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,,Andere Welten sind schließlich nicht
irgendwo anders, sondern genau hier. Manche sind erdähnlich, auf anderen widerum herrscht zum Beispiel nicht so viel Schwerkraft wie bei uns oder es gibt zwei Sonnen."
,,Zwei Sonnen?", fragte ich ungläunig.
,,Doppelsternkonstellationen" , erwiderte Finn nur und ich fragte nicht weiter nach. Das war mir dann doch zu hohe Physik.
Irgendwann hatten wir begonnen, wieder gemächlich über die rege Ebene zu spazieren, während er mir die Prinzipien des Multiversums erklärte. Ich beschäftigte meine Gedanken dabei mit dem Erschaffen.
Gerade stellte ich mir eine Seerose vor, die in der Luft aufblühte, und schon erschien sie neben mir. Ich wollte sie gerade wieder verschwinden lassen, als sich ein affenartiges Wesen von einem Baum fallen ließ und sich die Blume schnappte.
Finn lachte über meinen verwunderten und erschrockenen Gesichtsausdruck. Ich ging nicht weiter darauf ein.
,,Und kann man andere Welten nur durch dieses Portal erreichen?", wollte ich stattdessen wissen.
,,Theoretisch kannst du an jedem beliebigen Ort die Welt wechseln. Aber wenn du nicht weißt, wie es an diesem Punkt in der anderen Welt aussieht, kann es sein, dass du zum Beispiel in einer Mauer oder in einem anderen festen Gegenstand landest, und das kann echt gefährlich werden. Mit der Zeit lernt man zwar, solche Situationen zu vermeiden, aber die meisten reisen trotzdem lieber durch das Portal. Das ist einfach sicherer."
,,Aber dann könnte es doch sein, dass eines Tages ein fremder Typ in meinem Zimmer auftaucht, während ich mich gerade umziehe?!"
,,Das könnte tatsächlich passieren", antwortete Finn grinsend. ,,Aber es ist möglich, eine Art Schutzschild über einem bestimmten Bereich zu errichten, sodass niemand dorthin wechseln kann."
,,Wann bringst du mir das bei?", fragte ich eifrig und Finn musste lachen.
,,Diese Methode ist eigentlich eher für
Königsschlösser und geheime Hauptquartiere gedacht, um sie vor Angriffen zu schützen, und nicht für den persönlichen Gebrauch, aber wenn du willst..."

In diesem Moment tauchte eine Hütte vor uns auf, genauso plötzlich wie vorher die Ebene. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es dieselbe war, durch die wir in dieser Welt angekommen waren.
,,Jetzt sollte genug Zeit vergangen sein, der Schaden ist hoffentlich behoben", erklärte Finn und öffnete die Tür.
Während ich noch darüber den Kopf schüttelte, dass Finn über Magie wie über einfache Technik sprach, kam mir ein neuer Gedanke: Wie sollten wir eigentlich zurück in den Gang kommen? Das Zimmer war schließlich komplett leer gewesen...
Und das war es auch immer noch, als wir jetzt darin standen.
Doch als ich die Tür hinter mir schloss, bemerkte ich etwas, das vorher sicher noch nicht da gewesen war: An der Innenseite der Tür hing ein Spiegel. Er war oval, hatte einen goldenen Rahmen und füllte die Tür fast komplett aus. Ein Mensch könnte hindurchsteigen, dachte ich verwirrt. Irgendetwas sagte mir, dass wir das auch tun würden.
Warum nicht selbst die Initiative ergreifen?
Kurz entschlossen trat ich auf den Spiegel zu, griff in den Rahmen und zog die Spiegelfläche zur Seite. Wie zuvor in meinem Zimmer fühlte sie sich an wie der Stoff eines Vorhangs.
Ich war kaum überrascht, als dahinter der graue Gang zum Vorschein kam.
Ich drehte mich kurz zu Finn um, und als er mir zunickte, stieg ich durch den Spiegel. Ein Rascheln hinter mir verriet mir, dass Finn es mir gleichtat.

Dieses Mal ging es viel schneller. Fast sofort setzte der Farbstrom ein, schon schwebten wir durch eine Flut von Bildern. Wieder wurde mir schwindelig, ich hatte das Gefühl zu fallen.
Dann war Boden unter mir. Diesmal wurde mir nicht schwarz vor Augen, trotzdem wagte ich nicht, sie zu öffnen.
Ich war mir sicher: Jetzt waren wir an unserem Ziel angekommen. Trotz allem, was ich schon erlebt hatte, hatte die Reise gerade erst angefangen. Nun ging es erst richtig los.

Ich hatte das Gefühl, eine Ewigkeit so dagestanden zu haben, als Finn mich am Arm anstupste. ,,Wie lange willst du deine Augen noch geschlossen lassen? Allunia ist nun wirklich nicht gefährlich."
Ohne die Augen zu öffnen, runzelte ich die Stirn. ,,Allunia? Wie viele Namen hat diese Lichtwelt denn noch?"
,,Nein, Allunia ist der Name dieses Landes. Das Land des Lichts."
Ich stöhnte. ,,Das Land des Lichts in der Welt des Lichts? Das wird ja immer besser."
,,Immer heller, meinst du wohl."
,,Ha, ha", murmelte ich, schon wieder in meinen Gedanken versunken.

Das war also die Reise, auf die alles hinauslief. Wir waren dort angekommen, wo wir sein sollten, wo die Suche begann. Ich schwor mir, für diese Zeit alles zu vergessen, was vorher gewesen war, und mich ganz auf meine Aufgabe zu konzentrieren. Und es zu genießen.

Also schlug ich die Augen auf und sah mich um.
Wir standen auf einem Fels inmitten von Felsen.
Bis zum Horizont konnte ich nichts anderes als graues Gestein entdecken, das in scharfen Spitzen zum Himmel aufragte. Keine war besonders hoch, aber das Gebirge schien fast...
Unendlich.

,,Wow." Ich sah mich um. ,,Müssen wir... müssen wir das alles zu Fuß durchqueren?" Der Gedanke war so unvorstellbar, dass ich es kaum wagte, ihn auszusprechen.
Finn trat vorsichtig einen Schritt an den Rand des Felsplateaus, auf dem wir standen.
,,Wenn wir Glück haben, nicht alles."
Ich stöhnte nur. Das war doch jetzt nicht sein Ernst, oder? Nun ja, langsam sollte ich wohl aufhören, mich das zu fragen.
Während ich auf den Zehenspitzen versuchte, irgendwo ein Ende dieses Gebirges zu erkennen, sah ich aus dem Augenwinkel, wie sich mein Begleiter schon über die Kante schwang und aus meinem Sichtfeld verschwand.
Eilig lief ich in die Richtung, in der er verschwunden war, und erkannte, dass der Boden nur knapp zwei Meter von mir entfernt war.
Ich setzte mich auf den Rand des Plateaus und ließ mich vorsichtig auf den Boden gleiten, wo ich von Finn mit einem ungeduldigen Blick empfangen wurde.

Von hier unten sahen das Gestein nicht mehr wie ein Gebirge aus, sondern eher wie ein Wald: Die Felsblöcke verdünnten sich alle nach unten hin zu etwas, das an Baumstämme erinnerte. Hier war ihre Oberfläche wie glatt poliert, wahrscheinlich vom Wind abgeschliffen, der leise durch die Zwischenräume heulte. Irgendwie lag auf dem ganzen eine stille, bedrückende Einsamkeit. Ich schauderte.

,,Also, wollen wir?" Finn sah mich immer noch an. ,,Du kannst natürlich auch hier bleiben und weiter in der Gegend herumstarren, aber... du weißt schon, die Welt rettet sich nicht von alleine."
Er verzog das Gesicht.
Ich nickte nur und folgte ihm zwischen den Steinstämmen hindurch ins Ungewisse.

Ella - Welt des LichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt