1. Munich City - was sonst?

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Kapitel 1 

Ella 

Munich City - was sonst? 


Die Welt schien es nicht zu kümmern, ob ein Student mehr oder weniger fassungslos auf den Straßen umherlief und mussmutig in sein Smartphone tippte. Waren wir diese Generation nicht? Die Jugend mit ihren Smartphones, zwei Phänomene, die man nicht trennen durfte oder die man selten allein sah. Ich wünschte, ich würde gerade mit einem Exfreund schreiben oder wenigstens mit meinem Bruder nur streiten, doch meine Frustration war leider nicht von solchen banalen Dingen abzuleiten. Mein Mietvertrag lief aus oder besser gesagt, ich wurde freundlicher Weise gebeten, meine Sachen bis zum Ende der Semesterferien auszuräumen, damit meine Mietbewohnerin Platz für ihren Hippiefreund hatte. Und so gutmütig ich nun mal war, oder einfach das Gekicher im Nebenzimmer und sonstige Veranstaltungen nicht mehr mitanhören zu müssen, stand ich nun vor einer U-Bahn-Station und wusste immer noch nicht in welche Richtung ich zu meiner nächsten Besichtigung musste.

„Verdammtes Netz!", fluchte ich leise vor mich hin und schlug mein iPhone gegen meine Handinnenfläche.

Bereits drei Wohnungsbesichtigungen hatte ich hinter mir. Die erste war viel zu überteuert, aber was hatte ich mir erhofft in einer Appartementwohnung in Maxvorstadt? Unbezahlbar.

Die zweite war eine reine Jungs-WG, und rein praktisch hatte ich nichts gegen das andere Geschlecht, ich war schließlich mit drei Brüdern großgeworden, waren diese zwei Exemplare dann doch etwas zu strange für mich. Auf die Frage, ob ich Lust auf eine Pokémon-Go-Jagd hätte oder mit ihnen zum nächsten Fortnite Turnier fahren möchte, hatte ich dann doch schnell die Flucht ergriffen. Solche Playstation-spiele hatten mir nächtelang den Schlaf geraubt.

Die letzte Besichtigung war ganz nett gewesen. Eine Architekturstudentin hatte gerade ihre Mitbewohnerin verloren, da sie dieses Semester ihren Master gemacht hatte, doch leider fand sie jemanden, der ihr mehr zusagte und mir abgesagt. Schade, denn mir ging langsam die Zeit aus.

In drei Wochen würde mein drittes Jurasemester beginnen und ich war fest davon überzeugt, nicht zu meinen Eltern zu ziehen und jeden Tag eine Stunde nach München zu pendeln. Ich war einundzwanzig. Groß genug, um selbständig auf den Beinen zu stehen, oder zumindest es so aussehen lassen, als hätte man sein Leben im Griff.

Ich verzog bitter das Gesicht und ließ den Kopf in den Nacken fallen. Ein kalter Wind blies mir meine blonden Haare vor die Nase und ließ mich in meiner Jeansjacke frösteln. Der Herbst stand kurz vor der Tür und obwohl er zu meiner Lieblingsjahreszeiten gehörte, war ich immer noch nicht in Stimmung, trällernd durch die Straßen zu hüpfen.

Ich musste unbedingt diesen Standpunkt öffnen, die mir der nächste Mitbewohner per Email zukommen hat lassen.

Ich entfernte mich von der U-Bahnstation und kaute nervös an meinem Daumennagel, bis mein Handy endlich die erhofften 4G anzeigte.

„Geht doch", murmelte ich und öffnete die Mail erneut und gab die Adresse in Google Maps ein.

Die Wohnung lag drei Station entfernt von meinem jetzigen Standpunkt.

Schnell sah ich auf die digitale Uhr und fuhr herum. Ich hatte noch zehn Minuten, bis es zwei Uhr schlug. Ich nahm jeweils zwei Stufen die Treppe in den Untergrund und versuchte ohne meine Brille die Schilder und Nummern zu lesen.

Nach nur geschlagenen zwei Minuten wartete ich ungeduldig und mit dem Fuß wippend auf die U-Bahn.

Es war nicht viel los. Die meisten Studenten blieben nicht in München, sondern fuhren heim zu ihren Eltern oder in den Urlaub.

Ich durfte mir eine neue Bleibe suchen.

Der Zug kam und trug den gammelnden Gestank nach feuchtem Metall mit sich.

Ich war schon in solcher Übung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, dass ich mich bereits blind vom Hauptbahnhof in jede Richtung orientieren konnte. Meistens war ich das auch, denn ich war zu faul, jedes Mal meine Brille hervorzukramen.

Ich setzte mich auf einen der schwarzen Sitzbänke und entknotete meine Kopfhörer aus meiner Jeansjacke. Das Schließen der Automatiktüren bekam ich schon gar nicht mehr mit, denn Ryan Key setzte bereits am Chorus ein, nachdem ich auf das gestoppte Playzeichen tippte.

If I could find you now things would get better
We could leave this town and run forever
Let your waves crash down on me
And take me away, yeah yeah

Ich schloss meine Augen und lehnte meinen Kopf an die Lehne. Mit einem Rauswurf aus meiner Wohnung hatte ich nicht gerechnet. Mein Leben lief doch gerade so perfekt. Das Lernen war zwar um einiges mehr, als ich erwartet hatte, doch machbar. Ich sah zwar meine Freunde nur manchmal und nur kurz, doch das war nichts neues für mich. Abgesehen davon lief alles wie am Schnürchen. Und jetzt sowas.

Ich stieß die Luft aus meinen Lungen und sah mich um. Nur eine ältere Dame mit ihrem kleinen Hund, mit einem Schleifchen um den Hals, saß in dem gleichen Abteil und las in einem Magazin. Solche Hunderassen hatte ich früher immer mit dem liebevollen Kosenamen umgebaute Katzeverwendet. Ich glaube, solche impertinenten Spitznamen und Provokationen hatten damals schon bei meinem Großvater ihre Uraufführung gehabt.

Die U-Bahn hielt an der ersten und nächsten Haltestelle und ich nahm mein Handy wieder zur Hand. Es waren noch fünf Minuten. Mit einem Daumen tippte ich die Adresse ein und wartete, bis Google Maps lud.

Zwei Minuten zu Fuß. Das waren doch gute Nachrichten.

Normalerweise war ich nicht der Typ, der sich verspätete, sondern lieber schon fünf Minuten früher da war, als pünktlich. Es war wahrscheinlich eine Sache der Deutschen, dass sie sich so benahmen. Pünktlichkeit und Sauberkeit und Bildung.

Ich wechselte das Lied und stand schon mal auf.

Verschwommene Bilder von Menschen, die von ihren Handys aufsahen, als die Bahn an ihnen vorbeidrosch, tauchten auf und ich zog, sobald die Türen freigegeben wurden, an dem Henkel.

Die letzten Meter die Steintreppe hoch sprintete ich und zerrte mir gleichzeitig meine Sonnenbrille aus den Haaren. Das Wetter in Bayern war recht wechselhaft und nicht vorsehbar. Dadurch, dass wir sehr nahe an den Alpen wohnten, wurden Gewitterstürme umso einiges heftiger, wie sie im Wetterbericht beschrieben wurden und der Sommer dieses Jahr hatte nicht nur einmal die Grenze zu den 35 Grad geknackt. 

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