„Wenn man alle logischen Lösungen eines Problems eliminiert, ist die unlogische obwohl unmöglich unweigerlich richtig."
Sherlock Holmes
Die nächsten zwei Tage standen im Vorgang merkwürdiger Dinge, welche die Städter äußerst beunruhigten.
Es begann damit, dass die Rohre anfingen wild zu gluckern. Die Menschen sahen an den Wänden hoch und wussten, dass etwas nicht stimmte. Eine riesige Flutwelle krachte durch die Kanalisationen, blubbernd und gurgelnd kroch das Wasser die schmutzigen Kanalwände hoch, dem weißen grellen Licht der Kanalöffnungen entgegen.
Oben in den Lüften wurden Wasserspeier von den Wassermassen in die Luft gesprengt. In einem letzten Triumpfflug sausten die grässlichen Fratzen mit auf die Menschen nieder, die schreiend auseinanderliefen.
Am 9. November berichtete die London Times von den ersten Todesfällen. Im mittelalterlichen Teil der Stadt ist ein Haus gegen 19:47 eingestürzt. 7 Menschen starben dabei, eine Person konnte sich retten. Die Stadtverwaltung redete von Glück, dass die nebenstehenden Gebäude nicht eingestürzt waren und schritt über die wertlosen Leichen von zwei Arbeitern hinüber. Niesend stieg der Herr Vizebürgermeister in seine Kutsche ein und fuhr ab.
Als die Ratten aus der Kanalisation zu flüchten begannen, schrieb ein besonders origineller Journalist von den „Plagen Londons".
Die kleinen Leutchen auf den Straßen kämpften sich an 10. November durch mittlerweile knöcheltiefes Wasser. Es hielten sich deutlich weniger Menschen draußen auf, jedoch war die Infrastruktur der Stadt noch in vollem Gange. Der Bürgermeister aß genüsslich sein Frühstück an diesem Tag. Er zeigte wenig Sorge.Es lag etwas Unnatürliches über dem Land. Brianna konnte es hören. Es knisterte in der Luft. Auch die Erwachsenen nahmen etwas wahr, sie schienen von Tag zu Tag nervöser zu werden. Onkel Gilberts, Bernhard und Mr. Collins kamen erst des nachts nach Hause und gingen im Dunkel des Morgens wieder ans Werk. Doch was genau sie machten, konnte Brianna nicht sagen. „Vorkehrungen treffen" und „alles vorbereiten" war das einzige, das sie hier und da aufgeschnappt hatte.
Ihre Zeit vertrieb sie sich mit Lesen. Onkel Bernhard hatte einen interessanten, wenn auch spärlichen, Büchergeschmack. In seinem verstaubten Bücherregal standen wirtschaftliche Ratgeber und ein Paar unangetastete wissenschaftliche Zeitschriften. Wenn Brianna nicht las, dann schaute sie aus dem Fenster, um dem Zeitungsjungen zuzuhören, der die Sensationen des Tages herausbrüllte. Sie versuchte Zusammenhänge zwischen den Vorgängen in der Stadt und ihrer geheimnisvollen Verfolgung zu finden.
Vielleicht war es nur die Abgeschiedenheit oder die Langweile, aber Brianna ertappte sich dabei, wie sie anfing, über die ungewöhnliche Natur der Dinge nachzudenken. Denn wenn man von einem scheinbar unmenschlichen Wesen verfolgt wird, die Erwachsenen über etwas Geheimem brüten und die Welt plötzlich Unterwasser steht, dann fängt man zwangsläufig an sich Gedanken zu machen. Vor allem, wenn diese Ereignisse so außergewöhnlich nah beieinander liegen. Nein, das war kein Zufall. Langsam kroch in Brianna der Verdacht hoch, dass sie es hier nicht mit gewöhnlichen Dingen zu tun hatten. Alles spielte verrückt.
Als sie sich mit diesem Gedanken ertappte, schlug sie sich mit dem Buchdeckel hart gegen den Kopf. Geschockt hielt sie inne und rieb sich die schmerzende Stelle. Sie wurde eindeutig verrückt aus Angst und Ungewissheit.
Eines Abends, Brianna saß auf ihrem Fensterplatz und starrte in den Regen, ertönte Onkel Gilberts Stimme aufgebracht aus dem unteren Stockwerk. Die Tür des Zimmers stand weit offen und der Schatten der Treppe zierte den Gang dahinter.
"Diese verfluchte Stadt! Nichts funktioniert mehr. Die Eisenbahnen fahren nicht mehr, die Kutscher fahren nicht mehr, geschweige denn die Busse. Und wenn man der Eisenbahngesellschaft Glauben schenken soll, dann sitzen wir noch bis Weihnachten in der Falle!" Impulsiv haute er auf den Tisch, dass das Holz knarzte. Alice massierte ihm währenddessen die Schulter, mehr um sich selbst zu beruhigen.
"Vielleicht hast du gar nicht so unrecht.", meinte sie nachdenklich.
"Recht? Und womit?" Er drehte sich missbilligend zu ihr um.
Alice sagt es so leise, dass Brianna sie fast nicht verstanden hätte. Doch als sie es tat riss sie die Augen auf.
"Mit dem Fluch."
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Die Abenteuer der Brianna Brown
Historical FictionBrianna lebt im düsteren London des 19. Jahrhunderts. Ihr Leben verlief bisher in geordneten Bahnen, bis sie sich eines Tages wiederfindet, auf den Straßen Londons, verfolgt von einem schauerlichen Fremden. Dieses Ereignis bringt Dinge ans Licht, vo...