- Kapitel 2 -

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Brianna schreitet das Themseufer an der West Side entlang.
Hier lagen riesige Segelschiffe, die über ihr aufragten. Ihre weißen Segel bauschten sich majestätisch im Wind auf. Sie umrundeten die ganze Welt und trugen mit ihren weißen Segeln den florierenden Handel bis ins hinterste Eck Britischen Empires. Ein einziges Dampfschiff tuckerte bereits auf dem Fluss. Da Brianna nicht oft alleine draußen war genoss sie die Aussicht auf den Hafen mit vollen Zügen. Es musste ein beeindruckender Anblick gewesen sein!
Sie schlenderte weiter. Die Hände hatte sie in den Manteltaschen vergraben. Der fortwährende Regen machte ihr nichts aus, ihre durchnässte englische Haut war ihn gewohnt.
Es gab so vieles, dass sie jetzt gerne machen wollte! Sie genoss es endlich allein zu sein in einer großen, aufregenden Metropole voller Möglichkeiten. In ihrem Magen flatterte es. Wie gerne würde sie einmal eine Abendgesellschaft besuchen!
Sie war noch nie auf einer gewesen. Eigentlich eine Schande für ein 16-Jähriges Mädchen. Aber ihr Onkel hielt nichts von der Oberschicht.  Diskret hielt er sich aus diesen Kreisen hinaus. 
Das Gewirr von Matrosen, Kaufleuten und Lieferanten um sie herum, lenkten sie ab. Raue Stimmen übertönten sich gegenseitig während die Matrosen sich über die Krähennester etwas zuriefen. An einem der großen Schiffe wurde gehämmert. Hier wurden Segel geflickt dort Waren auf Pferdekarren verladen. Ein riesiger Belugawal wurde von Seeleuten auf einer Bahre in die Lagerhallen gebracht. Angeekelt und fasziniert betrachtete sie das unbekannte Tier. Es war trauriger Anblick. Der weiße Bauch war aufgeschnitten und die Organe quollen raus. Igitt. Sie wandte das Gesicht ab. Ein ekelerregender Geruch stieg ihr in die Nase, würgend hielt sie sich das Tuch um den Mund. Benommen aber kurz entschlossen bog sie in die Innenstadt.
Nach einem kurzen Fußmarsch war Brianna wieder in einer der Hauptstraßen der Stadt. Die Droschken zogen an ihr vorbei die Straßen hinauf. Verschiedene Leute strömten Brianna entgegen: beschäftigte Männer mit Schnauzbärten und Zylindern, elegante Damen in hochgeschlossenen Kleidern und verwöhnte junge Frauen, Arbeiterinnen mit eingefallenen Gesichtern, sehnige junge Männer und zwielichte Gestalten. Pferdemist lag auf den Straßen und die Räder der Droschken spritzten Wasser auf den Gehweg. Es wurde geschrien, flüchtig unterhalten, gedrängelt und diskutiert. Die Pferde wieherten und Räder knarzten. Jeder ging seinem eigenen flüchtigen Leben nach.
Brianna entdeckte ein Schaufenster mit Seidenkleidern. Das Mädchen hatte eine Faszination für fremde Kulturen entwickelt und stellte sich vor wie irgendwo im großen China eine Seidenraupe  angefangen hatte ihren Kokon zu bauen. Er wurde von einem Bauern gepflückt und nach altem chinesischen Brauch zu Stoff gemacht. Er fuhr über den Pazifischen Ozean bis in den Norden, in den Hafen von London. Jetzt stand er noch hier im Schaufenster aber bald würde eine edle Dame kommen und es mit auf ihren Landsitz nehmen, darin Feste feiern und Nächte durchtanzen. Vielleicht verschenkt sie es irgendwann einmal an ihre Tochter oder hob es für spätere Generationen in einer Truhe auf. Brianna dachte gerade wirklich darüber nach ein Kokon sein zu wollen. Verträumt starrte sie in das Fenster. Die vorbeiströmenden Leute spiegelten sich darin. Verschwommene Wesen gingen vorbei. Eine dunkle Gestalt löste sich aus der Masse. Sie ging immer näher ans Fenster, wie ein schwarzer Fleck, der immer größer wird. Brianna wandte sich um und sah hinter sich einen Mann stehen.
Er war groß und hatte einen langen Umhang an, sein Gesicht war verborgen unter einer Kapuze. Es umgab ihn eine Aura des Schreckens. Er ist bestimmt nicht hier um sich Kleider anzusehen, ging ihr durch den Kopf. Ein Frösteln durchlief sie, es war ihr als ob sich der Himmel verdunkelt. Verschreckt ging sie weiter.

Nach einiger Zeit sah sie nach hinten - und drehte sich sofort wieder um. Dieser Mann war direkt hinter ihr. Sie beschleunigte ihre Schritte und ging so schnell sie konnte. Trotzdem wollte sie nicht rennen um ihn nicht merken zu lassen, dass sie wusste, dass er sie verfolgte. Falls er das auch tat. Doch nach einigen Straßen war sich Brianna sicher - das konnte kein Zufall sein! Angst durchpumpte ihre Adern, ihr wurde schwarz vor Augen. "Es war soweit." schoss es ihr durch den Kopf. Onkel
Gilberts hatte sie vorbereitet.

Die Abenteuer der Brianna BrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt