4. Sad Songs & Therapeut Tim

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Kapitel 4

E l l a

Sad Songs & Therapeut Tim 


Das letzte Mal legte ich die Schlüssel auf das Schuhregal neben der Tür als Mieterin meiner alten Wohnung. Die Musik in meinen Ohren schalteten alle Geräusche um mich herum aus. Das kühle Display meines Smartphones fühlte sich taub in meinen erhitzten Fingern an, als ich die sehnsuchtsvolle Stimme noch lauter stellte.

Ohne es zu bemerken schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht, obwohl die Wohnung vor mir wie eine leere Seele in der untergehenden Sonne stand.

Das Blut pochte in meinen Venen, als ein gleichmäßiges Klatschen die Stimme des Mannes begleitete und eine Gänsehaut breitete sich auf meine Armen aus, sosehr berührte mich dieser Song. Euphorie schien mich zu durchbohren, als ein Schmerz meine Brust streifte und mich zum Fenster trug, in dem mir mein Spiegelbild traurig entgegenblickte.

Ich hatte alles, was ich je wollte. Ein Traumstudium in der Traumstadt. Ein paar Freunde, die nett waren und eine gesunde, liebevolle Familie. Was war also mein Problem, das ich nie wirklich zufrieden ins Bett ging?

Manche Menschen hatten gar nichts. Jeden Tag starben Kinder im Krieg und an Hungersnöten, Tierarten wurden ausgerottet, und andere stürzten sich vom Himmel, weil sie ihren Schmerz und die Leere in ihrem Inneren nicht mehr aushielten.

Doch wieso liefen mir jetzt die Tränen die Wangen hinunter, die nicht einmal die Wärme der Sonnenstrahlen verdecken konnten?

Als das nächste Mal der Chorus erklang, riss ich mir die Kopfhörer aus den Ohren und schmiss sie auf die Couch. Mein Smartphone knallte auf den Boden, doch ich kümmerte mich nicht um den neuen Riss. Wütend auf mich selbst, hob ich es auf und stürmte in mein Zimmer, das nur noch aus Kartons und meinem Bett bestand. Selbst mein Schreibtisch war schon abgebaut und verstaut.

Ein Schluchzen schlich sich aus meiner Kehle und erschrocken hielt ich mir den Mund zu.

Meine Mitbewohnerin war nicht zu Hause, das wusste ich, sie war bei ihrem Freund und half ihm alles für den Umzug herzurichten, doch... ich konnte mir nicht helfen und sank gegen einen Karton mit der Schrift: Private Sachen.

Ich vergrub mein Gesicht in beiden Händen. Vor nicht einmal einer Stunde hatte ich mich noch mit Gabriel über die neue Wohnung gefreut und jetzt... allein in meiner leeren Wohnung mit unbeantworteten Nachrichten auf meinem Smartphone und scharfen Stimmen in meinem Kopf, die mich in die Bibliothek zogen, weil ich heute noch nichts gelernt hatte, fühlte ich mich ... plötzlich schlecht.

Auch wenn andere Menschen Probleme hatten, die wahrscheinlich schlimmer waren, als meine, konnte man von mir aber nicht erwarten, dass meine Probleme für mich selbst nicht zerstörerisch waren.

Ich hatte so große Erwartungen an das Leben und saß jetzt in einer täglichen Routine fest, die mich langsam auseinandernahm. Ich war kein Mensch, der sich oft beklagte, doch, wenn ich ehrlich war, war mein Leben langweilig.

Ich wollte ein Leben voller Abenteuer. Jemand sollte an meiner Tür um vier Uhr morgens klopfen und sagen: „Liebes, schnapp dir deinen Mantel, hinterlass eine Nachricht und kommt mit, ich habe einen Platz gefunden, an dem wir uns den Sonnenaufgang ansehen können"

Ein weiteres Schluchzen ließ meinen ganzen Körper erbeben. Ich brauchte keine schicken Restaurants oder Gucci Taschen, ich wollte eine Zukunft, die mich auch noch in meinem Sterbebett liegend lächeln ließ.

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