Komplikationen

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*Zwei Wochen später*

„Sag mal MJ, was tuscheln Ned und Parker eigentlich immer so? Die sind ja schlimmer als die verzogenen Gören, deren Eltern sie hier reingekauft haben."

MJ verdrehte die Augen, als ich Peter bei seinem Nachnamen nannte. Irgendwie war es hängen geblieben, obwohl wir uns inzwischen deutlich besser miteinander verstanden. Außerdem wurde er immer niedlich, wenn er sich drüber aufregte.

„Vielleicht überlegen sie ja, wie Peter dich rumkriegen könnte. Der steht doch seit dem ersten Tag auf dich. Auch wenn er es nicht zugeben will."

„Wie bitte? Du halluzinierst. Er will definitiv nichts von mir, nicht nachdem, wie wir uns kennengelernt haben."

Und selbst wenn. Jungs sorgten für Probleme, zumindest die von der guten Sorte. Die beliebten waren unkompliziert, liefen einem nicht hinterher und riefen nicht an, nur weil man sich auf einer Party mit ihnen im Bad verkrochen hatte. Aber Kerle wie Peter waren nicht so. Sie machten nicht in der Gegend rum, sie fragten, wie man sich fühlte und sie wollten, dass man glücklich war. Sie sorgten für Bindungen und Bindungen konnte ich mir nicht leisten, sie waren ein No-Go. Sie waren kompliziert und unpraktisch.

Plötzlich schnipste jemand vor meinem Gesicht. MJ, ich hasste es, wenn sie das tat. Moment mal, die fingerschnipsende Person war ein Kerl.

„Hey neue, du stehst vor meinem Spind."

Ah, Sportler. Beliebter Sportler. Gute Idee.

„Vielleicht mache ich das ja mit Absicht."

Er legte den Kopf schief. Ich konnte sehen, wie es ratterte. Sein Gehirn schien nicht besonders flink zu sein, aber sein durchtrainierter Körper kompensierte dafür. Und dann klickte es bei ihm und er schaltete in Abschlepp-Modus.

„Weißt du am Freitag steigt ne Party bei Jason, du solltest vorbeikommen."

„Klar, gibt es nen Dress-Code?"

Er lehnte sich vor und flüsterte mir ins Ohr. „Kurz und Eng."

Ich grinste. Das würde spaßig werden. Und außerdem dafür sorgen, dass in null Komma nix die ganze Schule wusste, dass ich eine lockere Einstellung zum Thema Jungs hatte. Was mir eventuelle Nettigkeiten vom Hals halten sollte. Als er an mir vorbei in Richtung Sporthalle ging sah ich ihm hinterher und blieb mit meinem Blick an Peter hängen. Oh je, er sah aus, als hätte ich ihm gerade eine reingehauen. Aber ich durfte mir jetzt nicht anmerken lassen, dass er mir leidtat. Ich musste ihn davon überzeugen, dass ich nun einmal so war. Mehr auf Aussehen, als auf Charakter bedacht. Es war besser für uns beide. Also Schultern zurück und einfach wie immer.

„Hey Parker, wie geht's?"

„Was willst du denn mit Cody? Der Kerl vögelt alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist."

„Du hast es erfasst. Und danke, jetzt kenne ich zumindest seinen Namen."

Er sah mich entsetzt an.

„Das ist doch nicht dein Ernst, oder? Warum willst du mit dem erstbesten Vollidioten in die Kiste springen, wenn du..."

„Wenn ich was?"

„Ach, vergiss es."

Und damit ging er. Mission erfüllt. Aber angenehm war es trotzdem nicht gewesen. Ich konnte nur hoffen, dass Ned und MJ mich deswegen nicht ausschlossen. Denn auch, wenn ich keine Beziehung eingehen durfte, mit Glück konnte ich einige Monate hier verbringen und das konnte ohne Freunde sehr einsam werden.

Ich schnappte mir ein paar Bücher aus meinem Spind und machte mich auf den Weg zur U-Bahn. Heute hatte ich kein Bock auf Physik, wir waren an meiner alten Schule eh weiter gewesen, ich verpasste also nichts. Als ich zuhause ankam schaute mich meine „Tante" verwirrt an. Sie kannte jedes Detail meines Stundenplans, schließlich war das ihr Job, und wusste somit auch, dass ich noch in der Schule sein müsste.

„Hey, ist alles in Ordnung? Warum bist du schon zuhause?"

„Hatte keinen Bock auf Physik."

„Kayleigh, ich weiß, dass es schwer ist, an der neuen Schule, aber schwänzen ist nicht drin, das solltest du wissen."

Ich verdrehte die Augen. Na toll. Betreuerin mit Pädagogik-Diplom, das viel denen ja früh ein.

„Ganz ehrlich Charlotte, lass stecken. Wir beide wissen doch, dass mir spätestens bei der nächsten Verlegung eh ein brillantes Zeugnis verpasst wird, außerdem hatten wir das Thema in Florida schon."

„Okay, aber das ist doch bisher auch nie ein Grund gewesen, oder? Schließlich hast du ja auch den extra Kurs über die griechische Mythologie belegt, obwohl du den Unterricht vermutlich selber schmeißen könntest. Was ist also wirklich los."

Bevor ich antwortete, kickte ich meine Schuhe von den Füßen und pflanzte mich aufs Sofa. Charlotte setzte sich in den Sessel gegenüber.

„Ich musste nem Jungen vor den Kopf stoßen."

„Warum?"

„Weil er anfing Gefühle zu entwickeln und Beziehungen nicht drin sind."

„Und was hast du gemacht?"

„Mit dem dämlichen Sportler geflirtet."

„Ist das nicht ein bisschen unter deinem Niveau? Ich kenne dich erst seit drei Wochen, aber ich weiß trotzdem wie intelligent du bist. Noch dazu bist du sehr attraktiv und viele Jungs könnten sich glücklich schätzen, deine Aufmerksamkeit zu bekommen. Warum verzichtest du also auf einen anscheinend netten Kerl, zugunsten eines Idioten?"

„Weil ich ihm eh das Herz brechen müsste, also lieber jetzt, bevor der Schaden zu groß wird."

„Du scheinst ihn zu mögen."

Ich nickte stumm.

„Ich werde dir jetzt etwas sagen. Und wenn du meinem Boss verrätst, dass ich das gemacht habe, dann werde ich dafür sorgen, dass sie deine Leiche niemals finden.

Wir können dir dein Leben nicht ewig vorschreiben. Das Ziel war immer dein Leben so normal wie möglich zu gestalten und normale Mädchen in deinem Alter gehen nun mal Beziehungen ein. Die Tatsache, dass du vielleicht nicht lange an diesem Ort bleiben wirst, sollte dich nicht davon abhalten, denn vielleicht bleiben wir auch sehr lange."

The secret DaughterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt