- Schottland -

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I N     R I C H T U N G     N O R D E N

Verborgen, in der Dunkelheit, zogen die Berge und Täler der Lowlands an ihnen vorbei. Die Zugstrecke schlängelte sich quer durch die herbstlichen Wälder, stets in Richtung Norden.
Edinburgh erreichten sie um 8:15. Per Omnibus reisten sie weiter nach Inverness und erreichten  die schottischen Highlands.

Am zweiten Tag ihrer Reise, die gemächlich durch die Täler und Glenns der Grempian Mountains führte, blieb die Kutsche mit einem unvermittelten Ruck stehen. 
"A' bhuineach!" Ein saftiger schottischer Fluch riss Brianna aus ihrem Schlaf. Sie erblickte eine plüschige Wand gegenübervon ihr, keine zwei Meter entfernt, mit geschmacklosen grau-roten Streifen. Onkel Gilberts saß am Rande der gegenüberliegenden Bank. Er öffnete die Luke zwischen Fahrersitz und Passagierbereich und wandte sich dem Kutscher zu.
"Was ist los?"
Seine Stimme drang unangenehm wach an Briannas verschlafene Ohren. Ein herzhaftes Gähnen entwich ihr dann starrte sie benommen geradeaus.
"Och, diese verdammte Straße. Wir sind im Schlamm stecken geblieben!"
Durch die Sprechluke erpähte Brianna den wütenden kleinen Kutscher. 
Onkel Gilberts drehte sich wieder um und als er merkte, dass Brianna wach gworden ist, schenkte er ihr ein müdes Lächeln.
"Guten morgen Onkel." erwiderte Brianna seine nette Geste.
"Guten morgen.", entgegnete er gleichzeitig herzlich und erschöpft, und erhob sich ächzend um dem Kutscher zu helfen. In letzter Zeit hatte Onkel Gilberts ausgesehen wie ein müder, alter König, der das Regieren leid war. Die Flucht mit ihrem Umsänden, hatten ihn mehr mitgenommen als Brianna selber.
Briannas Morgengedanken schwirrten immer noch um den Kutscher. Er hatte Ähnlichkeit mit einem Leprechan. Von seinen sptizen, roten Ohren schloss sie, dass es draußen beträchtlich kalt sein musste. 
Brianna wollte plötzlich raus aus dieser Schachtel. Mit gebücktem Kopf stolperte sie nach links und warf die Tür auf. Sie raffte ihr Kleid hoch und stapfte in den Matsch der Straße. Als erstes verzog sie das Gesicht, doch dann rollte sich vor ihr die volle Schönheit der Highlands aus.
"Atemberaubend.",  flüsterte sie. 
Zu beiden Seiten des Weges erhoben sich zwei gigantische Glenns. Hoch oben über ihren Köpfen ragten die Gipfel in den Nebel hinein. In erstaunlich abgerundeter Form mündeten die Glenns in ein Tal, durch das sich ein urzeitlich, klarer Strom schlängelte. 
"Onkel! Ich gehe mir die Beine vertreten!", reif Brianna und steuerte auf den Wald zu, der die Straße säumte. Es empfing sie sattes Grün und nasses Gras. Gierig sog Brianna die frische Waldluft ein. Immer tiefer stolperte sie in die Wildnis, der Nebel wurde hier so dicht, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte. Die Wassertröpfchen schienen regelrecht in der Luft zu schweben. Brianna schlenderte eine Weile durch den Wald, bis sie an einen Flusslauf kam. Sie ließ sich das kalte Wasser über ihr, vom Schlafen, verklebtes Gesicht rinnen. Das Wasser rann ihr in genießerischer Kühle die Schläfen entlang. Hinter einem Brombeerbusch machte sie eine passende Stelle um sich zu erleichtern aus. Sie kauerte sich hin und bald vermischte sich Plätschern mit Plätschern.
Brianna beobachtete den Wald. Er war still. Der Nebel schwamm geräuschlos durch die Wurzeln und Geflächte und verschluckte alle Töne, die von außerhalb kamen. Die Bäume standen dicht beinander und warfen dunkle Schatten auf den Boden, zwischen denen die Gräser wie Finger aus dem Boden ragten.
Irgendetwas beunruhigte Brianna an dieser Szene. 
Dann bemerkte sie es. 
"Die Schatten....im Nebel gibt es keine Schatten."
Brianna bekam Gänsehaut. Angst und Dunkelheit krochen in ihr Herz, ein altbekanntes Gefühl, welches sie zuletzt auf den Straßen Londons  verspürt hatte.
Als sie verfolgt wurde. 
Krachen. 
Sie fuhr auf. Schützend hob sie die Arme um sich vor dem herunterfallenden Baum zu schützen.
Nichts geschah.
Blinzelnd öffnete sie die Augen.
"Ein Echo."
Heilfroh atmete sie aus.
"Nebel hält alle Geräusche in seiner wabbernden weißen Suppe gefangen und überträgt solche, die von weit her kommen, innerhalb seines Gebildes dreidimensional weiter.", rezitierte Brianna J. D. Parkers "Astronomische Phänomene". 
Schon wieder ein Knacken.
"Vermutlich ein Tier."  Brianna dachte an Hirsche und Rehe, doch dann kamen ihr Schreckensbilder von Bären und Wölfen in den Sinn, die ebenso in den abgelegenen schottischen Wäldern leben sollten. 
"Woher kommt das Geräusch?" , fragte sich Brianna im Gedanken.
Allmählich wurde es ihr zu unheimlich. Brianna beschloss kehrt zu machen und steuerte die Richung an, aus der sie gekommen war. Am liebsten würde sie ungestüm losrennen, doch sie zwang sich Ruhe zu bewahren und tief auszuatmen.
Ein Röcheln erfüllte die Waldluft.
Brianna erstarrte.
Das Röcheln wurde immer lauter und schneller, wie ein dämonischer Ritualgesang.
Brianna rannte.
Kein Ruf nach ihrem Onkel. Nur diese uralte Furcht in ihr.
Krallen scharbten gegen Baumstämme. Es suchte sich seinen Weg quer durch die Sträucher und Bäume, geradewegs auf sie. 
Fast benommen rannte sie geradeaus. Sie musste sich geradewegs zwingen weiterzurennen und nicht stehenzubleiben, aufgrund der unmenschlichen Angst, die ihre Gliedmaßen schwach und schwabbelig machte.
Da war eine Steinwand vor ihr. Ohne zu zögern sprang sie und landete mit den Nägeln hart auf dem Gestein. Blut rann ihr aus den Fingernägeln, doch das Keuchen war hinter ihr.
Sie hieb sich ihren Weg nach oben. Nägel knackten und Finger brachen.
Schluchzend erreichte sie den Gipfel.
Es war in der Grube.
"Es ist hinter mir. Es war ist mir!",  Schrie eine Stimme völlig von Sinnen in ihr.
Brianna sprintete weiter. Vor ihr ebnete sich der Waldrand. 
"Onkel Gilberts! Onkel Gilberts!" Brianna erkannte ihre eigene Stimme nicht. Sie hörte nur ein zu tode geängstiges Schreien.
Über der Wiese erkannte Brianna Onkel Gilberts und den Kutscher, die an dem Wagen herumhantierten. Bei ihrem hystrischen Schreien  hatten sie sich umgedreht. Als sie zum Waldrand blickten, erstarrten sie. Wie zwei Puppen standen sie da.
Brianna wollte, dass sie sich bewegten, in die Kutsche einstiegen aber sie brachte keinen Ton heraus. Ihre Kräfte verließen sie. Ihre Schritte gingen langsamer. 
Gilberts regte sich als erster.
"Brianna! Lauf!"
Sie nahm ihre letzten Kräfte zusammen. Briannas Lungen barsten, zerrissen in ihrem Körper in Fetzten.
Onkel Gilberts hiefte sich auf den Kutschbock, streckte seine Hand nach Brianna aus. Sie erreichte ihn und er zog Brianna, die in Ohnmacht zu fallen drohte, hinauf.
"Mr. Murgat! Kommen Sie!", schrie er.
Der Mann stand immer noch auf Stock und Stelle, unfähig sich sich zu rühren.
"Mr. Murgat!"
Es war nur noch einige Fußlängen von ihnen entfernt. Brianna steckte sich den Kopf zwischen die Knie und hielt sich die Ohren zu. 
"Fahr!", kreischte sie.
Mr. Gilberts schwang die Peitsche auf die, ohnehin schon durgehenden Pferde, und sie preschten los. Brianna musste sich festhalten um nicht herunterzufallen und beschmierte den Kutschblock mit  Blut.
Hinter ihnen begann Mr. Murgat zu kreischen. Dann verstummte er und sie hörten Geräusche von denen sie sich gewünscht hatten, sie nie gehört zu haben.
Brianna fand sich weinend an Mr. Gilberts Schulter. Dann brach sie zusammen. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 11, 2020 ⏰

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Die Abenteuer der Brianna BrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt