Herzschlagpulsierend-rot

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Ich lasse mich neben den Vasenscherben nieder. Ich will eigentlich nicht weinen, weil ich weiß, dass es nichts bringt, aber ich kann die Tränen nicht aufhalten. Sie rollen wie von selbst meine Wangen hinunter und tropfen auf den kalten schwarzen Fußboden. Nichts ist mir geblieben. Nichts ist mehr so, wie ich es früher war. Nicht mal mein Körper ist so, wie ich ihn zurück gelassen habe. Ich weiß noch, dass da eine kleine Narbe auf meinem rechten Daumen war, dort, wo ich mich als elf-jährige geschnitten hatte. Oder die Narbe auf meinem linken Unteram, dort, wo mich der Nachbarshund aus Versehen gebissen hatte, als ich sieben Jahre alt gewesen war. Oder die Narbe auf der anderen Seite meines linken Arms, dort wo man mich aufschneiden musste, weil ich vom Baum gefallen war und ich mir den Knochen gebrochen hatte. An all diesen Stellen ist die Haut jetzt glatt und weiß, wie sonst auch. Verzweifelt greife ich nach einer Scherbe. Dann werde ich eben- unten schlägt die Haustür zu und die Scherbe fällt mir vor Schreck wieder aus der Hand auf den harten Boden und zerspringt dort in drei Teile. Schnell wische ich mir die nassen Überbleibsel aus dem Gesicht. "Julienne?", brüllt Feyton. Ich richte mich auf und höre ihn die Treppe hinauf stapfen. Reiß dich zusammen, warne ich mich. "Was ist passiert?", fragt Feyton erschrocken und eilt auf mich zu. Er zieht mich hoch und sein Blick wandert von dem Scherbenhaufen auf meinen Köper und wieder zurück. "Ich wollte ins Bad und bin gestolpert", sage ich kleinlaut. "Naja, hauptsache, dir ist nichts passiert", er nimmt meine Hände und dreht meine Arme um. Sein Brustkorb senkt sich erleichtert. Ich bücke mich, um die Scherben aufzusammeln, aber Feyton ruckt an mir. "Nicht. Dass machen die Maschinen heute Abend, du musst nicht aufräumen." Ich nicke. Natürlich, die Maschinen. Ich kann nicht anders, als mir Roboter in Menschenform vorzustellen. Des Menschen gemachte Sklaven. Feyton hält mich immer noch an den Händen fest. Lansam schaue ich von den Scherben auf und blicke ihm ins Gesicht. Sein Blick verrät mir nichts gutes. "Wie schön sie dich gemacht haben", er streicht mir mit den Händen über meine Handgelenke. Mein Herzschlag ändert sich von einer Sekunde auf die andere von BumBum zu BumBumBum. "Wirklich schön", wispert er und zieht mich ein ganzes Stück an sich heran. Ich beiße mir fest auf die Zähne um nicht zu schreien. "Weißt du, ich habe sehr, sehr lange auf dich gewartet. Und jetzt bist du hier und noch viel schöner." Er stöhnt leise. Dieses Geräusch lässt mich tonlos würgen. Sein Gesicht kommt näher und bevor ich meinen Kopf wegdrehen kann, hat er schon seine fahlen Lippen auf meine gedrückt. Vor Schreck reiße ich meine Augen auf, seine sind geschlossen und er drückt mich gegen eine Wand. Ich kann mich aus seinem Griff nicht entwinden. Ich weiß, dass ich seinen Kuss erwiedern muss. Er darf nicht wissen, dass ich weiß, welche Geschäfte er damals geführt hat und vermutlich auch heute noch führt. Also wiederstehe ich dem Drang Feyton von mir zu stoßen, schließe meine Augen und stelle mir vor, dass Jael vor mir steht. Jael krallt seine Finger in meine Hüfte und zieht mich verlangend noch näher zu sich heran. Ich lege meine Hände um seine Schultern. Jael ist so nah, dass ich seinen Geruch zwischen unseren Küssen riechen kann. Er stöhrt mich. Jael würde niemals so einen aufdringlichen dominanten Duft auftragen. Ich kneife meine Augen fest zusammen und höre auf zu atmen. Jael wendet sich von meinen Lippen ab und küsst meinen Hals. Seine Hand wandert langsam unter mein Kleid. Oh Gott, ich kann das nicht. Ich schnappe nach der fremden Hand und ziehe sie wieder hervor. "Komm schon", wispert Feyton und streicht mir meine Haare zurück und küsst mich hinter mein Ohr. "Ich will deinen neuen Körper ausprobieren." Oh Gott, oh Gott, das hat er nicht wirklich gesagt. Ich beiße mir so fest auf die Lippe, dass sie aufreißt und sich ein metallischer Geschmack in meinem trockenen Mund verbreitet. Feytons Hand dringt wieder unter mein Kleid. Nicht die Augen öffnen. Nicht aufmachen, nicht atmen! Ich stehe wie ein Brett gegen die Wand gelehnt. Meine Hände hängen schlaff an mir runter. Bitte, lass irgwndwas passieren, bitte, bitte. Aber es geschicht nichts, Feytons Finger haben Zeit genug ihre Wege zu gehen.
Zufrieden grinse ich meinen Professor an. "Na sehen Sie, haben Sie es doch geschafft." Ich stemme meine Hände in die Hüfte und puste mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Mein Kunstwerk ist wirklich beeindruckend, dass muss ich selbst zugeben. "Sehr schön, wie Sie die Farben ausgeblendet haben." Er deutet auf den unteren Rand, dort wo ich schwarz, gelb, weiß und blau so miteinander fließen lassen habe, dass es mich an züngelnde Flammen erinnert. "Ich muss zugeben, dass ich am Anfang gedacht habe, dass ich das niemals schaffe, ich war kurz davor aufzugeben." Mein Professor grinst mich an. "Na, da müssen Sie aber eine Muse gehabt haben, die ihr Handwerk versteht", er zwinkert mir zu und drückt mir meine Note in die Hand. Dann geht er zu einem meiner Komolitonen.

Ich finde mich auf einem grau bezogenem Bett wieder, neben mir atmet Feyton schwer ein und aus. Mir wird übel und ich drehe mich weg. Heiße Tränen tropfen auf den Bettbezug und versinken sofort darin. Jael, wann kommst du endlich?

Zurückgeholt[Auf Wattpad beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt