6. Alte Küken

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Kapitel 6

E l l a

Alte Küken 


Die ersten Blätter fielen bereits auf die Windschutzscheibe, als mein Bruder dem schwarzen Audi meines Vaters durch den Verkehr Münchens folgte. Heftige Windböen fegten über die Dächer der Hochhäuser hinweg und die Passanten auf den Straßen hielten krampfhaft ihre Kapuzen fest. Dicke Regentropfen prasselten gegen die Scheiben und seit geraumer Zeit hatte ich meine Hände nicht mehr von dem Gebläse genommen. Tim neben mir hatte bereits die Ärmel seines Pullovers über die Finger gezogen, denn sein uralter VW Bus war nicht wirklich für solche Witterungen erfunden worden.

Die Ampel schaltete auf Rot und wir hielten an. Leise spielte ein Lied im Radio, das ich noch nie gehört hatte.

Ich warf einen Seitenblick zu Tim. Dieser trommelte ungeduldig auf seinem Lenkrad und lehnte seinen Kopf an die Lehne.

Wir hätten keinen schlechteren Tag erwischen können, um einen Umzug zu starten. Auch wenn die Einfahrt von Oma Kleins Haus doch recht großzügig war und wir nicht allzu viele Kisten zum schleppen hatten, würde es doch noch eine Zeit lang dauern, bis Tims und meine Körpertemperatur wieder auf dem Normalstand sein würde.

Bei meinem Vater machte ich mir keine Sorgen. Dieser hockte auf einem beheizten Sitz in einer einmummelnden Wärmewolke in seinem neuem SUV.

Ich saß nur bei meinem Bruder, weil ich mein Bettgestell festhalten musste, damit es nicht bei einer Vollbremsung durch die Windschutzscheibe knallte. Ob ich allerdings eine solche Reaktionswahrnehmung hatte, behielt ich für mich.

Das Lied stoppte und der Moderator begann die neuesten Nachrichten herunterzurattern. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu.

Tim drückte wieder aufs Gas, als die Ampel umschaltete und fädelte sich hinter unserem Vater durch den Verkehr bis nach Trudering.

Die Einfahrt war verweist, als wie nach einer guten dreiviertel Stunde später ankamen.

Nicht einmal das alte Auto, an das ich mich noch von meinem letzten Besuch erinnerte, parkte in seiner Garage. Nur das Motor Cross Bike stand unverändert dort.

„Na dann." Tim schaltete den Motor aus und nickte mir aufmunternd zu. Unser Vater schlug bereits die Autotür zu und öffnete den Kofferraum.

„Los geht's also", murmelte ich und folgte meinem Bruder nach draußen. Mächtige Eichen wankten im Wind und die ersten Gewitterwolken zogen sich über unseren Köpfen zusammen. Nur der Regen hatte an Stärke abgenommen und nur noch leichter Rieselregen durchfeuchte meine Haare.

Mein Vater drehte sich zu mir um und stopfte sein Smartphone wieder zurück in seine Daunenjacke. Missmutig wanderte mein Blick zu der Zigarette in seiner rechten Hand, die meine Mutter ihm eigentlich verboten hatte. Um keinen Streit anzufangen, hielt ich meinen Mund und nahm die erste Kiste zur Eingangstür.

„Wie kommt es eigentlich, dass du dir eine solche Wohnung leisten kannst?", fragte mich Tim und wartete darauf, ebenfalls schwer beladen, dass ich die Tür aufschloss.

„Ich glaube, die Oma ist reich und braucht mein Geld nicht", sagte ich nur und drückte die Tür auf. Das Treppenhaus war nicht eingeheizt und schnell stellte ich meinen Karton auf die Marmortreppe, um meine eigene Haustür aufzuschließen.

„Sieht ganz danach aus. Das Haus ist ja der Wahnsinn", staunte er.

„Wart's ab, bis du's drinnen siehst."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 04, 2019 ⏰

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