2. Kapitel

1.1K 47 3
                                    

Im letzten Moment bevor der Bus seine Türen schloss, hüpfte ich hinein und setzte mich auf einen der wenigen freien Plätze. Irgendwo weiter hinten saß ein lachendes Grüppchen und tat sich an Pommes und Burger gütlich, sodass es im ganzen Bus nach Fast Food roch. Alle zwei Minuten sah ich ungeduldig auf die Uhr. Hoffentlich schaffte ich es noch rechtzeitig zum Abendessen, ansonsten würde mir meine Mutter hinterher wieder Vorwürfe machen, was für einen schlechten Eindruck meine Unpünktlichkeit bei unseren Freunden hinterließ. Sie musste langsam echt damit aufhören, mich immer so zu bevormunden. Ich war schließlich alt genug, um zu entscheiden, was für einen Eindruck ich bei anderen Menschen hinterlassen wollte.

Um 18 Uhr 35 sprang ich aus dem Bus und ging mit zügigen Schritten den Tulpenweg entlang. In der Mitte der Straße angekommen, fuhr ein schwarzer BMW an mir vorbei. Das waren mit ziemlicher Sicherheit die Rohners. Ich war also gar nicht so spät dran. Dennoch erntete ich einen tadelnden Blick von meiner Mutter, als ich eine halbe Minute nach unseren Besuchern die Auffahrt hinaufkam. Und ich fing mir gleich noch einen zweiten mahnenden Blick ein, als sie meine Aufmachung sah.

„Warum trägst du nicht deine schöne Bluse und den Blazer, den ich dir extra für heute gekauft habe?", nörgelte sie leise.

„Nass geworden."

„Und wo sind deine Sachen?"

„Erzähl ich dir später. Sollten wir jetzt nicht besser unsere Gäste begrüßen?"

Ohne ein weiteres Wort setzte meine Mutter ihr gastfreundlichstes Lächeln auf und näherte sich den Rohners, welche gerade aus dem Wagen ausstiegen.

„Sylvia! Pascal! Wie schön euch endlich wieder mal zu sehen. Und Alexander, meine Güte siehst du gut aus! Die Staaten sind dir wohl gut bekommen."

Alexander war der Sohn der Rohners und drei Jahre älter als ich. Die Familie war vor einigen Jahren nach Amerika ausgewandert, kürzlich aber wieder zurück in die Schweiz gezogen.

Bevor ich mir noch einen dritten strafenden Blick meiner Mutter einfing, verteilte ich ebenfalls ein Küsschen hier und ein Küsschen da.

Bei Alexander hingegen war ich noch etwas zurückhaltend mit der Begrüßung. Er hatte sich recht verändert, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Und hier musste ich meiner Mutter recht geben: Er sah echt klasse aus. Er war einen Kopf größer als ich und wirklich gut in Form. Sein Stil gefiel mir. Er trug ein dünnes graues Langarmshirt, an welchem über der Brust ein paar Knöpfe angebracht waren. Seine schwarzen Jeans saßen ihm locker auf den Hüften und wurden von einem dunkelbraunen Ledergurt an ihrem Platz gehalten. Das Logo der teuren Kleidermarke war so dezent auf dem Verschluss angebracht, dass man es kaum erkannte. Das gefiel mir besonders an Alexanders Erscheinung: Er protzte nicht, obwohl er es durchaus könnte.

„Hallo Alexander, ist lange her. Schön seid ihr wieder da."

„Hi Sarah. Danke, ist auch schön dich wieder zu sehen. Und bitte nenn mich doch Alex wie früher."

„Alles klar Alex. Und auch wenn ich dich damit gleich noch einmal in Verlegenheit bringe: Du siehst wirklich super aus."

Er lachte und fuhr sich verschmitzt durch seine struppigen braunen Haare. Er schien sich seiner Wirkung durchaus bewusst.

„Vielen Dank für die Blumen. Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Du hast dich ebenfalls ziemlich verändert."

Ich bemerkte, wie er einen kurzen Blick auf meine Brüste warf, und war mir nicht sicher, ob ich das nun auch als Kompliment auffassen sollte.

„Na los Kinder, rein in die gute Stube!"

Als meine Mutter das Wort Kinder aussprach, verdrehte ich genervt die Augen. Natürlich so, dass einzig Alex es mitbekam, der sich das Lachen verkniff. Artig gingen wir ins Wohnzimmer, wo auch schon mein Vater mit dem Wein wartete. Es folgte ein zweites Begrüßungstrara und bald darauf saßen wir allesamt am großzügig gedeckten Esstisch. Beim Hauptgang angekommen präsentierte meine Mutter stolz ihren Festtagsbraten. Kurz darauf war sie in eine Fachsimpelei mit Alex' Mutter vertieft, bei der es wohl darum ging, welche Kerntemperatur Fleisch denn nun haben musste, damit es sowohl zart als auch saftig blieb. Pascal und mein Vater sprachen schon eine Weile über Geschäftliches und so begannen auch Alex und ich ein Zweiergespräch.

Malou my love (girlxgirl) | abgeschlossen 📓 (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt