diesem auf mich zu, bis uns nur noch wenige Meter voneinander trennten. Früher hätte mich diese Nähe dazu veranlasst, zurückzuweichen, doch mittlerweile konnte ich mich soweit zurückhalten, dass ich meine Instinkte unterdrückte und stattdessen nur ein leises Knurren meinen Worten vorausschickte.

„Wenn du mir nicht zutraust, in fünf Tagen deinen verdammten Auftrag zu erfüllen, dann besorg' dir doch nen and'ren Idioten!" Mit einem leichten Kopfnicken beförderte ich die Kapuze meines schwarzen Hoodies in den Nacken, sodass auch er meine glühenden Augen sehen konnte, deren dunkle, grüne Farbe gleichmäßig pulsierte. Mehr brauchte es nicht, um ihm klar zu machen, dass er seine Worte mit Bedacht wählen sollte, doch wie immer breitete sich nur ein breites Grinsen auf dem Gesicht des knapp 25-Jährigen aus. Er wusste besser als jeder andere, wie abhängig ich von ihm war. 

Seelenhüter (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt