Dazais Akte

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„Dazais Akte"

Das Büro war in das warme Licht der untergehenden Sonne getaucht, als Chuuya seufzend den grauen Kugelschreiber fallen ließ, mit dem er schon seit Stunden seinen fälligen Papierkram bearbeitete und die Arme ausstreckte. Ein ereignisloser Bürotag neigte sich dem Ende. Der Mafioso mochte diese Tage, im Warmen sitzen mit einer guten Flasche Wein und einen Großteil der Zeit alleine verbringen, es entspannte ihn, nicht immer auf Achse sein zu müssen.

Er fühlte sich wohl in dem Einzelbüro, das Mori ihn nach seinem kürzlichen Rangaufstieg zugeteilt hatte. Es war nach Chuuyas Geschmack eingerichtet und für ihn fast wie eine zweite Wohnung. Seufzend rieb er sich die Schläfen, als sich das Bild von Dazais verwüstetem Büro schemenhaft in seinem Kopf aufbaute. Es stand leer, war unbelebt und kalt. Chuuya hatte oft vor der schweren Tür gestanden, einfach so, ohne Anlass, sie angestarrt und nachgedacht.

Ordentlich sortierte er die Akten in Stapeln und häufte sie vor sich auf den Mahagonischreibtisch. Das Holz glänzte im goldenen Licht und sah so noch ein wenig wertvoller aus. Er streckte sich und seine steifen Schultern knackten laut bei der Bewegung, auch der dunkle Ledersessel zeigte mit einem Knarzen, wie lange er schon in einer Position ausgeharrt hatte.

Chuuya wollte grade aufstehen und sich ein weiteres Glas Wein holen, als es an der dunklen Panzertür am anderen Ende des Raumes klopfte. Der Rothaarige ließ sich wieder auf seinen Platz nieder und bedachte die Person, die in den Raum getreten war, mit einem leicht überraschten Blick.

Akutagawa trug eine dunkle Mappe unter seinem linken Arm, aus der einige weiße Zettel hervorlugten. Chuuya grinste, auf diese Zettel hatte er gewartet, die ganze vergangene Woche lang, dass der Größere den Auftrag in nur sieben Tagen erledigte, damit hatte er nicht gerechnet.

Der dürre junge Mann in dem schwarzen Mantel legte die Unterlagen auf den sonnenbeschienenen Tisch, die Sonne ließ die schwarze Mappe noch geheimnisvoller wirken als sie ohnehin schon war.

„Das ist alles, was ich innerhalb der letzten Tage herausgefunden habe. In dem Ordner stecken massig Überstunden."

Chuuya juckte es in den Fingern, er wollte nach dem dunklen Einband greifen, ihm gierig alle Informationen entnehmen, Antworten auf seine Fragen finden. Doch nicht in der Anwesenheit des Jüngeren, die Blöße würde sich der Rotschopf nicht geben.

Nach seinem Nervenzusammenbruch hatte er beschlossen den "neuen" Dazai genauer unter die Lupe zu nehmen. Da der Mafioso sich selbst aber zu schade für Spionage und Beschattung war, gab er dem Schwarzhaarigen den Auftrag sich seinen Wunsch anzunehmen. Dieser hatte sich anfangs etwas geniert, jedoch war dem Kleineren das kurze Blitzen in den grauen Augen des Anderen nicht entgangen, als er von Dazai redete. Akutagawa besaß ebenfalls Interesse an den Informationen und so hatte er schließlich zugesagt.

Auch als Akutagawa gegangen war, ließ er die Akten unberührt, das kribbelnde Gefühl tief in seinem Bauch sollte noch etwas bleiben und so verließ Chuuya spät in der Nacht sein Büro, die Mappe in der Hand. Sie war schwer und das Leder des Umschlags sog die kühle Nachtluft gierig auf.

Schnellen Schrittes eilte der Hutträger durch die Nacht zu dem dunklen Firmenwagen, seine Wohnung lag weiter landeinwärts als die hohen schwarzen Türme. Es war seine erste eigene Wohnung, legal gekauft und keines der kleinen Zimmer, die die Mafia bereitstellte.

Chuuya stieg in den teuren Wagen, legte die Mappe auf den Beifahrersitz und drehte den Schlüssel um. In völliger Stille, ausgenommen das leise Röhren des Motors, fuhr er durch die nächtliche Stadt. Normalerweise war der Rotschopf ein Fan von Musik, jetzt nicht, jetzt empfand er jeden Ton für einen zu viel.

„Sayonara, Chuuya"{-Soukoku-}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt