Kapitel 15

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Finsterpfote wachte auf und sah sich blinzelnd um. An der Tatsache gemessen, dass sie soeben in einen See gefallen und beinahe ertrunken war, ging es ihr gut.

Sie streckte sich und setzte sich auf.

Das Nest neben ihr war leer, aber sie konnte den leichten Geruch von Morgenpfote noch ausmachen.

Dahinter lag Blumenpfote schlafend. Die Heiler waren gerade wohl nicht anwesend. Sie dachte, sie wäre allein, da bemerkte sie neben sich einen honigfarbenen Kater, dessen grüne Augen sie leicht genervt anschauten.

Sie erkannte Taubenjunges, ein Junges von Honigtatzes Wurf.

Finsterpfote hatte keinen Plan, was das Junge im Heilerbau machte, also fragte sie die naheliegendste Frage:

"Taubenjunges, was machst du hier?"

Der kleine Kater seufzte: "Meine Mutter wollte, dass ich hierher komme!"

"Wieso", wollte die schwarze Schülerin wissen. Sie konnte sich keinen Grund ausmalen, aus welchem das Junge alleine im Heilerbau sitzen und warten musste.

Taubenjunges machte ein mürrisches Gesicht und erklärte: "Ein Vorschlag unserer ehrenwerten Anführerin. Ich soll mal in das Heilerleben "reinschnuppern" und sehen ob es mir gefällt."

Finsterpfote betrachtete ihre Frage immer noch nicht als vollkommen beantwortet und fragte weiter: "Und wieso sollst du das tun?"

Der Honigfarbene musterte sie nun und sah so aus, als würde er sich zusammenreißen müssen, sie nicht zu beschimpfen.

Stattdessen fauchte er nur: "Ist das nicht offensichtlich? Ich bin halbblind. Himbeerstern denkt, dass ich nie Krieger werden kann. Wenn ich kein Heiler werde, bin ich genauso nutzlos wie die Ältesten!"

"Oh", die Kätzin hatte vergessen, dass das Junge nur halb so gut sehen konnte, wie sie.

Sie bereute, dass sie gefragt hatte. Taubenjunges drehte sich weg und murmelte: "Dein Mitleid brauche ich genauso wenig, wie das aller anderen!"

"Ich...ich wollte nicht..", sie wusste nicht was sie sagen sollte. Sie hatte den honigfarbenen Kater als aufgeregtes und aktives Junges in Erinnerung.

Nicht als mürrisch, so wie er jetzt war.

Andererseits wurde er gerade seinem Traum, den Traum eines jeden Jungen beraubt.

Sie schüttelte den Kopf: "Aber wenn du nun mal kein Heiler werden willst?", wollte sie wissen.

Er zuckte nur mit den Ohren: "Was weiß ich." Finsterpfote stand nun ganz auf und bewegte sich auf ihn zu. Sie war nur ein wenig größer als er.

"Außerdem ist Morgenpfote doch Heilerschülerin, jeder weiß, dass das so nicht geht!", meinte sie überzeugt und versuchte Taubenjunges ebenso in diese Überzeugung hinein zu ziehen.

Doch dieser zuckte abermals mit seinen Ohren und widersprach ihr: "Seien wir uns doch einmal ehrlich. Himbeerstern wäre es sehr viel lieber, wenn Morgenpfote Kriegerschülerin wäre.

Sie hat genug Temperament und ein loses Mundwerk. Sie sollte kämpfen und ich hier herumsitzen und heilen."

Er ließ seinen Kopf hängen und fügte hinzu: "Aber ich will nicht im Heilerbau versauern und anderen Katzen dabei zusehen, wie sie erfolgreiche Krieger werden.

Ich will zusammen mit meinen Geschwistern trainieren und eines Tages selbst einen Schüler haben. Ich will nicht ewig ohne Familie bleiben!"

Finsterpfote nickte bedächtig. Für sein Alter war Taubenjunges schon ziemlich ernst und überlegt.

Er wusste was er wollte. Also versuchte sie ihn aufzumuntern: "Sie können dich nicht dazu zwingen, etwas zu tun, was du nicht willst. Genauso wenig, wie sie darüber Macht haben, was Morgenpfote mit ihrem Leben tut oder ich. Das ist allein deine Entscheidung. Und wenn du wirklich Krieger werden willst, dann wirst du das auch.

Aber du wirst es schwerer haben, als deine Geschwister. Du wirst dich erst beweisen müssen, ihnen erst zeigen müssen, dass sie von dir dasselbe erwarten dürfen, wie von allen anderen.

Du bist anders, das muss dir klar sein, aber es muss nicht bedeuten, dass anders sein schlecht ist. Du kannst deine Stärken ausnützen und deine Schwächen kaschieren!"

Der Kater sah ihr mit seinen strahlend grünen, halbblinden Augen in die ihren und sie konnte ein kleines Funkeln entdecken.

Er richtete sich auf und miaute mit fester Stimme: "Du hast recht, ich werde ihnen schon beweisen, dass ich mehr kann, als sie mir zutrauen!"

Finsterpfote schnurrte: "Das wirst du." Taubenjunges berührte mit seiner Nase die ihre und lief dann aus dem Bau.

Sie lief durch den Wald. Immer in Richtung der untergehenden Sonne. Sie hatte ein Ziel vor Augen.

Das verlassenen Zweibeinernest an der Grenze.

Niemand wusste, warum genau es verlassen war, warum generell im Zweibeinerort niemand mehr wohnte.

Es war schon vor mehreren Blattwechseln geschehen. Es hatte keinen Grund dazu gegeben, man hatte alles einfach aufgegeben und verrotten lassen.

Aber sie war nicht hier um auf die Geschichte des Ortes einzugehen, sie wollte eine bestimmte Katze hier treffen und tatsächlich, als die ersten Sterne aufgingen, tauchte ein schwarzer Kater auf.

Finsterpfote lief vorsichtig auf ihn zu und blieb einige Schwanzlängen vor ihm stehen.

Ihre eisblauen Augen musterten Schatten, der im Gegensatz zu ihr glücklich aussah. "Schön das du gekommen bist!", miaute er zur Begrüßung.

Finsterpfote schüttelte den Kopf. Sie war sich nicht sicher, ob sie überhaupt noch hier sein wollte. Im Traum hatte sie kein anderes Bedürfnis gehabt, als mit einer nicht-Clankatze zu reden, aber nach dem Gespräch mit Taubenjunges, wusste sie, dass sie nicht die einzige war, die sich im Clan ein wenig ausgeschlossen fühlte.

Dennoch dachte sie, konnte es nicht schaden, es einmal mit dem Training von Schatten zu versuchen. Also kam sie gleich zum Punkt und fragte:

"Also was wolltest du mir zeigen?" Schatten schnurrte und erklärte: "Du musst lernen deine Gabe zu kontrollieren. Sie sollte nicht nur von allein losgehen.

Du musst sie unter Kontrolle haben, nicht sie dich!"

Finsterpfote nickte und zeigte damit, dass sie verstanden hatte. Dann stellte sie sich Schatten gegenüber auf und hörte auf dessen Anweisungen.

"Also du musst dich konzentrieren. Du musst sie fühlen. Du musst sie in dir rufen, dich von ihr erfüllen lassen und sie dann auf mich losschicken. Zuerst nur das, okay. Schick sie einfach auf mich los!"

Finsterpfote nickte wieder und schloss dann die Augen. Sie konzentrierte sich und suchte nach dem vertrauten Gefühl der Angst, das sie immer wieder auf andere losließ.

Sie suchte immer weiter, konnte aber keinen Hauch davon zu fassen kriegen.

Also öffnete sie die Augen frustriert und gab zu: "Ich schaff es nicht!" Schatten sah nicht enttäuscht drein, er schien nur zu überlegen.

Dann schlug er vor: "Versuchen wir es anders. Denk an all die Katzen, an denen du dich gerne rächen würdest.

Stell dir vor ich sei eine von ihnen. Gib mir alles was du hast. Zeig mit deine Wut!"

Abermals schloss sie die Augen und konzentrierte sich. Sie dachte an Roggenkralle und Rosenblatt. An die Demütigung.

Und plötzlich konnte sie die Angst spüren, die sie durchströmte und darauf wartete freigelassen zu werden. Und sie ließ sie frei.

Warrior Cats (Die Hüter 2): Licht der DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt