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,,Okay."
Finn stellte sich breitbeinig vor mich hin, wie immer ohne jede Erklärung.
,,Und jetzt nimm meine Hand."
,,Okaaaaay....", wiederholte ich, zunehmend unsicher. Wollte er das jetzt wirklich durchziehen?
,,Jetzt mach schon." Er grinste mich schief an. ,,Ich werde dich schon nicht fressen."
Für einen gefährlichen Agenten war er doch ziemlich sympathisch...
Schließlich folgte ich seiner Anweisung. Er hatte recht, was sollte schon passieren? Schlimmer als ein Haus voller Monster konnte es nicht mehr werden. Außerdem war ich doch ein ganz kleines bisschen neugierig, wie das alles hier funktionierte. Falls es funktionierte...

Finn führte mich auf einen Vorhang an der Wand zu. Bei genauerem Hinsehen fiel mir auf, dass die Fußabdrücke aus allen Richtingen dorthin zu führen schienen. Aber dahinter konnte sich doch höchstens eine Abstellkammer verstecken, denn dann kam ja schon der andere Raum - oder?
Ich musste an das Schlafzimmer nebenan denken, das sich plötzlich in irgendeinem Park befunden hatte, und mir wurde mulmig zumute. Trotzdem folgte ich dem Agenten, als er den Vorhang erreichte und ihn langsam beiseite schob. Dahinter befand sich - ein Gang. Mir stockte der Atem. Wie war das möglich?
,,Was..."
Aber Finn bedeutete mir mit einer Handbewegung, still zu sein, und ging vor mir in den Gang. Seine Hand fest umklammernd, folgte ich ihm.

Der Gang war einheitlich grau und kaum breit genug, um nebeneinander zu laufen. Weiter hinten wurde es heller, ein blendend weißes Licht in scheinbar unendlich weiter Entfernung, aber hier herrschte düsteres Zwielicht. Die Wände schienen alle Farben zu verschlucken, ich kam mir vor wie in einem alten Schwarzweißfilm.
Es war still, so still, dass ich mein Blut in den Ohren rauschen hörte. Unsere Schritte machten kein Geräusch bein Gehen.
Wir liefen nicht schnell, ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass es nicht auf Strecke ankam. Wir wollten nicht ans Ende gelangen, sondern warteten auf etwas, das jeden Moment eintreffen konnte.
Die Spannung war drückend, es schien nicht genug Luft zum Atmen zu geben. Ich keuchte.
Finn neben mir blieb gelassen, bestimmt hatte er das schon tausend Mal gemacht. Er zeigte kein Zeichen von Anspannung, nur der Griff seiner Hand wurde stärker.
Wohin gingen wir?
Plötzlich wurde mir schwindelig. Ich taumelte und Finn musste mich stützen, schien aber selbst nicht mehr ganz sicher auf den Beinen zu sein. Lag das wirklich an mir oder drehte sich der Gang jetzt? Es musste Einbildung sein, denn wir konnten weiter gerade gehen, ohne herumgeworfen zu werden. Trotzdem sah ich die Wände weiterhin wie eine Spirale um uns herumkreisen.
Was passierte hier?
Auf einmal waren da Farben, Schlieren wie geschmolzene Teile von Regenbögen zogen sich die Wände entlang, kreisten in der Luft um mich.
Ich wusste nicht, ob wir uns noch bewegten oder schwerelos durch den Gang glitten, ich spürte meinen Körper nicht mehr. Meine Gedanken wurden immer schwerer, während wir jetzt komplett von Farben umhüllt waren.
Das Licht kam immer näher, wir glitten durch einen Trichter aus kreisendem Regenbogen.
Was geschah mit mir?
Dann tauchten Bilder auf, Fetzen wie vergessene Erinnerungen, die an uns vorbeizogen. Ich sah Menschen, Tiere, einen Baum, ein Haus. War das gerade die Grinsekatze aus Alice im Wunderland?
Da waren Einhörner und Pegasi, riesige Spinnen und Wesen, deren Namen ich nie kennen würde. Ein riesiger Fisch schwamm an uns vorbei, ich sah die Eingangshalle einer Villa, vielleicht eines Schlosses. Ein Pfeil schoss auf mich zu und geradewegs durch mich hindurch. Dann ein Junge, der mir vage bekannt vorkam. Er lachte, das Geräusch hallte von den sich drehenden Wänden wieder und verschwand in der Unendlichkeit. Dann Licht. Das Licht wurde heller, wurde gleißend. Ich schloss die Augen.

Plötzlich spürte ich Holzboden unter mir, es roch nach Staub und Harz. Finn war neben mir, ich hörte ihn sagen: ,,Willkommen auf der anderen Seite des Vorhangs."
Dann wurde mir übel und ich fiel in tiefe Schwärze.

Ella - Welt des LichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt