Kapitel 4

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Die Sonne schien am nächsten Morgen hell ins Schlafzimmer und weckte Riley auf. Er war noch müde, denn er hatte die halbe Nacht lang mit Muriel geschlafen. Er drehte sich um, um mit seiner Geliebten zu kuscheln, doch sie war nicht mehr da. Der Junge war auch nicht mehr ans Bett gefesselt. Bevor er eingeschlafen war, war er es aber noch. Muriel hatte nämlich noch immer Angst, dass er weglaufen könnte. Riley deutete das als ein Zeichen der Liebe zu ihm. Am Bettende lag, feinsäuberlich gestapelt, eine kurze Hose, ein Hemd und eine Unterhose. Während er noch schlief, musste Muriel das für den Jungen besorgt haben, so wie sie es ihm gestern versprochen hatte. Riley zog sich an und ging dann ins Wohnzimmer. Dort war auch Muriel und machte etwas neben dem Aquarium. Riley wünschte ihr einen guten Morgen (obwohl es schon 12:16 Uhr war) und bedankte sich bei ihr für die Kleidung. „ Na, auch schon wach geworden, mein Süßer?", fragte Muriel lächelnd. „Komm her und gib deiner Freundin einen Kuss!" Riley tat was von ihm verlangt wurde. Dann sah er was Muriel eigentlich machte. In ihrer zarten, aber kräftigen Hand hielt sie einen Hammer und neben ihr auf dem Tisch lagen zerquetschte Goldfische. „Was machst du da?", fragte der Junge entsetzt. „Meine Fische gefallen mir nicht mehr", meinte Muriel gelassen, während sie mit dem Hammer auf einen weiteren zappelten Goldfisch einschlug. Riley zuckte zusammen. Er war fassungslos. Kein Fisch hatte es verdient brutal umgebracht zu werden, nur weil er seinem Besitzer nicht mehr gefiel, fand er. Die armen Goldfische taten ihm sehr leid. Muriel fischte einen weiteren Goldfisch aus dem Aquarium und schlug auch diesen tot. Riley konnte nicht hinschauen. „ Sei doch so lieb und hilf mir, Riley!", befahl Muriel und drückte dem fassungslosen Jungen den Hammer in die Hand. Dann holte sie einen Fisch aus dem Aquarium und legte ihn vor Riley auf den Tisch. „Los! Schlag ihn tot!" Der kleine Goldfisch zappelte kläglich. Riley konnte ihn einfach nicht erschlagen. Der Fisch zappelte weiter und weiter, bis er auf einmal weniger zappelte und schließlich bewegungslos auf dem Tisch lag. „Jetzt ist der Goldfisch einen langen qualvollen Tod gestorben. Austrocknen ist sicher nicht angenehm", meinte Muriel. Riley fühlte sich schrecklich. Der arme Goldfisch ist wegen ihm qualvoll ausgetrocknet. Dem Jungen rann eine Träne die Wange herunter.

Beim Mittagessen hatte Riley nicht besonders viel Appetit. Er musste immer wieder an den Goldfisch denken, den er ermordet hatte. Ironischerweise gab es Fisch zum essen. Riley hatte seinen Fisch nicht angerührt. Er hatte nur ein bisschen was von den Kartoffeln gegessen. Nach dem Essen umarmte ihn Muriel von hinten und küsste ihn am Nacken. Der Junge war jetzt nicht in der Stimmung dafür und drehte sich von ihr weg. Gleich darauf schrie er auf. Muriel hatte ihn fest an den Haaren gezogen. „Du böser Junge", sagte sie und biss sich an seinem Nacken fest. Rileys Augen füllten sich vor Schmerz mit Tränen. Er bat die Frau aufzuhören, doch sie ignorierte ihn. Stattdessen biss ihn am Nacken entlang, bis zu seinem Hals. Schließlich biss sie sich an seinem Kehlkopf fest. Riley bekam keine Luft mehr. Er versuchte Muriels Kopf von sich wegzudrücken, doch es gelang ihm nicht. Sie hatte sich zu sehr an ihm festgebissen. Riley wurde schwindelig und kurze Zeit später war er bewusstlos.

Als er wieder zu sich kam, lag er am Sofa, mit dem Kopf auf Muriels Schoß. Muriel spielte mit seinen Haaren, während sie ein Buch las. Sie lächelte Riley an, nachdem er die Augen geöffnet hatte. Es war ein warmes, freundliches Lächeln. So wie man jemanden anlächelt den man liebt. Riley war ein bisschen verwirrt. Eben war seine Freundin noch richtig wütend auf ihn gewesen und hatte ihn gleichseitig gebissen und gewürgt. Doch Muriel tat so als wäre das nie passiert. Das wunderte den Jungen. Wenn seine Eltern Streit hatten, versöhnten sie sich später wieder und entschuldigten sich beieinander. So wird das eigentlich immer gemacht, dachte Riley, aber anscheinend irrte er sich. Sofort bekam er Heimweh, weil er an seine Eltern gedacht hatte. Er hatte sie schon zwei Tage lang nicht mehr gesehen und wusste nicht ob er sie jemals wieder sehen würde. Außerdem würden sie und seine Schwester sich sicher schreckliche Sorgen um ihn machen. Riley begann bei dem Gedanken daran zu weinen. „Was ist los, mein Schatz", fragte Muriel besorgt und gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. „Ich vermisse meine Eltern und meine Schwester Lily so sehr", schluchzte Riley, sodass Muriel ihn kaum verstand. Die Frau nahm ihn liebevoll in dem Arm und tröstete ihn. „Ich weiß, dass du sie vermisst", sagte sie mitfühlend. „Aber du kannst sie leider nicht sehen. Sie würden dich mir wegnehmen und die Polizei auf mich hetzen." Riley schaute sie mit traurigen Augen an. Sie strich ihm durchs Haar und sagte: „Jetzt sei doch mal ehrlich, Süßer. Wir wissen beide, dass ich dich mehr liebe als dich deine Eltern und deiner Schwester lieben." Der Junge musste daran denken, wie wenig Zeit seine Eltern immer für ihn hatte. Ihre erste Priorität war immer ihre Firma gewesen. Sie hatten nicht einmal Zeit mit ihm auf Urlaub zu fahren, obwohl sie mehr als genug Geld dafür hatten. Und wenn sie doch einmal auf Urlaub gefahren waren, dann ohne ihre Kinder. Denn sonst könnten sie sich ja nicht richtig entspannen. Lily und Riley wurden immer auf irgendwelche Ferienlager geschickt. Auch Lily machte nicht viel mit ihrem Bruder, sondern immer nur mit ihren Freunden. Seit dem Herbst wohnte sie nicht mal mehr bei Riley zu Hause. Sie war nach Wien gezogen um dort zu studieren. Riley fragte sich woher Muriel das alles wusste.

Später am Nachmittag ging Muriel weg um, unter anderem, schönere Fische zu kaufen. Riley hatte sie wieder angekettet, aber diesmal stellte sie ihm etwas zu essen und zu trinken hin und schaltete sogar den Fernseher an, damit ihm nicht langweilig werden würde. In den Nachrichten wurde ein Bericht über Rileys Verschwinden gezeigt. Seine Eltern, die in Österreich nicht unbekannt waren, wurden dafür interviewt. Beide hatten Tränen in den Augen. Sein Vater, Lars Walcher, bat die Zuschauer sofort der Polizei Bescheid zu sagen, sobald jemand eine Spur von Riley entdeckt hat. Marilyn Walcher gab hingegen zu verstehen, dass Irene Csizmadia laut ihr bestimmt etwas mit dem Verschwinden ihres Sohnes zu tun hat. Auch wenn sie es nicht direkt sagte. Riley musste wieder weinen als er seine Eltern im Fernsehen sah. Aber Muriel hatte Recht. Sie liebte ihn mehr als seine Eltern es taten. Das dachte zumindest Riley. Und er liebte Muriel auch. Nachdem sie wieder nach Hause gekommen war, erzählte er ihr deshalb sofort was er im Fernsehen gesehen hatte und dass seine Mutter sie verdächtigte. Muriel wusste das zwar schon längst, aber trotzdem freute sie sich darüber, was der Junge es ihr erzählte. Das war ein Beweis dafür, wie sehr Riley Muriel liebte und dass er tatsächlich nicht vorhatte wegzulaufen. Wieso hätte er Muriel sonst von dem Verdacht seiner Mutter erzählt?

Muriel und RileyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt