INNOCENTIA

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Lila war schwindlig. Die Welt drehte sich in wirren Mustern vor ihren Augen. Und doch lachte sie laut. Alles war wunderschön bunt! „Gib mir noch einen." nuschelte sie. Der Mann neben ihr verstand sie nicht richtig. „Noch einen!" herrschte sie sofort. „Hey hey, ruhig kleine. Das bringt dich um." „kannst dir mein Geld nehmen wenn ich sterbe. Komm jetzt!" er zögerte. „Ey Mann du kannst mich in den Knast bringen." Lila trat ihre Handtasche um, und ein Bündel Geldscheine fiel auf den Boden. Der Dealer machte große Augen und kramte hastig eine Spritze aus seiner Tasche. Er stach sie Lila in den Arm neben den zwei anderen und drückte durch. Die Wirkung setzte sofort ein: die Welt wirbelte noch schneller, Boden und Decke kamen sich näher, unter der Brücke wurde es langsam heller. Der schmierige Kerl sah entsetzt zu, wie Lilas Körper anfing sich in Luft aufzulösen. Sie fühlte sich mächtig, so mächtig wie sonst nie. Übermenschlich war dieses Gefühl. Sekunden nachdem Lilas Körper verschwunden war, detonierte die Luft mit einem lauten Knall. Lila stand wieder da, die dunklen, violetten Haare immer noch so verwuschelt wie vorher. Die Explosion schleuderte den Dealer davon, sein Schädel knirschte, als er einen Brückenpfeiler traf. Lila musste müde schmunzeln. Dann nahm sie ihre Handtasche auf und ging.

Octavias Gesichtsausdruck brachte Judas zum Lachen. „Was war das?!" rief sie entsetzt aus. Judas grinste. „Toll, oder? Immer, wenn sie sterben würde passiert das. Ich habe mit ihr getestet. Ich war so nah an der finalen Theorie dran, und dann kam ich in den Knast. Das gute ist, dass niemand meine Forschung stehlen wird, weil jeder sie für Spinnerei hält." „wie soll sie uns aber helfen?" „ich denke es gibt eine Verbindung zwischen unserem Zustand und ihrer Kraft da. Sie baut sich aus dem Zustand in dem wir gerade sind einen neuen Körper." „woher weißt du das? Hat sie dir das gesagt?" „nein, sie hat keine Ahnung. Das ist wahrscheinlich instinktiv. Wenn das aber so ist..." Judas ging auf und ab unter der Brücke. Octavia bemerkte eine Frau, die hektisch mit der Polizei telefonierte, weil sie den Toten gefunden hatten. Der Rothaarige setzte sich hin und kritzelte langsam Zeichnungen in den Dreck. Octavia hob die Augenbrauen. „Wie..." setzte sie an, weil sie wissen wollte warum Judas überhaupt etwas anfassen konnte, da fing er gelb zu Leuchten an. „Ja! Du hast es!" rief Octavia begeistert, als Judas wieder aufstand, nur dies mal als physischer Mensch. Der Sand knirschte unter seinen Füßen, mit geschlossenen Augen tastete er auf dem Sand umher, horchte auf die Geräusche der Großstadt. Dann sog er die dreckige Luft ein. Doch für Judas war es eine Offenbarung. Eine Taubheit war von ihm abgefallen, von der er nicht mal wusste, dass sie ihn umfangen hatte. Er öffnete die Augen und war sofort geblendet von dem Licht. Das Licht stellte sich jedoch als Autoscheinwerfer heraus. Zwei Polizisten standen mit erhobenen Waffen vor ihm. „Hey! Hände auf den Kopf und hinknien!" rief der eine. „Whoa! Leute, das is ein ganz großes Missverständnis!" rief Judas zurück, aber die beiden sahen nicht aus, als würde sie das interessieren. Also kniete er sich langsam hin.

Ziellos irrte Octavia durch die Stadt, hinter dieser Lila her. Irgendwie musste sie Judas helfen, und was übernatürliches anging war Lila ihr einziger Anhaltspunkt. Aber das Mädchen konnte Octavia natürlich weder sehen noch hören. Wäre ja auch sonst zu einfach gewesen. Gegen Mittag betrat sie ein kleines Cafè und bestellte sich einen Kuchen und eine heisse Schokolade. Im Radio spielten sie gerade eines von Octavias Lieblingsliedern aus ihrem alten Leben. Octavia, die langsam verzweifelte, versuchte sich zu beruhigen. Sie fing langsam an, im Kopf mitzusingen. Dann summte sie leise die Melodie mit. Lila sah sich nach dem Radio um. Sie schnipste mit dem Finger und erwartete wahrscheinlich, es damit auszuschalten. Aber das Radio hörte nicht auf. Stattdessen fing der Mann neben Lila an, die Melodie zu summen. Sie fing an zu singen. Der Text flog ihr einfach zu, auch wenn sie sich nicht vollständig erinnern konnte. Einige Gäste im Café fingen ebenfalls an zu singen. Wie ein Feuer verbreitete sich das Lied durch den kleinen Raum. Der Barista und zwei Verkäuferinnen ließen ihre Arbeit fallen und sangen ebenfalls mit Octavia zusammen das Lied. So plötzlich wie es angefangen hatte, endete das Phänomen. Die Gäste und Verkäufer sahen sich alle etwas benommen, aber glücklich an. Octavia beobachtete sie lächelnd, doch Lila stand auf und verließ stürmisch den Raum. Schnell folgte Octavia ihr in eine Seitengasse. „Okay, zeig dich. Wer bist du?" sagte Lila laut. „Witzig. Du hörst und siehst mich nicht." murmelte Octavia. „Ich kann sowas nicht ausstehen." sagte Lila laut. Doch Octavia kam eine Idee. Sie fing leise an zu singen. „Sie hat ständig irgendwas in der Hand, sie schaut zu Boden, oder an die Wand. Sie redet nicht." einige Passanten drehten sich wie benommen in ihre Richtung. Mit einem müden Gesicht, als hätten sie Opium genommen, sangen sie mit: „Sie wird nie vom Schlaf übermannt,
sie hinterlässt auch keine Fußspuren im Sand. Und sie redet nicht." Lila sah die drei Männer, die ihren einsamen Chor sangen schief an. „Sie ist unscharf an den Rändern, man erkennt sie nur verschwommen. Das ist leider nicht zu ändern." „okay, ich verstehs ja! Du bist unsichtbar. Was willst du von mir?" „Oh, I get by with a little help from my friends. Mm, I get high with a little help from my friends. Mm, gonna try with a little help from my friends" „ah ja." lila fing an die Situation lustig zu finden. „Okay. Also Hilfe für einen Freund. Und wobei?" Auch hier fiel Octavia wieder ein perfektes Lied ein: „Breakin' rocks in the hot sun. I fought the law and the law won. I fought the law and the law won" sangen die drei das Lied von the clash. „Hm okay. Ich denke also Polizeiwache." sagte Lila laut. Octavia stieß einen Freudenschrei aus. Die Passanten sahen sich verwirrt an, und kehrten dann in ihren Alltag zurück. Lila jedoch war neugierig. Paranormales machte ihren Alltag schon immer interessant.

Urban AngelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt