Kapitel 5

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Seit einigen Tagen hatte sie nun schon jeden Tag dieselben Aufgaben:

Ältestenbau reinigen, den Königinnen und Jungen Frischbeute bringen und deren Nester wechseln, den Krieger- und Schülerbau saubermachen und die beliebteste Aufgabe von allen: Zecken entfernen.

Sie war so daran gewöhnt, dass sie umso überraschter war, als Taupfote sie weckte und ihr freudig auf und ab springend mitteilte: "Komm mit, wir lernen heute jagen!"

"Du lernst heute jagen, ich werde wieder irgendwelche Baue ausputzen", murrte Finsterpfote, aber ihr Bruder schüttelte den Kopf und meinte: "Nein, Rabenfeder hat Roggenkralle überzeugt. Du kommst mit!"

Sofort war die schlechte Laune, die Finsterpfote seit ihrer Ernennung zu Schülerin überfallen hatte verschwunden und sie sprang auf.

Mit leuchtenden Augen lief sie mit Taupfote aus dem Bau in die bitterkalte Luft hinaus und rannte zum Lagerausgang.

Ihre Schwanzspitze zuckte nervös: Sie würde lernen zu jagen!

Rabenfeder und Roggenkralle standen schon vor dem Ausgang und starrten sich gegenseitig in Grund und Boden.

Es war sicherlich ein ziemlicher Streit gewesen, Roggenkralle zu überzeugen und Finsterpfote hätte nur zu gerne gewusst, wie Rabenfeder es geschafft hatte ihren Mentor dazu zu bewegen mitzukommen.

Als die beiden jungen Schüler neben ihren Mentoren stehen blieben knurrte Roggenkralle an Finsterpfote gewandt: "Du bist wieder einmal zu spät. Wie nicht anders zu erwarten!"

Aber selbst dieser abwertende Satz konnte ihre Stimmung nicht trüben.

Zum ersten mal, seit ihrer Zeremonie, würde sie wieder mit Taupfote etwas machen können und zugleich jagen lernen.

Der Tag entwickelte sich gerade zum besten seit langem.

Die vier Katzen liefen in den Wald zur Trainingskuhle, die eine kleine Vertiefung im Territorium war. Hier war Finsterpfote noch nie gewesen und auch Taupfote machte nicht den Eindruck sie zu kennen.

In den letzten Tagen war er vor allem die Grenzen abgelaufen um sie sich genauestens einzuprägen. Immerhin spannender als das was sie bisher gemacht hatte.

Roggenkralle ließ sich im Schatten einer kleinen Tanne nieder und beobachtete alles aus wütend zusammengekniffenen Augen.

Rabenfeder blieb mit den beiden Schülern in der Mitte der Kuhle stehen und deutete auf ein Grasbüschel, das ein wenig aus dem Schnee ragte.

Er erklärte: "Wir werden zuerst am Grasbüschel über, bevor ihr euch echter Beute zuwenden könnt."

Begeisternlt nickten die zwei und sahen Rabenfeder dabei zu, wie er sich ins Jagdkauern niederließ und langsam auf das Büschel zu schlich.

Er machte dabei nicht das leiseste Geräusch. Dann, aus den Nichts heraus sprang er ab und landete exakt auf dem Grasbüschel. Er wankte nicht und blieb dort einen Moment wie stehen. Dann meinte er: "Versucht ihr es doch!"

Finsterpfote und Taupfote hatten schon als Junge das Jagdkauern gelernt und sogar einmal eine Beute gefangen, das war zwar Zufall gewesen, aber das musste ja keiner wissen.

Deshalb konnten sie die Jagdmethoden bereits und landeten bald ziemlich perfekt auf dem Grasbüschel. Dann beschloss Rabenfeder es mit echter Beute zu versuchen.

Taupfotes Mentor wies sie an: "Ihr müsst genau wittern. Und seid nicht zu enttäuscht, wenn ihr beim ersten mal nichts fangt. Das geht den meisten so!"

Sie schlichen also durch den Wald, Rabenfeder vorne weg und Roggenkralle missmutig hinter ihnen.

Bald brachte der schwarze Kater vorne, die anderen mit einem Schwanzzucken zum Stillstand.

Finsterpfote witterte und erkannte den Geruch von Maus. Rabenfeder gebot ihr als erstes zu versuchen die Maus zu fangen. Sie ließ sich also ins Jagdkauern fallen und schlich leise, eine Pfote vor die andere setzend, näher.

Als sie dachte nah genug dran zu sein, sprang sie, verfehlte aber die Stelle auf der sie hätte landen sollen und rutschte aus. Die Maus floh.

Sie fauchte frustriert und ging geknickt zurück zu den anderen.

Rabenfeder munterte sie auf: "Das war für den Anfang gar nicht mal schlecht. Beim nächsten mal bekommst du sie bestimmt!" Doch Roggenkralle knurrte nur: "Ach bitte, sie hat sie verfehlt. Was soll daran gut sein. Sie hat es nicht geschafft, wie zu erwarten war. Warum sollte irgendwer sie loben?"

Das zerstörte das gerade aufkeimende Glücksgefühl und sie ließ den Kopf hängen.

Rabenfeder sah so aus, als hätte er gerne etwas erwidert, blieb aber still.

Sie liefen weiter und bald darauf war Taupfote dran, einen Spatz zu jagen. Doch auch er vermasselte es, indem er schon zu Beginn mit dem Schwanz durch einige Büsche raschelte.

Bald begann es zu schneien und ein starker Wind kam auf, der die Katzen zum Umkehren zwang.

Im Lager miaute Taupfote ihr zu: "Ich hole mir war vom Frischbeutehaufen und gehe dann vor den Schülerbau, kommst du mit?" Sie nickte.

Gerade als sie sich eine dünne Maus holen wollte, fuhr eine ihr wohlbekannte Stimme sie an: "Was gedenkst du gerade zu tun?"

"Ich hole mir etwas zu Essen!", erwiderte sie daraufhin und starrte in Roggenkralles Gesicht.

Dieser fauchte: "Hast du diese Maus gejagt?" Finsterpfote antwortete wahrheitsgemäß: "Nein habe ich nicht, aber der Clan versorgt uns und wir versorgen den Clan!"

"Der Clan versorgt Clankatzen, dich versorgt er nicht", korrigierte ihr Mentor hämisch grinsend.

Sie widersprach: "Ich bin eine Clankatze!", langsam bildete sich ein Knoten aus Trauer und Wut in ihrem Bauch. Warum konnte dieser Kater sie nicht in Ruhe lassen? Sie wollte doch nur etwas essen.

"Du bist keine Clankatze, das wirst du niemals sein", knurrte er ihr leise zu, sodass nur sie es hörte.

Fassungslos starrte sie ihn an und meinte dann, den Tränen nahe: "Ich will nicht länger deine Schülerin sein. Ich werde zu Himbeerstern gehen und sie um einen Wechsel bitten!"

"Mit welcher Begründung?", wollte Roggenkralle boshaft wissen.

Finsterpfote antwortete: "Ich werde von dir fürchterlich behandelt. Und lerne nichts!"

Roggenkralle fauchte nahe an ihrem Ohr: "Und wem glaubst du, wird die Anführerin eher glauben? Einer kleine Möchtegernschülerin, die die Hälfte ihres Lebens eine elende Streunerin war und sich nun einbildet eine Clankatze sein zu können oder mir?

Du wurdest uns nur von zwei Heilern aufgezwungen, sonst wärst du nie hier. Vergiss das nicht!"

"Warum tust du mir das an? Warum wolltest du mein Mentor werden?", wollte sie wissen und die ersten Tränen flossen aus ihren Augen, ihre Schnauze hinab und hinterließen kalte, nasse Spuren.

Roggenkralle schaute sie kalt an und antwortete dann höhnisch: "Ich wurde von Rosenblatt, meiner Schwester darum gebeten. Sie wollte sicher stellen, dass du nicht vergisst, wo du hingehörst.

Du wirst nie eine von uns. Und diesen Gefallen tue ich ihr gerne!"

Er schob sich zwischen sie und den Frischbeutehaufen, sie wandte sich ab und lief in Richtung Schülerbau, wo Taupfote schon auf sie wartete.

Als er sie sah, fragte er: "Was ist los?", doch schon wurde er von seinem Mentor, der von der ganzen Szenen nichts mitbekommen hatte zu sich gerufen.

Taupfote drehte sich noch einmal zu seiner Schwester um und versprach: "Ich komme wieder!", Dann lief er zu Rabenfeder und Finsterpfote stürzte in den Schülerbau, wo sie weinend liegen blieb und nach einigen Schluchzern endlich einschlief.

Im Traum konnte sie ihrer Verzweiflung auch nicht entkommen und so wartete sie auf das Erwachen, das wohl bald kommen würde.

Warrior Cats (Die Hüter 2): Licht der DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt