Kapitel 5
Jeder kennt das Gefühl, plötzlich irgendwo anders zu sein. Man schließt die Augen, stellt sich einfach einen Ort vor, denkt fest daran und auf einmal…ist man da. Zurück bleibt nur eine löchrige Erinnerung an diese Situation. Aber als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich immer noch in Gales Gesicht, welcher immer näher kam. „Hör mal“, sagte er und stützte sich mit seinen Armen an den Lehnen meines Rollstuhls ab. Als er sich dann auch noch vorbeugte und meine Hände festhielt, damit ich nicht wegfahren konnte, wurde mir noch deutlicher bewusst, wie unfähig ich darin bin, mich zu wehren. Tausend Gedanken schossen durch meinen Kopf, die mich allerdings alles andere als beruhigten. „Als ob ich dich jetzt hier vergewaltigen würde“ sprach Gales weiter. „Erstens habe ich nur Sex, wenn die Mädchen das auch wollen“, er warf mir einen spöttischen Blick zu und grinste dreckig, „glaub mir, das wollen sie. Und zweitens bist du nicht mein Typ“. Als er das sagte, musterte er meinen Körper und ich fühlte mich noch unwohler. Ich wusste selber, dass ich nicht mehr die Attraktivste bin. Durch mein Krankenaufenthalt und meinen fehlenden Hunger musste meine Oberweite ziemlich leiden. Seitdem trug ich nur noch Schlabber-T-Shirts und weite Oberteile, um das gut zu vertuschen. Aber wenn dieses auch ein Junge bemerkte, tat es trotzdem weh. „Was willst du dann?“ Man hörte genau meiner Stimme heraus, dass ich Angst hatte. „Ich mache dir ein Angebot“ Gale lehnte sich noch weiter vor und ich konnte seinen Atem spüren, der gegen meine Wange stieß. Seine dunklen Augen schienen von der Nacht fast schwarz zu sein. Kurz schoss mir der Gedanke ist ja fast wie in Twilight in den Kopf. Schnell schaute ich zur Seite, um ein bisschen Abstand zu wahren. „Ich beobachte dich schon länger. Dich und deine Mutter. Geht sie nicht jeden Morgen um halb Acht kurz walken?“ Ich riss meine Augen auf. Woher wusste das? Wieso beobachtete er uns? „Wenn du meiner Mutter etwas antust…“ Ich wusste nicht, wie ich ihm drohen konnte. „Fährst du mir über den Fuß, oder was?“ Gale lachte heiser auf, und verdammt, sein Lachen gefiel mir. „Nein, aber ich habe Kontakte“, log ich, um nicht ganz so erbärmlich da zu stehen. Oder sitzen. Aber leider lies sich Gale davon nicht einschüchtern, denn mit seiner Hand umfasste er mein Kind und zwang mich, ihm in die Augen zu schauen. Mir wurde leicht schwindelig. „Also pass auf. Ich kenne deine Mutter und ich weiß, wo ihr wohnt. Alles, was du machen musst, ist mir etwas Bestimmtes zu besorgen, dann werden wir keine Probleme miteinander haben“ Soll ich ihm jetzt etwa Drogen besorgen, oder was? Plötzlich riss mich das Klingeln meines Handys aus meinen Gedanken. Gale, der mir schon viel zu nah gekommen war, griff nach meiner Handtasche, holte mein Handy raus und gab es mir. „Los. Sag deiner Mutter, alles ist okay. Oder ist es das nicht?“ Er holte aus seiner Hosentasche ein Messer heraus und mir stockte der Atem. Das silberne Metall glänzte, trotz Nacht und ich spürte, wie mir der Schweiß den Nacken runterlief. Als ich nach dem Handy griff, berührten wir uns wieder kurz an den Fingern, aber dieses mal konnte ich das angenehme Gefühl seiner Haut an meiner gut unterdrücken. Alles, an was ich denken konnte, war das Messer in seiner Hand. „Hey Mum“. Meine Stimme zitterte und man müsste eigentlich gleich bemerken, dass etwas nicht stimmt. Gale warf mir einen warnenden Blick zu. „Ashley verdammt. Ich warte schon seit 6 Uhr, dass du wiederkommst. Wo steckst du? Und warum bist du nicht an das Handy gegangen? Dir hätte sonst was passieren können. Wenn du noch einmal..“ Schnell unterbrach ich ihren wütenden Redeschwall. „Ich habe einen…“, ich brachte das Wort fast nicht über die Lippen, „einen alten Freund getroffen. Wir quatschen noch ein bisschen und so“. Ich glaubte, in meinem ganzen Leben meiner Mutter noch nie eine so absurde Lüge erzählt zu haben. „Oh“. Die Stimmung meiner Mutter änderte sich von einer Sekunde auf die andere. „Das ist ja prima. Guck, ich wusste doch, hier wird alles besser. Wer ist es denn?“ „Mum, ich erzähle dir alles später. Ich muss jetzt auflegen“, versuchte ich sie abzuwürgen und legte auf. Eine weitere Frage, getrieft mit Hoffnung, würde ich nicht überleben. „Ging doch“. Gale nahm mir das Handy aus der Hand und steckte es in seine Hosentasche. „Also. Zurück zum Geschäft. Aber bevor ich dir sage, was ich brauche: Kein Wort zu meinen Kumpels, falls du sie jemals wieder treffen solltest“ Ich nickte nur. Was anderes blieb mir eh nicht übrig, denn seine feste Hand umgriff jetzt wieder mein Kinn und ich war gezwungen, ihn anzugucken. „Du bist doch oft im Krankenhaus, oder?“ Ich nickte wieder. Ich hatte dort immer Physio-Therapie, regelmäßig Nachkontrollen und außerdem hatte meine Mutter noch einen Nebenjob als Arztsekretärin. „Gut. Alles was ich von dir will, steht auf diesem Zettel. Du hast bis übermorgen Zeit, Treffpunkt und Uhrzeit gleich wie heute. Viel Spaß, Ash!“. Er sprach bedrohlich meinen Namen aus und drückte mir einen kleinen Zettel in die Hand. „Und kein Wort zu irgendjemanden“, flüsterte er mir noch ins Ohr und seine Haare streiften meine Wange. Mir lief eine Gänsehaut den Rücken herunter. Bevor ich noch irgendetwas sagen konnte, winkte mir Gale spöttisch zu und kehrte mir den Rücken zu. Ich sah ihm noch nach, bis er die Straßenseite wechselte und um die Ecke verschwand. Es war still und dunkel um mich herum. Das Einzige, welches ich hörte, war mein klopfendes Herz in meiner Brust und wie ich versuchte, krampfhaft nach Luft zu schnappen. Und plötzlich schoss mir noch ein Gedanke in den Kopf: Er hatte noch mein Handy!
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Unconditionally ♥
Novela JuvenilDie 16. Jährige Ashley hatte ein perfektes Leben. Bis sie durch einen tragischen Unfall an den Rollstuhl gebunden wird. Nun wird alles anders. Aber vielleicht trifft sie dadurch ja auch die Liebe ihres Lebens? Aber reicht die Liebe aus, wenn er ein...