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,,Weißt du, wo Charlie ist?", empfing mich meine Mutter. Ich war erstmal völlig überrumpelt, musste dann aber grinsen.
,,Hast du schon im Trockner nachgesehen?"
,,Ella, das ist nicht witzig! Wo kann er denn nur sein?"
Sie machte sich wohl wirklich große Sorgen. Kein Wunder, sie liebte unseren Kater schließlich wie einen Sohn und war jetzt dementsprechend verzweifelt. Gut, diesmal konnte ich es schon nachvollziehen, denn Charlie war eine reine Wohnungskatze und verließ sonst nie das Haus. Aber vielleicht hatte er das ja auch gar nicht.
,,Ich bin schon durchs ganze Haus gelaufen, habe nach ihm gerufen, überall nachgesehen... Ich weiß wirklich nicht, wo er noch sein könnte!", jammerte meine Mutter. Ok, dann musste er wirkich draußen sein, Charlie mochte sie nämlich auch sehr und wäre garantiert zu ihr gekommen.
,,Ich gehe ihn suchen", erklärte ich mich seufzend bereit. Denn das war ganz offensichtlich die Aufforderung, die dahinter steckte.
Muss ich eigentlich alles machen?
,,Oh, danke! Du bist ein Schatz!"
Ich bekam noch eine Umarmung, dann zog ich mir die Schuhe an.

Doch als ich fertig war und zur Haustür ging, wurde diese schon von außen geöffnet.
,,Hallo, mein großer Schatz!", rief mein Vater und drückte mich fest.
Ok, jetzt ist es aber auch mal gut mit den Umarmungen, dachte ich, während ich mich von ihm losmachte.
Da kam auch schon meine Mutter angestürzt und motzte ihn an:
,,Wo warst du denn so lange? Nie bist du da, wenn ich dich brauche! Gib es doch zu, du machst nur so viele Überstunden, um keine Zeit mit mir verbringen zu müssen! Und was ist mit den Kindern? Glaubst du, denen ist es egal, wenn sie ihren Vater nur einmal pro Woche sehen? Und überhaupt muss ich hier alles alleine machen! Ich habe vor lauter Haushaltskram fast keine Zeit, um arbeiten zu gehen! Die ganze Familie leidet darunter, dass du dich hier nie blicken lässt!"

Oha. Das war das erste Mal, seit ich denken konnte, dass meine Mutter meinen Vater angeschrien hatte.
Früher hatten sie jedes Problem durch sachliche Diskussionen gelöst und in letzter Zeit hatten sie sich einfach angeschwiegen, aber jetzt... Naja, manche Dinge mussten wohl einfach mal gesagt werden...
Mein Vater hatte das alles ruhig über sich ergehen lassen, er versuchte nicht, sich herauszureden oder Erklärungen zu stammeln, er sagte nur:
,,Und, wer ist es? Ella, Elias oder Charlie?"
Wäre die ganze Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich jetzt laut losgelacht. Mein Vater kannte seine Frau einfach zu gut. Er wusste genau, dass sie nur bei diesen Themen so an die Decke gehen würde. Obwohl... Ich war mir ziemlich sicher, dass meine Mutter das schon lange hatte sagen wollen. Charlies Verschwinden war nur der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.

Meine Mutter schnauzte: ,,Es wäre schön, wenn du dieses Thema etwas ernster nehmen würdest! Wenn sich Ella gerade nicht bereit erklärt hätte, mir zu helfen, was hätte ich dann gemacht? Ich habe mal wieder im Haushalt zu tun, weil du nie da bist, und Elias ist auch gerade nicht da! Und überhaupt ist er noch viel zu jung, um so viel Verantwortung zu übernehmen! Er hat mir in den letzten Tagen sogar öfters im Haus geholfen, aber das hast du wahrscheinlich nicht einmal mitbekommen! Genauso wenig wie die Tatsache, dass Ella schon fast die Rolle eines Elternteils für ihn übernimmt und ständig an deiner Stelle Zeit mit ihm verbringt! Nein, der feine Herr muss ja von früh bis spät arbeiten! Damit hilfst du deiner Familie ja so sehr! Aber soll ich dir etwas verraten? Du würdest uns noch mehr helfen, wenn du auch mal zu Hause sein würdest!"

,,Ok, Ella wollte dir helfen und Elias ist gerade nicht da", überlegte mein Vater, für meinen Geschmack immer noch zu ruhig. ,,Also, was ist mit Charlie? Ist er krank? Nein, doch nicht von einem Tag auf den anderen..."
,,Als ob du überhaupt bemerkt hättest, ob er gestern krank war", schnaubte meine Mutter, wurde aber gar nicht beachtet.
,, ...also, soll ich suchen helfen?", beendete mein Vater seine Überlegungen. Manchmal hatte ich wirklich das Gefühl, er könnte Gedanken lesen. Entweder das oder er zog einfach immer die richtigen Schlüsse.
Trotzdem fand ich, er sollte das Ganze etwas ernster angehen, und war erleichtert, als er hinzufügte: ,,Es tut mir auch leid, dass ich nie da bin, aber ich will wirklich nur das Beste für die Familie. Ich wusste nicht, dass ihr mich hier so dringend braucht, aber wenn das so ist, werde ich ab jetzt mehr Zeit mit euch verbringen."
Das war doch jetzt nicht sein Ernst, oder? Langsam wurde ich auch wütend auf ihn. Erst ließ er sich tagelang nicht blicken und kam nur zum Schlafen her, und jetzt so eine Ausrede?
Natürlich mochte ich meinen Vater, und ich wusste auch, wie klug er war, darum ging es mir ja! Er wäre nicht so dumm zu denken, dass wir ihn hier nicht brauchten und er uns mit wahrscheinlich sogar unbezahlten Überstunden am meisten half. Irgendetwas anderes musste dahinterstecken...
,,Ich werde auch im Haushalt helfen, aber jetzt kann ich doch mit dem Wiedergutmachen anfangen, indem ich Zeit mit Ella verbringe und mit ihr Charlie suche, oder?"
Dazu fiel meine Mutter nichts mehr ein, sie ging zurück in die Küche und rief über die Schulter: ,,Darüber reden wir nochmal!"
Und mein Vater und ich machten uns auf die Suche nach Charlie.

Ella - Welt des LichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt